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Die richtige Medizin für unser Gesundheitssystem

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Deutschland hinkt, was den digitalen Standard angeht, allgemein weit hinterher, im Gesundheitssystem ist dies besonders deutlich zu spüren. Jens Spahn ist der fünfte Gesundheitsminister in Folge, der das Thema elektronische Patientenakte auf der Agenda hat. Zurzeit geht es ebenfalls nicht wirklich voran. Die Umsetzung scheitert immer wieder an den Bestimmungen des Datenschutzes, eine Grundsatzdiskussion, die auch bei der Corona-Warn-App hochkam. Sie war ein wesentlicher Grund dafür, dass die Entwicklung der App im Vergleich zu anderen Ländern stockte und so erst im Juni 2020 starten konnte. Mehr Digitalisierung würde für mehr Gesundheits- und Kostentransparenz sorgen – auch hier ist der Gesetzgeber stärker gefragt. Das Kapitel Innovationsfeindlichkeit liefert dazu Antworten: Wer bzw. was trägt dazu bei, dass notwendige Innovationen immer wieder verschleppt werden?

Die jüngste Diskussion um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor hat den Ruf nach einem Lobbyregister für mehr Transparenz in der Politik zum wiederholten Male laut werden lassen. Aber immer wieder vergeblich. Amthor hatte neben seinem politischen Engagement einen Aufsichtsratsposten bei Augustus Intelligence, einem Software-Start-up. Gleichzeitig engagierte er sich auf politischer Ebene, um Unterstützung für das Unternehmen zu erhalten. Eine solche Verflechtung von Wirtschaft und Politik ist nicht im Sinne einer demokratischen Volksvertretung. Ähnliche Muster gibt es auch im Gesundheitswesen, wie Sie im Kapitel Zu viel Lobbyismus lesen können. Aber: Sind Entscheidungen von Gesundheitspolitkern nicht am Patientenwohl, sondern eher am eigenen Gewinn orientiert, geht es nicht nur um Ihr Geld, sondern im schlimmsten Fall auch um Ihre Gesundheit. Immer wieder stellt sich die Frage, wieso die Verantwortlichen im System – die Politiker – all dies zulassen? Eine Ursache dafür liegt sicherlich im politischen System selbst, das Lobbyismus nicht nur begünstigst, sondern Lobbyisten zu gesundheitspolitischen Entscheidern erhoben hat.

Deshalb ist nach Corona vor Corona! Die Gesundheitslüge versteht sich als Zukunftsbuch, das nach der gegenwärtigen Krise aktueller sein wird als zuvor. Die letzten Monate haben uns gezeigt, wie wichtig Solidarität ist. Es ist vorrangig dem Verantwortungsgefühl, der Disziplin und Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung geschuldet, dass unser Medizinsystem nicht wirklich gefordert wurde und nur ein Bruchteil der geschaffenen Kapazitäten in Anspruch genommen werden musste.

Wir haben ideale Voraussetzungen für eines der besten Gesundheitssysteme der Welt: engagierte und gut ausgebildete Ärzte, ein hohes Forschungsniveau, modernste Technologien und ein riesiges Gesundheitsbudget. Aber wir investieren die Gelder nicht zum Wohl der Patienten und für die Erfordernisse unserer Zeit. Aus diesem Grund benötigen wir dringend eine grundlegende Erneuerung des Systems. Wie das gehen soll und was die Politik, alle Beteiligten im Medizinsystem sowie jeder Einzelne dazu beitragen kann, dies darzustellen, ist Ziel dieses Buches. Echte Reformen können gelingen, wenn wir die sieben in diesem Buch beschriebenen Symptome, an dem unser Gesundheitssystem krankt, heilen. Unser Ziel sollte es sein, die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel so einzusetzen, dass uns das im Ranking der Lebenserwartung vom hinteren Mittelfeld auf einen der vordersten Plätze bringt und Prävention zur Erhaltung der Gesundheit sowie zum Schutz vor Covid & Co. im Mittelpunkt steht.

Ich wünsche mir, dass dieses Buch einen Beitrag zu einem konstruktiven Dialog auf allen Ebenen des Gesundheitssystems leistet, damit wir die vorhandenen Potenziale und Ressourcen zum Wohl der Patienten nutzen. Denn am Ende zahlen wir mit unseren Versicherungsbeiträgen doch auf ein langes Leben und die bestmögliche Versorgung aller ein.

Ihr Dr. Martin Marianowicz

»Wenn unser Gesundheitssystem so effizient ist, wie es Politiker gern kommunizieren, dann sollten die hohen Kosten dafür eigentlich ein langes Leben in Aussicht stellen. Dann müssten die Deutschen europaweit also dementsprechend die höchste Lebenserwartung haben. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Wir rangieren im europäischen Vergleich gerade mal im Mittelfeld auf Platz 17 und investieren weit mehr in unsere Gesundheit als die anderen europäischen Länder. Die Spanier geben im Schnitt 2.446 Euro jährlich für ihre Gesundheit aus, das ist etwas mehr als die Hälfte dessen, was die Deutschen zahlen. Gemessen an der Lebenserwartung muss das spanische System wohl effektiver sein.

Woran könnte es sonst liegen, dass die Menschen in unserem Land im Schnitt zwei Jahre früher sterben als die Spanier? Warum werden die Engländer, deren Gesundheitssystem einen schlechten Ruf hat und unserem angeblich weit unterlegen ist, älter als wir? Höhere Kosten und niedrigere Lebenserwartung: Wie passt das zusammen? Bekommen wir für unser Geld wirklich die beste Behandlung, die unserer Gesundheit dient? Oder ist die Annahme ›Ein großes medizinisches Angebot hilft viel‹ am Ende nicht richtig?«

Die Gesundheitslüge

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