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Perfektion auf acht Millimetern

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So simpel das Spiel von seinen Regeln her ist, man benötigt Zeit, um sich in seinen Bann ziehen zu lassen. Darts ist viel mehr als 501 Punkte auf Null zu bringen oder drei Pfeile pro Aufnahme zu schmeißen. Es geht nicht nur um das Treffen von 8 mm schmalen Treble- oder Doppelfeldern. Es geht schon eher darum, sie dann zu treffen, wenn der Gegner sie nicht trifft, wenn er Fehler begeht. Es geht um höchsten mentalen Druck, wie er im Sport nur selten vorkommt, weil die Wurfbewegung so kurz und schnörkellos ist. Das mag widersprüchlich klingen, aber wenn die Hauptaktion lediglich das Beugen und Strecken des Arms ist, ergänzt durch einen letzten Impuls aus dem Handgelenk, dann besteht kaum Zeit und Gelegenheit, den Bewegungsablauf zu korrigieren. Kann ich beim Fußball vorübergehend mein fehlendes Gefühl durch erhöhte Laufbereitschaft wettmachen, bleibt mir bei Darts fast nichts anderes übrig, als es beim nächsten Mal einfach besser zu machen. Es sind kleinste, minimale Veränderungen, die die Darts perfekt ins Ziel steuern sollen. Golfspieler kennen diese Problematik. Auch sie haben nur diesen einen Schwung, diesen einen Versuch, der gelingen muss, wenn sich Erfolg einstellen soll. Nicht grundlos reden die Engländer beim Darts vom Golf der Arbeiterklasse.

Was es für den Dartsspieler im mentalen Bereich noch schwieriger macht – auch das mag verwundern –, sind die jeweils nahezu identischen äußeren Gegebenheiten beim Match. Auf der einen Seite vereinfachen sie das Spiel, weil man sich nicht umstellen muss. Auf der anderen haben sie zur Folge, dass Niederlagen nur einen Schuldigen kennen: den Spieler selbst. Du kannst nichts und niemanden für dein Versagen verantwortlich machen. An jedem Spielort dieser Welt hängt der Board-Mittelpunkt 1,73 m hoch. Bei jedem Profiturnier wird penibel auf die Ausleuchtung und die korrekte Lichtstärke am Board geachtet. Kein Dart darf auf dem Board einen Schatten werfen, da Spieler in der Kürze der Zeit Probleme haben könnten zu erkennen, wo genau ihr Spielgerät steckt. Jede minimale Luftbewegung ist ein No-Go, sie verändert die Flugbahn der Darts. Klimaanlagen müssen ausgeschaltet sein. Solche im Regelwerk der PDC festgehaltenen Vorgaben meinen es eigentlich gut mit den Spielern. Nur Ausreden lassen diese Regeln nicht zu. Erst in Formkrisen erkennt man, wie brutal Darts ist. Es gibt eine Reihe von Profis, die innerhalb von ein, zwei Jahren abgeschmiert sind. Hungrige Spieler im besten Alter wie Paul Nicholson oder Wes Newton. Eben noch standen sie in den Top 10, und plötzlich spielen sie keine Rolle mehr.

Wer Darts auf diesem Niveau spielt, nimmt es letztlich mit der Perfektion auf. Ein Kampf, den du bekanntlich nicht gewinnen kannst. Das Fatale ist, dass es trotzdem immer wieder kurze perfekte Momente gibt: bei jeder 180, wenn alle drei Darts in diesem 8 mm schmalen Feld stecken. Oder eben beim perfekten Spiel, dem 9-Darter. Wer mit neun Darts 501 Punkte auf Null bringt, schreibt Geschichte. Neun Darts sind mindestens vonnöten, um ein Leg zu checken. Klingt einfach, gelingt jedoch nur den Allerbesten und macht dich zum Helden. Perfekte Momente lassen dich zudem immer wieder ans Board zurückkehren. Spieler erzählen häufig von einer Sucht, trainieren zu müssen, besonders nach großartigen Momenten. Der Wunsch nach Perfektion treibt an. Wer die Vollkommenheit einmal erlebt, will sie ein weiteres Mal erreichen. Und das geht dem Hobbyspieler nicht anders. Das Gefühl „ich kann es diesmal besser machen als eben“ kennen alle. Jede einzelne 180 motiviert den Kneipenspieler, weiter Darts zu spielen, besser zu werden. Und sie lässt kurz vergessen, dass der nächste Moment des Versagens schon im Hintergrund lauert. Darts ist schwieriger, als es den Anschein macht. Das ist tückisch und faszinierend zugleich.

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