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Roland „The Tripod“ Scholten
ОглавлениеRückblickend kann man festhalten, dass mit Roland Scholten, der ehemaligen Nummer vier der Welt, die Übertragung ganz schön Fahrt aufnahm. Roland „The Tripod“ Scholten stammt aus Den Haag, sein niederländischer Akzent war Kult. Darts-Deutschland sprach eine Zeit lang nur noch von „de Drück“, „Topps“ oder „das ist seine Favorit“. Und: „Elmar, haben wir noch Fragen?“ Mit Roland hatten wir zum ersten Mal einen Profispieler am Kommentatorenplatz. Einer, der 2004 mit den UK Open sogar ein Major-Turnier gewinnen konnte. In dieser Zeit wussten viele TV-Zuschauer gar nicht, dass es überhaupt Dartsprofis gibt. Deutschland hatte und kannte diese Spezies nicht, und so war Roland eine wunderbare Besetzung. Er konnte dem Zuschauer die Sicht eines Profis erklären, ließ ihn an seiner Gedankenwelt teilhaben. Was heißt es, gegen Taylor zu spielen? Wie fühlt es sich an, auf der Bühne zu stehen, wenn 10.000 Zuschauer den Gegner feiern? Die Beziehung von Phil Taylor und Roland Scholten war deshalb so besonders, weil Roland die schlechteste Bilanz von allen gegen Phil Taylor hat. 25 Mal spielte er gegen ihn, 25 Mal verlor er. Und so machte sich Scholten gern einen Spaß daraus, den jeweiligen Gegner von Taylor anzufeuern. Bei allem Respekt vor dessen Leistung: Er mochte es irgendwie, wenn The Power Probleme bekam, womöglich verlor. Und für mich war Rolands Taylor-Bilanz immer wieder ein gefundenes Fressen, um ihn damit live auf Sendung aufzuziehen, wenn er mir auf die Nerven ging. Das gehörte bei uns zum guten Ton.
2010 folgte Roland Scholten auf Dietmar Ernst. Sein erstes Turnier für SPORT1 war das World Matchplay 2010. Er hatte sich damals für dieses wichtige Turnier nicht qualifizieren können und hatte somit Zeit für uns. Roland war ein komplett anderer Typ als Dietmar. Er hatte bereits in seiner Heimat, in den Niederlanden, und auch in England als TV-Experte gearbeitet. Auch wenn er anfangs Bedenken hatte, dass sein Deutsch nicht gut genug sei, merkte man ihm doch an, dass er kein TV-Rookie war. Er ist jemand, der viel intuitiv macht. Mit seinen Gedanken und Ideen überraschte er nicht nur den Zuschauer, sondern auch mich immer wieder. Wenn in einem Match nicht viel passierte, kam er plötzlich mit Wissensfragen um die Ecke. „Welche Checkout-Zahlen haben nur einen einzigen Weg? Elmar, hier fragt gerade jemand auf Facebook, wer der allererste Weltmeister war? Kommentierst du lieber Tennis oder Darts?“ (Ich kommentiere übrigens beides gleich gern.) Und selbstverständlich waren auch Fragen dabei, die ich nicht beantworten konnte. Was Roland umso lustiger fand. Irgendwann wurde dann seine Standardfrage zum Running Gag: „Elmar, haben wir noch Fragen?“ Die Zuschauer warteten schon darauf. Teilweise füllten Fans ihre Schnapsgläser und tranken erst, wenn Roland zu dieser Frage ansetzte. Ich bin häufig gefragt worden, ob mir die Frage nicht irgendwann auf den Geist ging? Naja, ehrlich gesagt, nach einer Weile dann schon. Ich fand es ein wenig abgedroschen. Roland war das egal. Er hatte vor allem Freude daran, mir die Frage zu stellen, wenn der Bildschirmschoner über meinem Computermonitor kreiste, ich mir also nicht schnell eine Frage rausgreifen konnte. Beim ersten oder zweiten Mal erklärte ich dem Zuschauer die Situation. Später konnte und wollte ich nicht jedes Mal verraten, dass ich die E-Mails längere Zeit nicht gelesen hatte. Das empfand ich als unhöflich. Roland saß dann grinsend neben mir, und ich redete, was das Zeug hielt, um parallel dazu das komplizierte Computerpasswort des SPORT1-Rechners einzugeben und eingegangene E-Mails zu checken, um dann 40, 50 Sekunden später auch wirklich eine Frage vorlesen zu können. „Elmar, haben wir noch Fragen?“, damit werde ich heute noch regelmäßig von Dartsfans begrüßt. Spätestens seit Matthias Schömig aus Stutensee bei der WM 2011 ein Schild mit diesen Worten im Ally Pally hochhielt, und die Kameras von Sky Sports England es in die Welt sendeten, gehört Rolands Frage zu den Annalen des deutschen Darts.
Roland und ich entwickelten irgendwie eine neue Art des Kommentierens. Nicht nur, weil Roland teilweise die Walk-on-Musik mitsang, was für mich gewöhnungsbedürftig war. Wir lebten die Dartsevents, nahmen kein Blatt vor den Mund. Wir konnten uns auch gegenseitig mal einen mitgeben, ohne dass der andere beleidigt war. Roland hat mich oft damit aufgezogen, dass ich ein miserabler Dartsspieler bin. Wenn die Frage eines Zuschauer einging, ob ich auch schon mal eine 180 geworfen hätte, dann antwortete Roland: „Ja, aber mit neun Darts“. Im Gegenzug habe ich dann manchmal Aussagen von ihm hinterfragt, die für mich keinen Sinn ergaben. So versuchte Roland mal zu erklären, weshalb es keine Frauen beim Profiverband gibt. Er kam mit Hormonen und weiß der Teufel was an. Da bin ich natürlich reingegrätscht. So interessant die Frage auch ist, niemand kennt den wahren Grund, warum sich bislang keine Frau bei der PDC durchgesetzt hat. Ich auch nicht, Roland Scholten schon gar nicht. Er ist übrigens auch jemand, der sich kaum an eigene Erfolge erinnert. Als wir die UK Open gemeinsam kommentierten und mit ihm ja der UK-Open-Champion 2004 neben mir saß, fragte ich ihn natürlich nach seinem damaligen Finale gegen John Part. Seine Antwort: „Keine Ahnung! Ich erinnere mich überhaupt nicht.“ Ich hakte nach: „Aber, du musst dich doch an diesen Moment erinnern! Es war der größte Sieg in deiner Karriere!“ – „Nein, ehrlich nicht.“ Und das war tatsächlich so.
O.K. Nächstes Thema.
An diesen kleinen Auseinandersetzungen hatten die Zuschauer, glaube ich, Spaß. Das bekamen wir damals durch die vielen Kommentare und netten E-Mails mit, die uns erreichten. Und so richtig gespürt haben wir es dann in Düsseldorf 2011. Wir übertrugen die European Darts Championship vor Ort. Ein Event, das im Nachhinein ein Meilenstein für Darts in Deutschland war. Zum ersten Mal war ein deutsches Turnier von der Atmosphäre her mit einer Veranstaltung aus Großbritannien vergleichbar. Auch die britischen Spieler waren begeistert. Der Austragungsort war edel, das Hotel lag gleich am Düsseldorfer Flughafen. Dazu hatte das Maritim-Hotel einen Standard, den Dartsprofis nicht unbedingt gewohnt sind. Kein Pendeln zum Veranstaltungsort, alles in einem Gebäude. Roland und ich kommentierten vier Tage lang aus einer kleinen Kabine im Oberrang. Fans hatten sich Masken aus unseren Fotos gebastelt. Als die Samstagabend-Session vorbei war, sangen knapp 2000 Zuschauer nicht ganz wahrheitsgemäß: „Roland und Elmar sind ein Paar, Roland und Elmar sind ein Paar.“
Im Jahr zuvor, als die European Darts Championship noch in der Stadthalle von Dinslaken stattfand, war die Situation ein klein wenig anders gewesen. In der Halle selbst gab es keinen Platz für unsere Kommentatorenbox. Wir mussten uns also in eine kleine Umkleidekabine irgendwo im Gebäude verziehen. Dort saßen wir halb unter der Dusche und kommentierten uns über viele Stunden einen Wolf. Dazu war die Technik grenzwertig. Immer wieder gab es Probleme mit der Kommunikation. Der Leiter der Sendung saß in einem alten Übertragungswagen, und häufig funktionierte die Verbindung einfach nicht. Wir hörten die Kommandos nicht, wenn es in die Werbung gehen sollte. Ich fragte nach, drückte den Knopf an der Kommentatoreneinheit, damit das interne Gespräch nicht beim Fernsehzuschauer landete. Doch an Tag eins ging alles ungefiltert raus, was wir leider viel zu spät erfuhren. Der Zuschauer war also tatsächlich mittendrin statt nur dabei. Und dazu war dieses Wochenende im Juli 2010 ziemlich heiß, die Temperaturen in unserem Kabuff wirklich nicht angenehm. Wenn man zurückdenkt an so ein Turnier, kommen einem auch ganz unwichtige Dinge wieder in den Sinn. Zum Beispiel, dass Roland eine Pause nutzte, um sich beim Italiener ein Eis zu holen, und mit sage und schreibe sieben Kugeln wiederkam. Das war für ihn völlig normal.