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Weshalb unser Gesundheitssystem so teuer ist

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In den letzten drei Monaten kamen rund zehn Prozent meiner Neupatienten mit dem Wunsch nach einer Zweitmeinung zu mir, weil sie vor Corona für eine Wirbelsäulenoperation terminiert waren, der Eingriff aber wegen der staatlich verordneten Allgemeinverfügung verschoben worden war. Über die Wochen des Lockdowns waren die Schmerzen zurückgegangen oder sogar verschwunden – ein Phänomen, das die konservative Orthopädie kennt, weil unser Körper in der Regel lernt, sich mit schmerzhaften Schäden oder Degenerationen zu arrangieren. Als die Kliniken irgendwann wieder Kapazitäten hatten und sich bei den Patienten meldeten, um einen neuen Operationstermin zu vereinbaren, wollten viele Betroffene von mir wissen, ob sie sich überhaupt noch operieren lassen sollten. „Ein Schaden auf einem Bild entscheidet nicht über Ihre Therapie. Wenn Sie keine Schmerzen haben, muss man auch nicht operieren“, empfahl ich. Und in den meisten Fällen gelang es, mit präventiven Mitteln wie Aufbau- und Kräftigungstraining den verbesserten Status zu erhalten.

Ob am Bewegungsapparat oder am Herzen – wir geben viel Geld für unnötige Therapien aus. Natürlich ist medizinischer Fortschritt wichtig und kann lebensrettend für schwer erkrankte Patienten sein. Aber warum müssen deutsche Ärzte um ein Vielfaches häufiger als ihre europäischen Kollegen zum Messer greifen? Warum sind wir in zahlreichen medizinischen Disziplinen Operationsweltmeister?

Ein Grund dafür ist die Art und Weise, wie unser System ärztliche Arbeit vergütet. Im Kapitel Übertherapierung beschreibe ich, warum konservative, für Patienten schonendere Behandlungsmaßnahmen schlechter bezahlt und daher weitaus seltener angewendet werden. Auch Corona wird an der Tatsache nichts ändern, dass zu schnell und zu viel operiert wird. Dazu kommt: Die Struktur unserer Krankenhauslandschaft ist mehr auf politische und ökonomische Interessen ausgerichtet als auf eine sinnvolle zeitgemäße Medizin. Warum die Trennung zwischen ambulantem und stationärem Bereich endlich aufgeboben werden muss, wird in Die Gesundheitslüge dargelegt. Und auch weshalb eine geringere Anzahl fachlich kompetenter Krankenhäuser in Verbindung mit der Erhöhung von ambulanten Notfallzentren für Patienten vorteilhafter ist – selbst im Angesicht einer Pandemie. Bei einem Blick ins Kapitel Zu teure und zu viel Verwaltung wird einem klar, dass ein Teil des Geldes für den Erhalt unseres Gesundheitssystems in einen bürokratischen, trägen, kostspieligen und reformbedürftigen Apparat fließt, der im digitalen Zeitalter überhaupt nicht notwendig wäre. Statt also immer neue, kaum noch zu durchblickende Änderungen von Gesetzen und Verordnungen vorzunehmen, wäre die Politik auf höchster Ebene gefordert, Aufstellung, Struktur und Organisation des Gesundheitssystems kritisch zu prüfen – um die zur Verfügung stehenden Ressourcen sinnvoller und effizienter zu nutzen.

Die Gesundheitslüge

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