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Niedrige Lebenserwartung

Ein weiterer augenscheinlicher Grund, warum der Patient Gesundheitssystem krank ist, zeigt sich bei der Lebenserwartung. Menschen in anderen Ländern Europas zahlen nicht nur weniger für ihre Gesundheit, sie leben auch länger als die Deutschen. Schaut man sich das einmal im europäischen Vergleich an, lässt sich feststellen: Die Deutschen rangieren gerade mal auf Platz 17, was die Lebenserwartung zum Zeitpunkt ihrer Geburt angeht, weit hinter Spanien, wo die Menschen am längsten leben, und ebenfalls hinter Italien, Frankreich, Großbritannien und Schweden. Auch wenn sich die Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren fast verdoppelt hat, sterben die Menschen in Deutschland früher als in Spanien: Die durchschnittliche Lebenszeit betrug für das Jahr 2016 bei Frauen 81 und bei Männern 78 Jahre. In Spanien dagegen leben Frauen wie Männer über zwei Jahre länger. Das kann doch nicht nur dem vielgepriesenen Rotwein oder dem mediterranen Lebensstil geschuldet sein.



Wer bezahlt wie viel in Europa? Und wer lebt wie lang? 9

Wenn unser Gesundheitssystem so effizient ist, wie es Politiker gern kommunizieren, dann sollten die hohen Kosten dafür eigentlich ein langes Leben in Aussicht stellen. Dann müssten die Deutschen europaweit also dementsprechend die höchste Lebenserwartung haben. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Wir rangieren im europäischen Vergleich gerade mal im Mittelfeld auf Platz 17 und investieren weit mehr in unsere Gesundheit als die anderen europäischen Länder. Die Spanier geben im Schnitt 2.446 Euro jährlich für ihre Gesundheit aus, das ist etwas mehr als die Hälfte dessen, was die Deutschen zahlen. Gemessen an der Lebenserwartung muss das spanische System wohl effektiver sein. Woran könnte es sonst liegen, dass die Menschen in unserem Land im Schnitt zwei Jahre früher sterben als die Spanier? Warum werden die Engländer, deren Gesundheitssystem einen schlechten Ruf hat und unserem angeblich weit unterlegen ist, älter als wir? Höhere Kosten und niedrigere Lebenserwartung: Wie passt das zusammen? Bekommen wir für unser Geld wirklich die beste Behandlung, die unserer Gesundheit dient? Oder ist die Annahme »Ein großes medizinisches Angebot hilft viel« am Ende nicht richtig?

Viel hilft nicht immer viel, wie sich im Verlauf des Buches zeigen wird. Das Wohl und die Interessen des Patienten sind in unserem Gesundheitssystem, das derzeit Krankheit und nicht Gesundheit belohnt, aus dem Blickpunkt geraten! Nicht Heilung ist das vorrangige Ziel, sondern Therapie. Und nicht selten sind risikoreiche oder ineffektive medizinische Maßnahmen mehr auf die bürokratischen Zwänge des Systems zugeschnitten als auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten. Dieser Trend ist gefährlich! Denn es geht um Ihre Gesundheit, Ihr Geld und darum, wie tief Sie dafür in die Tasche greifen müssen.

Im Oktober 2019 wartete die Bertelsmann Stiftung mit der alarmierenden Studie Zukünftige Entwicklung der GKV-Finanzierung auf, die bis 2040 ein Kassendefizit von bis zu 50 Milliarden Euro sowie eine Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge auf bis zu 19 Prozent des Bruttogehalts prognostiziert.10 Um das zu verhindern und den Satz langfristig auf rund 15 Prozent zu halten, müsste der Staat das Gesundheitssystem nicht mehr wie heute mit 14,5 Milliarden, sondern mit 70 Milliarden Euro bezuschussen. Das kann darüber hinaus bedeuten, dass Patienten aufgrund der Ressourcenknappheit in Zukunft mit mehr Einschränkungen bei sinnvollen abrechenbaren Versicherungsleistungen rechnen müssen. Das kann wohl kaum die Lösung sein! So kann es doch nicht weitergehen!

Die folgenden Kapitel stellen eine Art Anamnese des kranken Patienten Gesundheitssystem dar. Als Arzt habe ich mir die Symptome der Krankheit angesehen, die Geld fressen sowie die Lebenserwartung verringern, und nach den dahinterstehenden Ursachen gesucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass unser Gesundheitswesen nicht nur unter systemischen Fehlern leidet, sondern es auch noch dem Patienten, dem schwächsten Glied, schaden kann. Die sieben Symptome, die ich Ihnen nachfolgend aufzeige, sind ansteckend, denn sie beeinflussen auf ungünstige Weise, dass risikoreiche Therapien die Ursachen der Patientenbeschwerden oft nicht wirklich beseitigen. Um der Willkür des Systems nicht ausgeliefert zu sein, ist es für uns alle unabdinglich, Diagnose- und Therapieentscheidungen zu hinterfragen sowie über mögliche schädliche Folgen Bescheid zu wissen. Inwieweit es Sie treffen könnte, was Sie tun können, um sich zu schützen, und was sich ändern muss, damit das Wohl des Patienten wieder in den Mittelpunkt aller Akteure im Gesundheitswesen rückt, darum geht es in den folgenden Kapiteln.

Die Gesundheitslüge

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