Читать книгу Die Gesundheitslüge - Dr. med. Martin Marianowicz - Страница 19

Was kostet was?

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 Herzkatheteruntersuchung ohne Stent-Implantation: ca. 650 €

 Herzkatheteruntersuchung mit Stent-Implantation: ca. 2.000 €

Die Anschaffung eines Herzkathetermessplatzes ist teuer. Die Kosten dafür tragen sich bei rund 1.000 Untersuchungen pro Jahr, 30 bis 40 Prozent davon sollten mit einer Stent-Implantation einhergehen. Aber: Die hohe Zahl an Herzkatheteruntersuchungen beeinflusst ebenfalls die Statistik der Lebenserwartung negativ. Die Sterblichkeit lag bei Patienten, bei denen eine Routinekatheteruntersuchung ohne vorausgegangenen Herzinfarkt vorgenommen wurde, zwischen 0,4 und 0,7 Prozent. Bei knapp 900.000 solcher Diagnoseeingriffe pro Jahr, wie der Herzbericht 2017 angibt,23 heißt das im Klartext: Etwa 3.600 bis 6.300 Patienten, die keine Notfälle waren, sterben bei dieser Intervention.

Einer meiner Patienten, ein Plastischer Chirurg, der schon viele Jahre bei mir in Behandlung ist, begleitete seine Frau zu einer Routineuntersuchung in meine Praxis. Seit ich ihn zuletzt gesehen hatte, war er stark abgemagert, und er sah schlecht aus. Also fragte ich ihn, ob er krank sei. »Ja«, antwortete er und erzählte, er sei zu einer Herzkatheteruntersuchung ins Krankenhaus gegangen und erst drei Monate später wieder aufgewacht. Während der Untersuchung hatte er einen Herzinfarkt bekommen, war reanimiert worden und hatte danach sechs Wochen im künstlichen Koma gelegen. Mein Patient wäre also beinahe einer der Fälle geworden, die dieses Diagnoseverfahren das Leben kostet.

»Eine Herzkatheteruntersuchung ist Segen und Fluch zugleich«, resümiert Dr. Neuner. »Sie kann Leben retten, aber auch vorschnell zum Einsatz kommen. Der drastischste Fall, den ich erlebt habe, war eine gesunde Frau mit Brustschmerzen, die trotz eines Normalbefunds innerhalb von einem Jahr elfmal per Herzkatheter untersucht wurde. ›Wie können Sie das mitmachen?‹, fragte ich sie. Und warum bezahlen die Kassen das?«

Ich habe selbst eine Übertherapieerfahrung gemacht, die ich gern mit Ihnen teilen möchte: Im Rahmen einer Voruntersuchung stellte sich heraus, dass ich Vorhofflimmern habe. Wie viele andere Menschen mit dieser Diagnose spüre ich keinerlei Beschwerden, weil ich normofrequent bin, das heißt, mein Puls ist nicht erhöht. Ein Zufallsbefund also. Ein Kardiologe empfahl mir, Blutverdünner zu nehmen, die Basis, um das bei Herzflimmern gegebene Schlaganfallsrisiko zu verringern. Außerdem legte er mir nahe, mich in einer Herzklinik vorzustellen, um die Möglichkeit einer Ablation prüfen zu lassen. Kurz zur Erklärung: Bei einer Ablation werden die Herzleitungen mit Strom verödet, was das Vorhofflimmern beseitigen soll. Also rief ich eine Bekannte, eine in einer Herzklinik tätige junge Ärztin, an, um mich zu erkundigen, zu welchem Spezialisten ich gehen solle. »Mach das bloß nicht«, sagte sie als Erstes. »Bei uns wird jeder abladiert.« Sie schwieg einen Moment und fügte etwas leiser hinzu: »Manche sogar sieben- bis achtmal. Und wenn du Pech hast, bekommst du hinterher Herzrhythmusstörungen, die du jetzt noch gar nicht hast.«

Ich habe von einem Besuch der Klinik abgesehen, nehme die von meinem Kardiologen verschriebenen Blutverdünner und lebe ganz normal mit Vorhofflimmern. Auch hier ist wieder interessant zu wissen, dass eine Ablation ein hochlukrativer Eingriff ist, der mit rund 15.000 Euro vergütet wird, weil die Technik dahinter sehr teuer und aufwendig ist.

Ob Herz-Stents, Ablationen, Rückenoperationen, Gelenkersatz an Hüfte und Knie oder Mandel- und Blinddarmentfernung – Medizin ist ein leichtes Geschäft, weil sie immer mit den Ängsten der Menschen handelt! Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich nicht verunsichern zu lassen und eine Operation zunächst gründlich zu erwägen. In der Regel ist ein chirurgischer Eingriff erst angezeigt, wenn auf konservativem Wege alles versucht wurde und scheiterte. Lassen Sie sich keine Angst einjagen von einem Kardiologen, der Ihnen erklärt: »Das muss man sofort machen, sonst kann es sein, dass Sie die nächsten Tage nicht überleben.« Von einem Chirurgen, der empfiehlt: »Der Blinddarm ist entzündet und muss raus.« Oder von einem Wirbelsäulenchirurgen, der sagt: »Wenn Sie das jetzt nicht machen lassen, werden Sie bald im Rollstuhl sitzen.«

Prüfen Sie kritisch, welches Therapiekonzept der Arzt verfolgt, und fragen Sie vor jedem Eingriff in egal welcher medizinischen Disziplin auch einen Spezialisten um Rat, der eine nicht operative Behandlungsphilosophie vertritt. Auch die Wahl des Arztes beeinflusst die Therapie: Wenn Sie als Erstes zu einem Operationsspezialisten gehen, müssen Sie damit rechnen, eine Operationsempfehlung zu erhalten.

Die Gesundheitslüge

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