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Zweitmeinung: notwendiger Sicherheitscheck

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Es lohnt sich durchaus, auf den eigenen inneren Arzt zu hören und sich nicht von einer Diagnose einschüchtern zu lassen. Die Zweitmeinung eines anderen Spezialisten ist hilfreich, um mehr Sicherheit bei der Entscheidung pro oder kontra eine Operation zu bekommen. Mehr als jeder zweite Patient bezweifelt die Notwendigkeit der ihm angeratenen Operation, so eine aktuelle Umfrage der Barmer Ersatzkasse von 2019, die sie mit 1.000 Personen über 18 Jahren durchführte.22 Nur 57 Prozent der Skeptiker holten dann tatsächlich eine Zweitmeinung ein, ein

Drittel im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie, etwa ein Viertel in der Chirurgie, zehn Prozent in der Gynäkologie sowie acht Prozent in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 72 Prozent von ihnen bekamen vom zweiten Arzt die Diagnose bestätigt, 17 Prozent wurde eine andere Therapie empfohlen, und acht Prozent erhielten eine andere Diagnose. Die Ärzte sind also nicht immer einig, was das Therapiekonzept angeht.

Warum kommt es nur in Fachbereichen wie Orthopädie und Chirurgie vermehrt zu einer Zweitmeinung, nicht aber in der interventionellen Kardiologie? Ein Sicherheitscheck bei einem anderen Arzt ist doch nicht nur bei Rücken- oder Gelenkbeschwerden, sondern auch für Stent-Implantationen empfehlenswert. Vielleicht ist das dem medizinischen Prozedere geschuldet: Der Arzt rät im Beschwerdefall zu einer Herzkatheteruntersuchung. Der Patient gerät in Panik – mehr als verständlich angesichts der hohen Todesrate bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine ungünstige Behandlungskaskade kann ihren Lauf nehmen, weil Diagnose und Therapie in einen Prozess verschmelzen. Denn das Diagnoseverfahren kann, wenn sich eine Verengung der Gefäße zeigt, sofort in eine drastische Therapiemaßnahme führen, weil der Spezialist in einem Aufwasch und unter vorherigem schriftlichem Einverständnis des Patienten einen oder mehrere Stents setzt – ohne vielleicht zuvor konservative Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft zu haben.

Was ist so schlimm daran, wenn es dem Patienten damit besser geht?, wenden jetzt vielleicht manche von Ihnen ein. Dazu erklärt mein Kollege Dr. Neuner: »Eine Herzkatheteruntersuchung empfehle ich Patienten in der Regel erst dann, wenn konservative Untersuchungsmethoden wie EKG, CT, Kernspin oder Stressecho einen Verdacht auf eine schwere Erkrankung nahelegen. Oder bei einem Notfall, wenn ein Herzinfarkt droht. Was man wissen muss: Ein Stent-Patient wird automatisch zu einem chronischen Patienten, der beispielsweise lebenslang Blutverdünner und, wenn ein erhöhter Cholesterinwert vorliegt, Statine nehmen muss. Stents lösen das Grundproblem nicht. Deshalb rate ich Patienten mit einem stabilen Zustand entsprechend der europäischen Leitlinien zuerst zu einem konservativen Therapieweg, um die Leistungsfähigkeit des Herzens wiederherzustellen: etwa mit einer medikamentösen Einstellung und je nach Risikoprofil mit lebensverändernden Maßnahmen über eine Gewichtsreduktion, moderates Training, Rauchentwöhnung.«

Es kommt nicht selten vor, dass die Katheteruntersuchung wiederholt werden muss, weil die Maßnahme nicht geholfen hat, das Ergebnis nicht eindeutig war oder eine Kontrolle erforderlich ist.

Die Gesundheitslüge

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