Читать книгу Europäische Urbanisierung (1000-2000) - Dieter Schott - Страница 10

1.2 Das Vorgehen

Оглавление

Die Darstellung in diesem Studienbuch ist grob chronologisch. Sie setzt ein mit dem Wiederaufschwung der Städte im christlichen Europa um das Jahr 1000, als sich neben den wenigen verbliebenen Resten des römischen Städtewesens dank eines generellen demografischen und ökonomischen Aufschwungs neue Stadtgründungen vermehrt registrieren lassen. In den Kapiteln 2 (S. 25), 3 (S. 41), 5 (S. 89) und 6 (S. 125) wird der Verlauf der europäischen Urbanisierung im Mittelalter und der frühen Neuzeit nachgezeichnet, gegliedert nach den bereits erwähnten großen ökonomisch-demografischen Konjunkturen. Dies erfolgt einerseits auf der Ebene einzelner, jeweils als Beispiel für bestimmte Entwicklungen dienender Städte, andererseits auf [<<22] der Ebene des europäischen Städtesystems insgesamt. Um dieses Gesamtbild zu konkretisieren, werden für jede Großperiode eine oder mehrere Städte mit Kurzporträts näher vorgestellt, die durch ihr Profil und ihre Funktion für diese Periode und für das Städtesystem insgesamt besonders wichtig und repräsentativ waren. Kapitel 4 (S. 65) „Stadt – Umland – Hinterland: Die Versorgungskreise der mittelalterlichen Stadt“ durchbricht dieses chronologische Schema; hier werden generelle Muster der Versorgung und des Stoffwechsels der vormodernen Stadt entwickelt, die nicht nur für eine der chronologischen Großperioden zutrafen. Mit Kapitel 7 (S. 157) „Die neue Dominanz der Hauptstädte nach 1500“ wird die neue Qualität der Hauptstädte als Konzentrationspunkte der neuen Nationalstaaten auf allgemeiner Ebene beschrieben und am Beispiel der wichtigsten Hauptstädte London und Paris veranschaulicht. Kapitel 8 (S. 193) zeigt die Wirkungsmacht der Industrialisierung auf städtischer Ebene am Beispiel von Manchester auf und betont zugleich, wie fremdartig und schockierend die neuen baulichen und gesellschaftlichen Muster auf die Zeitgenossen wirkten. Die überragende Bedeutung von Hygiene und Hygienisierung ist zentrales Thema von Kapitel 9 (S. 223), das herausarbeitet, wie die Gesellschaften des 19. Jahrhunderts, allen voran Großbritannien, auf die Herausforderungen durch Massenarmut, hohe Sterblichkeit und Epidemien mit einer gesundheitsbezogenen Ordnungskonzeption für den städtischen Raum reagierten, die zugleich sozial pazifizierend wirken sollte. Der von der „Public-Health“-Bewegung angestoßene Umbau der Städte hatte auch tief greifende Veränderungen des materiellen Stoffwechsels der Städte, insbesondere für Wasser und Abfall, zur Folge. Kapitel 10 (S. 253) „Die ,Haussmannisierung‘ von Paris: Die Erfindung der modernen Metropole“ untersucht, wie die französische Hauptstadt Mitte des 19. Jahrhunderts unter besonderen politischen Rahmenbedingungen radikal umgebaut wurde, wobei letztlich das global für das späte 19. und auch noch frühe 20. Jahrhundert bestimmende Leitbild einer modernen, wohlgeordneten und lebenswerten Metropole entstand. Die von den Zeitgenossen als existenzbedrohend wahrgenommene Krise der europäischen Stadt um 1850 und die beiden darauf gefundenen Antworten stehen in Kapitel 11 (S. 275) im Mittelpunkt: einerseits die „Vernetzung der Stadt“ durch eine Vielzahl von Infrastrukturnetzen, die eine Überwindung materieller Krisensymptome (z. B. hohe Mortalität) durch Verlagerung und Externalisierung negativer Umweltwirkungen ermöglichte, andererseits die Stadtplanung als zunehmend professionalisierte und verwissenschaftlichte Praxis räumlichen Ordnens von Stadt und städtischer Funktionen. Dabei wird auch herausgestellt, wie sich mit veränderndem Problemhorizont der Fokus der Planung vom Streben nach der assanierten, sauberen Stadt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zur Wohnungsfrage als der für zentral erachteten Dimension der sozialen Frage in der ersten [<<23] Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelte. Kapitel 12 (S. 329) schließt den Bogen von den Tendenzen europäischer Stadtentwicklung in der Nachkriegszeit, insbesondere der Motorisierung und Suburbanisierung bis hin zu den aktuellen Problemen eines Umbaus von Städten im Zeichen „nachhaltiger Entwicklung“. [<<24]

1 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: „Wieczorek-Zeul: Wir sind im urbanen Jahrtausend angekommen!“, 6. Oktober 2008, <http://www.service-eine-welt.de/partnerschaftsinitiative/2008-10-01*2008-12-31/standard-weltsiedlungstag2008.html>, abgefragt 17.02.2014.

2 Vgl. David Blackbourn: The Culture and Politics of Energy in Germany. A Historical Perspective, (= RCC Perspectives 2013/4), München 2013. Zwar wirkte die Berechnung der britischen Kohlevorräte in den 1860er-Jahren durch Stanley Jevons, der die Verfügbarkeit von Kohle beim damals absehbaren Verbrauchsmuster auf 110 Jahre ansetzte, in der wissenschaftlichen Gemeinschaft verstörend, aber konkurrierende Gutachten und Prognosen schoben die zeitliche Grenze erheblich weiter hinaus. Politische Konsequenzen zeitigte die Debatte letztlich nicht, vgl. Rolf Peter Sieferle: Der unterirdische Wald. Energiekrise und Industrielle Revolution, München 1982, S. 252–260.

3 Daran ändert auch die zeitliche Streckung der Ressourcen durch neue, recht problematische Extraktionsverfahren wie das „Fracking“ nichts Grundsätzliches.

4 Vgl. Institute for Sustainability. Hintergrund Energie und Städte, <http://www.4sustainability.de/energie-undstaedte/hintergrund.html>, Zugriff: 12.09.2013.

5 Fachleute beziffern den kurz- und mittelfristigen Finanzaufwand für die Instandhaltung des bundesdeutschen Kanalisationsnetzes auf über 50 Mrd. Euro, vgl. Klaus Hans Pecher: Entwicklung des Kanalnetzes in Deutschland und Ansätze zur wirtschaftlichen Optimierung der notwendigen Netzsanierung. (Vortrag gehalten auf dem Abwasserforum 2009, Entsorgungsverband Saar) <http://www.entsorgungsverband.de/fileadmin/evs_web/images/Infomaterial/tagungsunterlagen_vortraege/Abwasserforum_2009/Entwicklung%20des%20Kanalzustandes%20in%20Dtschland.pdf>, Zugriff: 05.09.2013.

6 Vgl. Klaus Wisotzky/Michael Zimmermann (Hrsg.): Selbstverständlichkeiten. Strom, Wasser, Gas und andere Versorgungseinrichtungen: die Vernetzung der Stadt um die Jahrhundertwende, Essen 1997; Dieter Schott: Wege zur vernetzten Stadt – technische Infrastruktur in der Stadt aus historischer Perspektive, in: Informationen zur Raumentwicklung, H. 5.2006, S. 249–257.

7 Vgl. Jeffrey Diefendorf: In the wake of war. The reconstruction of German cities after World War II, New York 1993, S. 20, der die prägende Wirkung des Straßenrasters und der Infrastrukturnetze für den Wiederaufbau betont. Christoph Bernhardt bezeichnet die städtische Infrastruktur der deutschen Städte nach 1945 als „strukturkonservierendes Rückgrat“, vgl. Christoph Bernhardt: Umweltprobleme in der neueren europäischen Stadtgeschichte, in: Ders. (Hrsg.): Environmental Problems in European Cities in the 19th and 20th Century/Umweltprobleme in europäischen Städten des 19. und 20. Jahrhunderts, Münster u. a. 2001, S. 5–23, hier 15. Für Naturkatastrophen zusammenfassend Dieter Schott: Resilienz oder Niedergang? Zur Bedeutung von Naturkatastrophen für Städte in der Neuzeit, in: Ulrich Wagner (Hrsg.): Stadt und Stadtverderben. 47. Arbeitstagung in Würzburg, 21.-23. November 2008 (= Stadt in der Geschichte, Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Archivkreises für Stadtgeschichtsforschung Band 37), Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2012. S. 11–32, bes. S. 31–32.

8 Zur Entwicklung des Konzepts vgl. Raymund Werle: Pfadabhängigkeit, in: Arthur Benz (Hg): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden 2007, S. 119–131. Der amerikanische Ökonom Paul David hatte 1985 untersucht, warum sich die amerikanischen Schreibmaschinen-Tastatur QWERTY langfristig durchsetzte, obwohl andere, effizientere Systeme vorlagen, Paul David: Clio and the Economics of QWERTY, in: American Economic Review, 75 (1985), S. 33–37. Zur Anwendung des Konzepts für die Stadtgeschichte: Martin V. Melosi: Path Dependence and Urban History: Is a Marriage Possible?, in: Dieter Schott/Bill Luckin/Geneviève Massard-Guilbaud (Hrsg.) Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe, Aldershot 2005, S.262–275.

9 Die Ansätze zur Definition von Stadt sind Legion, vgl. für einen begriffsgeschichtlichen Überblick Alfred Heit: Vielfalt der Erscheinung – Einheit des Begriffs. Die Stadtdefinition in der deutschsprachigen Stadtgeschichtsforschung seit dem 18. Jahrhundert, in: Peter Johanek/Franz-Joseph Post (Hrsg.): Vielerlei Städte. Der Stadtbegriff, Köln u. a. 2004, S. 1–12.

10 Franz Irsigler: Stadt und Umland in der historischen Forschung. Theorien und Konzepte, in: Neithard Bulst/Jochen Hoock/Franz Irsigler (Hrsg.): Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft. Stadt-Land-Beziehungen in Deutschland und Frankreich, Trier 1983, S. 13–38, hier 26 f.

11 Vgl. Marina Fischer-Kowalski u. a.: Gesellschaftlicher Stoffwechsel und Kolonisierung von Natur. Ein Versuch in Sozialer Ökologie, Amsterdam 1997; Dieter Schott: Resources of the City: Towards A European Urban Environmental History, in: Dieter Schott/Bill Luckin/Geneviève Massard-Guilbaud (Hrsg.), Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe, Aldershot 2005, S. 1–27, hier 10 f; Verena Winiwarter/Martin Knoll: Umweltgeschichte, Köln 2007, bes. S. 194–199; für die Anwendung auf mittelalterliche Städte besonders Richard C. Hoffmann: Footprint Metaphor and Metabolic Realities. Environmental Impacts of Medieval European Cities, in: Paolo Squatriti (Hrsg.): Natures Past. The Environment and Human History, Ann Arbor 2007, S. 288–325, sowie Christoph Sonnlechner: Der ’ökologische Fussabdruck‘ Wiens im Spätmittelalter – eine Annäherung, in: Ferdinand Opll/Christoph Sonnlechner (Hrsg.): Europäische Städte im Mittelalter, Innsbruck/Wien/Bozen 2010, S. 351–364.

12 Stephen Boyden u. a.: The Ecology of a City and its People. The Case of Hongkong, Canberra 1981.

13 William Rees/Mathis Wackernagel: Unser ökologischer Fußabdruck. Wie der Mensch Einfluß auf die Umwelt nimmt, Basel u. a. 1997.

14 Vgl. die Studie von 2002, in Auftrag gegeben von der Chartered Institution of Wastes Management (EB), veröffentlicht unter ‚City Limits. A resource flow and ecological footprint analysis of Greater London’, <http://www.citylimitslondon.com/downloads/Execsummary.pdf>, Zugriff: 05.09.2013.

15 Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts liegen in der Regel ausreichend dichte statistische Quellen vor, vgl. etwa die anspruchsvollen und methodisch hoch differenzierten Berechnungen zum Energieverbrauch der Stadt Wien in: Fridolin Krausmann: Sonnenfinsternis? Wiens Energiesystem im 19. und 20. Jahrhundert, in: Karl Brunner und Petra Schneider (Hrsg.), Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien, Wien/Köln/Weimar 2005, S. 140–47. Bemerkenswert auch die Berechnungen von Sabine Barles zu den Stickstoff-Kreisläufen in Paris im 19. und 20. Jahrhundert, Sabine Barles: A Metabolic Approach to the City: Nineteenth and Twentieth Century Paris, in: Schott/Luckin/Massard-Guilbaud (Hrsg.), Resources, S. 28–47.

16 Vgl. James Galloway/Derek Keene/Margaret Murphy: Fuelling the city: Production and Distribution of Firewood and Fuel in London’s Region, 1290–1400, in: Economic History Review XLIX, 3(1996), S. 447–472.

Europäische Urbanisierung (1000-2000)

Подняться наверх