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Live auf Sendung

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Es soll ja immer noch Zuschauer geben, die der Annahme sind, Reporter wären bei jedem Event, das sie kommentieren, live vor Ort. Das ist längst nicht mehr der Fall. Seit Anfang der 90er-Jahre sparen Fernsehsender immer häufiger an Produktionskosten und lassen ihr Redaktionsteam in Deutschland. Sie greifen ein sogenanntes Worldfeed ab, das von einer anderen TV-Station produziert wird – bei Profi-Dartsturnieren der PDC seit Gründung des Verbands sind es die Bilder von Sky Sports England. Da die Darts-WM 2005 nur ein Testlauf für das DSF war, kommentierten wir alles aus der kleinen Kommentatorenkabine in der Sendeabwicklung in Ismaning. Ein ziemlich grauer Raum, drei mal zwei Meter groß, ausgestattet mit zwei Monitoren, zwei Headsets und einem Computer. Der eine Monitor zeigte das Bild, das aus England gesendet wurde, der andere das DSF-Programm inklusive grafischen Einblendungen und Werbung. Darts über einen Monitor zu kommentieren, ist generell gar nicht das Problem. Das machst du auch, wenn du mitten in der Halle sitzt, da man nie erkennen kann, wo exakt die Darts im Board stecken. Man muss Darts also über das Fernsehbild kommentieren. Aber wenn man nie bei einem Turnier war, kein Gefühl für die Lautstärke, die Atmosphäre hat, dann fällt es schwer, dem Zuschauer dieses Event vorzuleben.

Wenn ein Sender mit dem Einkauf von TV-Rechten in eine komplett neue Welt eintaucht, besteht das Problem, dass der Zuschauer erschlagen wird von all dem, was für ihn neu ist. Es geht nicht nur darum, die Faszination des Sports zu erklären, sondern auch Spielregeln und Turniermodus. Fachbegriffe müssen etabliert werden. Was sind Legs? Wann ist ein Set beendet? Und warum wird die Distanz mit Turnierverlauf immer länger? Wer sich noch nie mit Darts beschäftigt hat, lernt zudem in viel zu kurzer Zeit 48 neue Spieler kennen. Das überfordert. Wer ist Favorit? Auf wen lohnt es sich, besonders zu achten? Wir mussten den Zuschauern Hilfen an die Hand geben, damit sie sich besser orientieren konnten.

Ich hatte mir natürlich in der Vorbereitung viele Videos angesehen. Matches von Phil Taylor, zahlreiche Partien aus den 80er-Jahren, von denen mir bei der Recherche immer wieder erzählt wurde. Da hießen die Dartshelden noch Eric Bristow, John Lowe, Bob Anderson, Jocky Wilson. Ich war bemüht, mir Gesichter, Eigenarten einzuprägen. Ich versuchte, die Spieler über ihre Lebensläufe kennenzulernen. Mir war klar, dass ich dem Zuschauer durch Geschichten abseits des Dartboards helfen würde, sich die vielen neuen Köpfe besser einzuprägen. Warum läuft Wayne Mardle in einem Hawaii-Hemd rum? Wann merkte der Stallbursche Colin Lloyd, dass eine Profikarriere für ihn infrage kam? Oder John Part, der am 180. Tag des Jahres 1966 geboren wurde und von Kanada aus zu den Turnieren in Großbritannien „pendelt“. Die Recherche war damals mühsam, weil nicht jeder Spieler eine eigene Homepage oder einen eigenen Wikipedia-Eintrag hatte. Da hat sich in den letzten zehn Jahren eine Menge getan. Ich suchte nach diesen Informationen, aus denen man eine Geschichte entwickeln kann. Teilweise habe ich Kleinigkeiten auch erfunden, damit die Storys einen Sinn ergaben. Oder ich erfuhr erst später die Wahrheit hinter häufig erzählten Anekdoten. So wurde die wahre Geschichte über die Entstehung des Spitznamens vom späteren SPORT1-Dartsexperten Roland Scholten immer falsch wiedergegeben. Er war ja als „The Tripod“ unterwegs, das Stativ. Es hieß, dass er diesen Spitznamen erhalten habe, weil er ziemlich aufrecht beim Wurf stand. Erst Jahre später erzählte mir Rolands Trauzeuge, der Caller George Noble, was es mit diesem Namen tatsächlich auf sich hat. Noble selbst hatte ihm den Spitznamen verliehen. Es ging in Wahrheit, nun ja, um Rolands Geschlechtsteil. George Noble befand, dass es angesichts des Ausmaßes auch als drittes Bein fungieren könnte. Daher also das dreibeinige Stativ, das ja auch in Scholtens Logo integriert wurde.

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