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Strip-Darts für Anfänger

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Es war kein ehrlich gemeintes Lächeln. Eher ein mitleidiges. So, als hätte ich in meiner beruflichen Laufbahn gerade einen herben Rückschlag erfahren. „Ach, du kommentierst ab jetzt Darts. O.k. Ist das Sport?“ Diese Frage habe ich oft gehört – sie war immer rhetorisch, die Antwort „nein“ schon vorausgesetzt. Und auch das Lächeln habe ich jahrelang in den Gesichtern vieler Kollegen gesehen. Sogar in den Gesichtern vieler SPORT1-Kollegen. Sie machten sich lustig über die Bäuche, die Tattoos der Spieler. Über den Abstand von albernen 2,37 m. Über die bierselige Stimmung bei den Events, über die Spitznamen. Letztlich über alles, was The Power, Dennis The Menace, Darts Vader, One Dart, The Tripod, The Artist und die anderen damaligen Topspieler so machten. Am Ende machten sie sich auch über mich lustig. Oder waren sie vielleicht pikiert, weil ich mit der Kommentierung eines Dartsevents die Ehre des Sportjournalismus infrage stellte? Nach dem Motto: Darf einer, der Darts kommentiert, sich eigentlich Sportreporter nennen? TV-Journalisten sind manchmal sehr eitel.

Alles begann im August 2004, als ich von meinem Arbeitgeber Deutsches SportFernsehen gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, Darts zu kommentieren. Der Bereichsleiter Sports, Piet Krebs, kam damals auf mich zu. Haifischen, Billard und Poker waren auch noch in der Verlosung. Haifischen ist kein Witz. Da sind Hochseeangler mit ihren kleinen Bötchen unterwegs und angeln Haie. Das sollte kommentiert werden. Bis da am Ende mal ein paar Fische am Haken hängen, vergehen Minuten. Ich wusste relativ schnell, dass ich nicht Haifischen kommentieren wollte. Das DSF hatte ein großes TV-Rechtepaket der Firma Matchroom eingekauft, wollte neue Sportarten ausprobieren und suchte Kommentatoren. Da wurden zunächst mal festangestellte Mitarbeiter gefragt. Die verursachen keine Extrakosten. Ich kommentierte zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Tennis.

Darts? Ich hatte als Student der Kölner Sporthochschule im Wohnzimmer meiner Zweizimmerwohnung ein Dartboard hängen. Das muss 1994 gewesen sein. Ein Jim-Pike-Board aus Schweinsborsten. Es gab auf der Venloer Straße in Köln Ehrenfeld, in meiner Nachbarschaft, tatsächlich einen kleinen Laden, der neben Angelequipment und Messern auch ein paar Darts und dieses Dartboard hatte. Keine Ahnung, warum ich mir damals ein Board kaufte. Woran ich mich allerdings noch gut erinnere, sind die legendären Dartsabende bei mir zu Hause. Die hatten nichts mit irgendeiner Übertragung aus England zu tun oder mit professionellem Darts. Das waren lustige und nicht immer ganz nüchterne Veranstaltungen unter Freunden und Studienkameraden. Eine davon fand irgendwann an einem warmen Sommerabend nach einem Tag am Baggersee statt. Einige Mädels und wahrscheinlich auch ein paar Typen in der Runde taten sich derart schwer, das Board zu treffen, dass ziemlich schnell ein wildes Lochmuster die Tapete zierte. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber es könnte mein Vorschlag gewesen sein, die Regel einzuführen, dass bei jedem Nichttreffen der Scheibe ein Kleidungsstück abgelegt werden müsse …

Köln Ehrenfeld war Anfang der 90er-Jahre ein eher heruntergekommener Stadtteil. Das rotbraune Mehrfamilienhaus uns gegenüber in der Hansemannstraße hatte einen zwielichtigen Ruf. Je länger unser Match dauerte, desto mehr Köpfe schauten aus den Fenstern dieses angeblichen Stundenhotels in meine Wohnung. Das war uns erst später aufgefallen. Vielleicht hielten sie uns ja für ein konkurrierendes Etablissement. Dieser Strip-Darts-Abend, der auf meine Nachbarn womöglich wie ein Vorläufer der SPORT1-Sexy-Clips wirkte, endete dann aber doch eher unspektakulär. Petra F. aus D. warf den letzten Dart oben ohne. Ich durfte meine Badehose und das T-Shirt anbehalten, weil ich trotz der einen oder anderen Kaltschale das Ziel nie aus den Augen verlor.

Ob dieser Abend ausschlaggebend war für meine Zusage zehn Jahr später? Wohl kaum. Das waren schon eher die vielen Stunden, die ich im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2005 mit Olaf Nies verbrachte, der sich redlich bemühte, mir Darts zu erklären. Olaf war kein herausragender, aber ein guter Dartsspieler, der sich auch mit der internationalen Dartsszene beschäftigt hatte. Er brachte Videos von Weltmeisterschaften mit, wir durchstöberten das Internet nach legendären Momenten, und ich fuhr zu einem Spieltag der Darts-Bundesliga des Deutschen Dart Verbands (DDV). Es war ein Spieltag der Bundesliga-Süd, irgendwo südlich von Frankfurt. Ich war mit der damaligen DDV-Präsidentin Elke Unterberg verabredet. Besonders schmuckvoll war der Austragungsort nicht: zehn Boards, eine kleine Bar, circa 40 Leute insgesamt, kaum Zuschauer. Rauchen war erlaubt, aber die Fenster zu öffnen war wegen der entstehenden Luftbewegung verboten. Das alles hatte nichts mit dem zu tun, was ich bis dahin auf den Videos aus England gesehen hatte. Als Zuschauer stand ich in der zweiten oder dritten Reihe. So richtig viel erkennen konnte ich nicht. Aber ich hörte den Kommentaren, den Geschichten zu. Mir ging es damals vor allem darum, ein Gefühl für Darts zu bekommen. Eher ein Gespür für die Leute als für das Spiel. Matches wurden beendet, Partien an der Theke nachbesprochen. Es waren diese typischen Gespräche, wie sie im Sport überall vorkommen. Spieler erzählten detailliert von Verläufen einzelner Legs – mit vielen Konjunktiven der Marke „Wenn ich die Doppel-8 getroffen hätte, dann wäre der Gegner wahrscheinlich zusammengebrochen und das Match hätte sich in eine ganz andere Richtung bewegt“. Darts wurden verglichen, neue Flights ausprobiert, über unterschiedliches Gewicht der Darts gefachsimpelt. Ich konnte die Begeisterung, die mir überall entgegenkam, überhaupt nicht teilen. Ich merkte nur, dass dieser Sport alle in diesem Laden berührte. Er bedeutete ihnen enorm viel. Und das wiederum berührte mich. Woher kommt diese Faszination? Das wollte ich herausfinden. Noch auf der Rückfahrt nach München rief ich Piet Krebs an, um ihm mitzuteilen, dass ich die Darts-Weltmeisterschaft 2005 kommentieren würde.

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