Читать книгу Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis - Dieter Kremp - Страница 59
ОглавлениеAPRIL
NATUR KANN HEILEN
Es eilt ihm ein schlechter Ruf voraus, jedoch zu Unrecht. Der sprichwörtlich wetterwendische April, der Launing unserer Vorfahren, bringt uns vielmehr um die Monatsmitte meist anhaltend sonnige Tage und damit den Vorgeschmack des kommenden Sommers. Wie der Wonnemonat Mai ist der April ein Monat der Blumen und Blüten.
„Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiss der Qual! Nun muss sich alles, alles wenden.“ – So wie Ludwig Uhland in seinem Gedicht „Frühlingsglaube“ haben Dichter aller Zeiten das Erwachen der Natur enthusiastisch begrüßt.
Volkslieder und Sprichwörter erzählen uns vom wundersamen Trost der Bäume: „Wo das Glück zu Hause ist, da dürfen Blumen lachen, Bäume tanzen, Bäche klatschen, Wiesen weinen, Berge hüpfen und Sterne winken.“ Das sind Erfahrungen, die gerade jetzt – angesichts der gefährdeten Schöpfung – in uns immer lebendig werden: „Die Natur ist die größte Zauberin, die Malerin der schönsten Bilder. Sie ist auch unsere Ernährerin. Gib auf sie acht! So lange noch Zeit ist.“
So wird es langsam Zeit, das wir die vielen Wunden, die wir unserer Natur immer noch jeden Tag zufügen, sei es aus Dummheit oder Bequemlichkeit, auch endlich anfangen, selber zu heilen.
Natur kann heilen, gerade jetzt im Frühling. Psychiater wissen zu berichten, dass durch den Anblick von Blumen und blühender Bäume Depressionen wirksam gelindert werden. Hier wirken Farben und Aroma der Blüten therapeutisch zusammen. Der Frühling ist immer eine Zeit des „Auftauens“ des menschlichen Herzens und der Gesundung der Seele. Die Natur gibt uns jeden Tag die Kraft, an das Gute und Schöne – auch in den Menschen – zu glauben.
„Es gibt Augenblicke im Leben, wo wir aufgelegt sind, jede Blume und jedes entlegene Gestirn, jeden höheren Geist an den Busen zu drücken – ein Umarmen der ganzen Natur, gleich unserer Geliebten. Der Mensch, der es so weit gebracht hat, alle Schönheit, alle Größe, Vortrefflichkeit im Kleinen und Großen der Natur aufzulesen und in dieser Mannigfaltigkeit die große Einheit zu finden, ist der Gottheit schon viel näher gerückt. Die ganze Schöpfung zerfließt in seiner Persönlichkeit.“
In diesem Monat der noch feucht angehauchten Erde sind die Wiesen- und Gartenblumen von ganz besonderer Pracht. Es sieht beinahe aus, als gäbe es ganz neue Modelle unter ihnen – neue Formen, neue Farben. Die Kollektion des Himmels ist von unerschöpflicher Phantasie. Wieder fällt es einem auf, wie fein und vollendet die allerkleinsten Blüten sind. Die Liebe des Schöpfers scheint sich mit dem Grad der Kleinheit zu vergrößern.
Der April fügt die Blütenträume unserer Kindheit und Jugendzeit zu einem bunten Blütenstrauß zusammen. Dieser Strauß soll jedem Freude bringen, der sich den Sinn für die unverbrauchte Schönheit der Natur bewahrt hat. Der Frühlingsmonat April ruft wieder neu in unser Gedächtnis zurück, dass es wirklich Zeit ist, behutsamer mit der Natur umzugehen. Denn nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur. „Die Blumen und die Natur, genauso wie die vor Glück strahlenden Kinderaugen, geben uns jeden Tag die Gewissheit, dass Gott sein Vertrauen in die Menschen noch nicht verloren hat.“ Blumen sind die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns andeutet, wie lieb sie uns hat.
Halten wir es im Monat April mit den Worten von Hermann Löns! „Lass Deine Augen offen sein, geschlossen Deinen Mund und wandle still, so werden Dir geheime Dinge kund.“ Es ist eine Aufforderung zu einem Frühlingsspaziergang.
„Denn die Frühlingstage
kommen wieder zu ihrer Zeit;
der Vollmond nimmt Abschied
und kommt wieder zu neuem Besuch;
die Blüten kommen wieder
und erröten auf ihren Zweigen
Jahr für Jahr; und vielleicht
nahm auch ich nur Abschied von Euch,
um wiederzukommen.“ (Tagore)