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HUNGER, SÄTTIGUNG UND GESCHMACK – WAS IST DAS?

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Um zu verstehen, wie Hunger, Sättigung und Geschmack funktionieren, ist zunächst ein kurzer Blick auf unsere Entwicklung im Mutterleib nötig, mit einem Fokus auf der Entwicklung des Gehirns – denn dieses steht im Zentrum all jener Phänomene.

Die faszinierende Geschichte der Hirnentwicklung beginnt in der dritten Lebenswoche: Aus dem Zellhaufen, der einmal ein Mensch sein wird, bildet sich ein Embryo heraus – und die wichtigsten Organe fangen an, sich zu entwickeln. Allen voran das Gehirn: Die meiste Energie, die ein werdender Mensch im Mutterleib zur Verfügung hat, verwendet er darauf, dieses Zentralgestirn im Orbit der Organe auszubilden – stets im Austausch mit Skelett und Muskeln etwa. Ab der siebten Woche beispielsweise beugen Embryos erstmals spontan Rückgrat und Kopf – zum Beleg, dass die Nerven- mit den Muskelzellen kommunizieren, um sich fortan im gegenseitigen Wechselspiel weiterzuentwickeln.

Ab der neunten Woche dann sind sämtliche Organe angelegt: Ein Mensch ist nun etwa so groß wie eine Kirsche – und heißt nicht mehr Embryo, sondern Fötus. Als solcher ist er ein echter Hochleistungssportler: Was immer ein Fötus neu kann, trainiert er eifrig. Weil Gehirn und Muskeln dadurch rasant wachsen, bringt er am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels schon so einiges fertig: Beispielsweise ist ein Fötus in der Lage, seine Finger zu bewegen, am Daumen zu lutschen oder mit der Nabelschnur zu spielen.

Der Lohn der Mühen: Mit Beginn des vierten Monats hat der Fötus die kritischste Phase seines Lebens überstanden! Wären genetische Störungen aufgetreten, hätten sich Zellen etwa fehlerhaft geteilt, so wäre es zu einer Gelbkörperschwäche gekommen oder einer Infektion – und die Natur hätte einen Abgang des Winzlings ausgelöst, einen sogenannten Abort. Bis zu 40 Prozent aller Schwangerschaften enden auf diese Weise, schätzen Experten. Schafft es ein Fötus aber in die 13. Woche, dann hat die Natur entschieden: »Aus diesem Wesen kann ein gesundes Kind werden.« Die Sterblichkeit sinkt ab diesem Zeitpunkt enorm – nach der 16. Lebenswoche überstehen 95 Prozent aller Föten die beiden weiteren Schwangerschaftsdrittel.

Kommt ein Baby schließlich auf die Welt, verfügt sein Gehirn bereits über so viele Nervenzellen wie das eines Erwachsenen: fast 90 Milliarden. Allerdings sind diese noch nicht ausgewachsen – und auch die meisten Verbindungen zwischen den Zellen, die aufwendige Strukturen miteinander bilden, müssen noch entstehen. Was für eine Aufgabe das ist, macht eine weitere Zahl klar: Jede einzelne Nervenzelle kann zwischen 1000 und 10 000 Verbindungen besitzen, sogenannte Synapsen, die sie mit weiteren Neuronen verknüpft.

Und so wächst das Gehirn auch nach der Geburt rasant weiter! Wann immer eine Mutter ihr Baby berührt, ein Sonnenstrahl seine Augen trifft, ein Lachen sein Ohr oder der Duft von Zimt seine Nase – jeder Reiz geht direkt ins Gehirn und lässt dort Synapsen entstehen. Ebenso jede Bewegung: Ob ein Säugling Milch trinkt, die Arme den Eltern entgegenstreckt, sich nach einigen Wochen auf der Welt auf den Bauch rollt oder, noch später, zu krabbeln und zu brabbeln beginnt – jede wiederholte Bewegung lässt das Hirn weitere Verknüpfungen ausbilden. Insgesamt bis zu 700 pro Sekunde!

Direkt sehen können Eltern diese Entwicklung zwar nicht – doch was die Zunahme von Masse und Struktur im Gehirn bewirkt, lässt sich von außen prima beobachten. Nicht nur am Kind selbst, sondern ebenso deutlich an den elterlichen Gesichtern, die nun regelmäßig vor Stolz strahlen dürfen. Zum Beispiel, wenn ihr Kind mit etwa drei Monaten »weiß«, dass es ein Mobile in Bewegung versetzen kann, wenn es mit den Füßen strampelt und es dabei anstößt. Oder wenn es im Alter von etwa fünf Monaten nach den ersten Dingen greift – und vier Wochen später anfängt, durch die Wohnung zu robben.

Mit dem ersten Geburtstag erfolgt dann die nächste Umbenennung: Das »Baby« heißt nun »Kleinkind«. Als solches beginnt es bald – der zu diesem Zeitpunkt bereits ausgefeilten Kommunikation zwischen Gehirn und Muskeln sei Dank –, die Welt um sich herum im breitbeinigen Watschelgang zu erkunden. Und, langsam, langsam, Dinge nicht mehr nur anzuschauen, sondern aus dem, was es sieht, eine innere Vorstellung abzuleiten – etwa, was Größe und Form angeht. Und so testet ein Kleinkind mit wachsender Begeisterung, welche Förmchen wo hineinpassen, woraus sich Türme stapeln lassen – und was sich wie ein- und ausräumen lässt. Ein paar Monate später schließlich kann es sicher Formen wie Kreise und Dreiecke unterscheiden und Dinge nach verschiedenen Eigenschaften wie Farbe, Größe und Material sortieren.

Schauen Eltern am zweiten Geburtstag des Kindes auf ihren Nachwuchs, können sich die meisten kaum mehr vorstellen, dass dieser 1000 Tage zuvor nicht mehr war als eine unsichtbare Ansammlung weniger Zellen. Denn inzwischen läuft das Kleinkind relativ sicher, kann feste Nahrung kauen, das Lieblingskuscheltier füttern – also die Mutter nachahmen –, sich lästige Dinge wie die Socken selbst ausziehen und, wenn es eine begabte Plaudertasche ist, bereits Zwei-Wort-Sätze bilden. Vor allem aber kann es klar artikulieren, wenn es Hunger hat, kann deutlich machen, was es an Essen mag und was nicht.

Deshalb wird es nun Zeit, sich einmal genauer anzuschauen, was Hunger und Geschmack eigentlich sind – und wie beides im Zusammenspiel mit der Gehirnentwicklung entsteht …

Die Macht der ersten 1000 Tage

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