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Vorbild Großbritannien und Niederlande

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Deutsche Dartsfans machen auf Veranstaltungen der European Tour häufig das nach, was sie von TV-Übertragungen der Profiturniere aus England kennen. Sie kopieren zu großen Teilen das Verhalten des englischen Publikums, was überhaupt nicht schlimm ist. Darts hat in Großbritannien eine ganz andere Tradition. Seit den frühen 1980er-Jahren sind Dartsevents dort auch Quotenhits für TV-Sender. Das WM-Finale von 1983 erzielte die bis heute höchste TV-Einschaltquote in der Geschichte der Sportart Darts: Über zehn Millionen Zuschauer verfolgten in der Spitze die BBC-Übertragung zwischen der Nummer eins der Welt, Eric Bristow, und Keith Deller, dem ersten Qualifikanten, der es jemals in ein WM-Finale schaffte und so begeisterte, dass selbst Bristows Vater damals heimlich gegen den eigenen Sohn auf ihn wettete. Und Deller gelang der Coup: Er gewann den Titel mit einem legendären 138er-Finish.

Als ich 1999 für das Deutsche SportFernsehen beim Tennisturnier von Wimbledon die Interviews führte, es war das Abschiedsjahr von Steffi Graf und Boris Becker, wartete ich 14 Tage lang unter anderem mit einem niederländischen Kollegen auf die verschiedensten Gesprächspartner. Das war die Zeit von Agassi und Sampras. Ein Roger Federer lief noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum, Angelique Kerber war gerade mal elf. Dieser Job im Interviewroom bestand vor allem aus Warten. Das sind elend lange Tage. Die ersten Matches beginnen am Vormittag, die letzten Partien enden am Abend mit Eintritt der Dunkelheit. Du wartest also den ganzen Tag, um etwa zehn Interviews von jeweils drei, vier Minuten zu führen. Wir haben damals viele Stunden einfach untätig herumgesessen und kamen natürlich ins Quatschen. Der Kollege aus Holland erzählte irgendwann von unglaublichen Einschaltquoten, die sie mit Darts erzielen würden. Das konnte ich überhaupt nicht glauben. Ich zweifelte an seinem Englisch und dachte, der bringt irgendwas durcheinander. Er meinte wahrscheinlich ein paar Hunderttausend Zuschauer, redete aber von ein paar Millionen. Doch er hatte natürlich Recht. Das war der Beginn der großen Zeit von Raymond van Barneveld. Die Niederlande erlebten Ende der 1990er-Jahre einen ähnlichen Boom wie die Briten Anfang der 1980er. Als Barney 1998 zum ersten Mal Weltmeister wurde, warteten 15.000 Fans am Flughafen Schiphol in Amsterdam auf ihn. Die Einladung ins Königshaus folgte prompt. (Später wurde van Barneveld sogar zum Ritter geschlagen und ist seitdem ein offizielles Mitglied des Königshauses.) Acht Jahre danach, 2006, verfolgen im Schnitt sieben Millionen Niederländer das WM-Finale zwischen Raymond van Barneveld und dem 21 Jahre jungen Jelle Klaasen. Bei 15 Millionen Einwohnern entspricht das einem Marktanteil von deutlich über 50 Prozent – Einschaltquoten wie bei einem Spiel der Fußballnationalmannschaft während einer Europa- oder Weltmeisterschaft. Die Niederlande sind also längst vom Dartsvirus infiziert, und es steht die Frage im Raum, ob eine ähnliche Entwicklung in Deutschland möglich wäre. Was passiert, wenn ein Max Hopp das WM-Finale gegen Phil Taylor spielt? Van Barneveld selbst spricht immer wieder vom Barney-Faktor, den Deutschland braucht.

Darts ist etwas ganz Besonderes, auch wenn der Laie das zunächst nicht erkennt. Wer sich mit diesem Sport ein wenig befasst, ist irgendwann angefixt. Als Spieler, weil immer die Hoffnung lebt, die nächste Aufnahme könnte besser sein als die letzte. Als Zuschauer, weil es ein Wettkampf eins gegen eins ist, weil es schnell ist, weil es laut ist, weil es puristisch, weil es anders ist, vielleicht auch weil es unmodern, eigentlich nicht zeitgemäß ist. Und dazu passen dann auch die Hauptdarsteller, die Spieler. Ihr äußeres Erscheinungsbild entspricht nicht den Helden unserer Zeit. Sie sind nicht zurechtgemacht oder gestylt. Dartsprofis wollen keinen Glamour versprühen, das passt nicht zu ihnen. Sie sind echt, stehen mit beiden Füßen auf dem Boden. Sie wissen, wo sie herkommen, und sind stolz darauf: aus der Arbeiterklasse. Das gilt tatsächlich für alle Profis, auch für den 16-maligen Weltmeister Phil „The Power“ Taylor, den erfolgreichsten Dartsspieler aller Zeiten. Er ist durch seinen Sport zum Multimillionär geworden und dennoch seiner Welt treu geblieben. Der Fan spürt das und empfindet dadurch eine enorm hohe Identifikation. Viel intensiver, weil realistischer als bei den Cristiano Ronaldos dieser Welt. Professionelle Dartsspieler sind im wahrsten Sinne des Wortes Volkshelden.

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