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Hohe Kosten

Wie zufrieden sind Sie eigentlich mit unserem Gesundheitssystem? Vermutlich werden Sie – wie viele Menschen in Deutschland – der Meinung sein, dass im Großen und Ganzen alles in Ordnung sei. Diesen Eindruck bestätigt auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), die seit 2014 untersucht, wie die Deutschen zu ihrem Gesundheitssystem stehen. PwC veröffentlicht die Ergebnisse in einem jährlichen Healthcare-Barometer, zuletzt im Jahr 2019. 55 Prozent der Befragten im Jahr 2018 zählten hier das deutsche Gesundheitswesen »zu den drei besten der Welt«.6 Aber worauf beruht die subjektive Zufriedenheit? Nach meinen Erfahrungen der letzten 30 Jahre, die ich durch zahlreiche Vorträge und im Dialog mit Patienten und Interessierten sammeln konnte, basiert sie auf einer großen Anzahl an Krankenhäusern, einer hochmodernen Apparatediagnostik, gut ausgebildeten Ärzten, einer enormen Dichte an medizinischen Geräten, Zugang zu zahlreichen, auch teuren Medikamenten, gepaart mit einer flächendeckenden Versicherungsstruktur, was den Eindruck erweckt, wir seien gut versorgt. Im Zweifelsfall können die Menschen, so denken die meisten, zeitnah hochprofessionell behandelt werden. Sie wiegen sich in unserem System in Sicherheit, weil die medizinischen Möglichkeiten für sie gleichbedeutend sind mit den Versprechen von Gesundheit und – damit verbunden – einer hohen Lebenserwartung.

Die subjektive Zufriedenheit des Einzelnen erlebe ich oft bei Menschen, die gesund sind und daher noch keine schlechten Erfahrungen mit dem Gesundheitswesen gemacht haben. Nachvollziehbar, denn die meisten Menschen gehen, solange sie nicht krank sind, davon aus, dass schon alles irgendwie okay sei. Sie beschäftigen sich nicht näher mit dem Gesundheitssystem und können somit gar nicht sehen, woran es krankt. Erst wenn Beschwerden auftauchen, kann sich das ändern: Für gewöhnlich, sobald sie als Patienten mit den persönlichen Folgen der Defizite konfrontiert sind. Da ist die Rede von langen Wartezeiten auf Termine, von Unzufriedenheit mit Ärzten, die sich kaum Zeit nehmen können, von einer schlechten Versorgung in ländlichen Gebieten, von mangelndem Austausch zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern, von schnellen Operationsempfehlungen, fehlendem Pflegepersonal und steigenden Versicherungsbeiträgen. Interessanterweise kommt die PwC-Untersuchung zu dem Schluss, dass die Zufriedenheit im Jahr 2018 gegenüber 2016 abgenommen hat, denn damals lag diese noch bei 64 Prozent.7 Immer mehr Menschen scheinen also zu spüren, dass in unserem Gesundheitswesen etwas nicht in Ordnung ist, wissen allerdings nicht genau was.

Das Gesundheitssystem kostet Jahr für Jahr mehr 8


Woran zeigt sich nun, dass es dem Patienten Gesundheitssystem schlecht geht? Am augenscheinlichsten an einem enormen Kostenapparat, dem teuersten in der Europäischen Union (EU), der von Jahr zu Jahr mehr Geld frisst. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts beliefen sich die Ausgaben für das Jahr 2017 auf 375,5 Milliarden Euro, das ist mehr als der gesamte deutsche Staatshaushalt, der bei 356 Milliarden Euro liegt, und macht 11,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Diese Zahl hat sich über die letzten 25 Jahre mehr als verdoppelt. Wo soll das noch hinführen?

Dennoch denken viele Menschen, dass die erhaltenen Gesundheitsleistungen günstig seien, weil es kaum Zuzahlungen oder Selbstbeteiligungen wie in anderen europäischen Gesundheitssystemen gibt. Dazu muss man aber in Betracht ziehen, dass viele europäische Länder, darunter Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland, hauptsächlich steuerfinanziert sind, während die Deutschen zusätzlich zu den Steuern hohe Krankenversicherungsbeiträge bezahlen. Auch wenn der Arbeitgeber in der Regel die Hälfte übernimmt, tragen die gesetzlich Versicherten, und das sind etwa 90 Prozent der Deutschen, die Kosten augenblicklich im Schnitt mit 14,6 Prozent des Bruttolohns. Hinzu kommt ein Beitrag von monatlich rund 0,9 Prozent, der sich jährlich ändert. Sie bezahlen für ihre Gesundheit also zusätzlich zu den monatlichen Steuern. Für einen allein lebenden Angestellten kann das durchaus mit 700 Euro pro Monat zu Buche schlagen. Wohlgemerkt für eine Person!

Die Gesundheitslüge

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