Читать книгу Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis - Dieter Kremp - Страница 55

VOM LÄSTIGEN FLUG DER FLIEGENDEN POLLEN

Оглавление

Rund sechs Millionen Bundesbürger sehen dem Erwachen der Natur nicht mit freudiger Erwartung entgegen. Die Vorfreude auf das Hochfest der Blüten, das Anfang März mit dem Stäuben der Erle und Hasel beginnt, sich Ende März mit den blühenden Palmkätzchen und Ende April mit der gelben Löwenzahnwiese schmückt, löst bei diesen Geplagten schon lange keine poetischen Gefühle mehr aus. Und ein „Bett im Kornfeld“ wird dann im Sommer zur Qual, wenn nach dem Schäferstündchen das Niesen und Tränen beginnt. Sie weinen nicht aus Liebe, denn Pollenallergiker reagieren sehr empfindlich.

Alljährlich, wenn der Frühlingsherold seinen Einzug hält, wird der Pollenflug zum „Fluch der Pollen“. Wenn der Wind den Pollenstaub von blühenden Bäumen und Sträuchern, von Gräsern und Getreide über die Lande verstreut, fangen sich diese Allergiker ihren jährlichen Heuschnupfen ein. Dann werden sie von dauerndem Niesen und triefender Nase, von tränenden und brennenden, verquollenen Augen, qualvollem Husten und Atemnot, Kopfschmerzen und Schlafstörungen geplagt. Und es ist schwer, dem bedrohenden Blütenstaub zu entfliehen; denn er tritt mit einem „Milliardenheer“ von winzigen Angreifern auf: Eine einzige Roggenähre zum Beispiel setzt rund vier Millionen Pollen frei, aber schon 20 von ihnen pro Kubikmeter Luft genügen für eine massive allergische Reaktion.

Eigentlich wollen die männlichen Pollenkörnchen ihrer ureigensten Bestimmung wegen die weiblichen Narben der artgleichen Blüten treffen. „Die Nase ist doch kein weibliches Sexualorgan“, meinte schon der berühmte schwedische Naturforscher Linné, wenn sich bei ihm die männlichen Pollen auf der Nasenschleimhaut festsetzten und wieder mal seinen „Heuschnupfen“ auslösten.

Um den geballten Angriff der Pollen und einem Heuschnupfen zu entgehen, ist vielen der Betroffenen kein Weg zu weit. Sie reisen auf ferne Inseln, wenn Helgoland nicht mehr ausreicht; sie fahren ins Hochgebirge, um an diesen Orten in der fast pollenfreien Luft wieder aufatmen zu können. Aber nicht für jeden ist eine solche Reise möglich oder erschwinglich. Er ist voll und ganz auf den Arzt angewiesen, der heute in den dafür geeigneten Fällen die vorbeugende Immunbehandlung, die sogenannte Hyposensibilisierung, anwendet.

Kaum ein Mensch gleicht dem anderen; was dieser verkraftet, macht jenen krank. Die körpereigenen Abwehrkräfte sind nicht gleichmäßig verteilt. Daher kommt es, dass sich Blütenpollen so unterschiedlich auswirken. Sie rufen als sogenanntes Allergen oder Antigen im Organismus eine Überempfindlichkeit (Sensibilisierung) mit anschließender Antikörperbildung hervor. Diese krankhafte Immun- oder Überempfindlichkeitsreaktion bezeichnet man als Allergie. Der Heuschnupfen ist eine Pollenallergie. Heilen kann man den Heuschnupfen zwar nicht, aber doch erträglicher machen. Bereits vor Beginn der Blütezeit spritzt man dem Patienten Pollenallergene ein, um seine Überempfindlichkeit herabzusetzen. Bei einigen hilft diese Methode.

Es gibt auch eine ganze Reihe von Medikamenten, die den Heuschnupfen zumindest lindern. Vielfach besteht noch immer die Meinung, Heuschnupfen sei zwar eine lästige, aber doch harmlose Störung des Wohlbefindens. Das ist er jedoch nicht. Die Erfahrung lehrt, dass etwa ein Drittel der Pollenallergiker ohne Behandlung eines Tages mit einem allergischen Bronchialasthma rechnen muss.

So unerträglich Pollen auch sind, wenn sie mit dem Wind „fremdgehen“ – unter dem Mikroskop offenbart sich eine Wunderwelt an magischen Formen und Mustern, doch mit Haken und Ösen versehen. Damit klammern sie sich an den Blütennarben fest – oder eben in der empfindlichen Schleimhaut der Nase.

Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis

Подняться наверх