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bb) Inländische Einkünfte (§ 49 EStG)

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Fall 23:

Die X-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat bei der natürlichen Person A (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt in London) ein Darlehen in Höhe von 100 000,– Euro aufgenommen. Die Laufzeit des Darlehens beträgt fünf Jahre, es wird mit 5% per annum verzinst. Zur Sicherheit hat sich der im Inland ansässige Geschäftsführer G gegenüber A für die Rückzahlung des Darlehens verbürgt. Der Veranlagungsbeamte B prüft die Steuerpflicht des A. Mit welchem Ergebnis? Lösung Rn 370

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Das Vorliegen inländischer Einkünfte ist das zentrale Tatbestandsmerkmal der beschränkten Steuerpflicht. Der einschlägige Katalogtatbestand des § 49 EStG ist abschließend[54] und besonders sorgfältig zu prüfen, weil die Bundesrepublik Deutschland hierüber ihren Besteuerungsanspruch gegenüber anderen Staaten rechtfertigt[55]. Der beschränkten Steuerpflicht im Inland wird nämlich regelmäßig eine unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen in einem anderen Staat gegenüber stehen, so dass für die Besteuerung ein besonderer Inlandsbezug gegeben sein muss, damit die Besteuerung nicht gegen allgemeines Völkerrecht verstößt[56].

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Zu beachten ist, dass sich die Katalogtatbestände der §§ 34d und 49 EStG nicht in allen Einzelheiten entsprechen[57]. § 49 EStG ist zumindest wesentlich detaillierter ausgestaltet als § 34d EStG, weil er eine grundlegend andere Funktion erfüllt. Über § 49 EStG kann die Bundesrepublik Deutschland ihren Besteuerungsanspruch gegenüber anderen Staaten ausdehnen, während ihr über eine großzügigere Definition ausländischer Einkünfte Besteuerungssubstrat verloren ginge, weil über § 34c EStG auf diese Weise die Steueranrechnungsmöglichkeiten erweitert würden. Ob sich die Ansicht von Wied[58], die Vorschrift des § 34d EStG ginge in ihrer Reichweite zum Zwecke der Vermeidung oder Milderung der Doppelbesteuerung über § 49 EStG hinaus, noch halten lässt, darf bezweifelt werden. Jedenfalls ist § 49 EStG im Laufe der Zeit durch den Gesetzgeber immer weiter ausgedehnt worden[59].

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Dieser besondere Inlandsbezug wird in § 49 EStG auf ganz unterschiedliche Weisen verwirklicht. Den einzelnen Tatbeständen liegen international anerkannte Anknüpfungspunkte für die Besteuerung zugrunde, die sich wie folgt systematisieren lassen[60]: Für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr 1 EStG) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr 6 EStG) beispielsweise gilt das Belegenheitsprinzip, während bei der Besteuerung von Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr 2 EStG) weitgehend das Betriebsstättenprinzip verwirklicht ist. Die Besteuerung von Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr 3 EStG) und aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr 4 EStG) ist am Ort der Tätigkeit oder der Verwertung der Arbeit orientiert, und die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr 5 EStG) folgt im Grundsatz dem Quellenprinzip[61]. Insgesamt gewinnt die beschränkte Steuerpflicht aufgrund dieser Anknüpfungspunkte einen objektsteuerähnlichen Charakter[62], die dem der beschränkten Steuerpflicht zugrunde liegenden Territorialitätsprinzip[63] Rechnung trägt. Letztlich wird in allen vorgenannten Fällen eine inländische Einkunftsquelle verlangt.

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Der Katalog des § 49 EStG ist daher notwendig lückenhaft. Besonders deutlich wird dies bei § 49 Abs. 1 Nr 5 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa EStG. Anders als bei § 20 Abs. 1 Nr 5 und 7 EStG unterliegen beispielsweise gewöhnliche Darlehenszinsen nur der beschränkten Steuerpflicht, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz und damit dinglich besichert ist[64].

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Lösung Fall 23 (Rn 365):

Für A kommt nur eine beschränkte Steuerpflicht in Betracht, weil er weder einen inländischen Wohnsitz noch einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt vorweisen kann. A müsste daher inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielen. Da A bei einem Inlandssachverhalt Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr 7 EStG beziehen würde, kommt vorliegend § 49 Abs. 1 Nr 5 EStG in Betracht. Hier ist festzustellen, dass das Kapitalvermögen nicht durch inländischen Grundbesitz oder durch inländische Rechte oder Schiffe besichert ist. Eine bloß persönliche Sicherheit wie eine Bürgschaft nach § 765 BGB erfüllt die Voraussetzungen des bei § 49 Abs. 1 Nr 5 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa EStG nicht, so dass eine beschränkte Steuerpflicht des A ebenfalls ausscheidet.

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Im Folgenden werden die einzelnen Tatbestände der ausländischen Einkünfte des § 49 EStG kurz insoweit erläutert, als sie Tatbestandsmerkmale enthalten, die über die aus dem nationalen Recht der §§ 13 ff EStG bekannten Merkmale hinausgehen. Zu beachten ist, dass zunächst die Tatbestandsmerkmale der §§ 13 ff EStG erfüllt sein müssen, bevor in die Prüfung eingetreten werden kann, ob inländische Einkünfte vorliegen[65]. Bei den Verweisungen in § 49 EStG handelt es sich demgemäß um Rechtsgrundverweisungen, denn der Katalog der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG wird durch § 49 EStG nicht erweitert[66].

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§ 49 Abs. 1 Nr 1 EStG knüpft an die §§ 13 und 14 EStG (Land- und Forstwirtschaft) an. Abgestellt wird zusätzlich auf die Belegenheit der bewirtschafteten Flächen. Sind diese im Inland belegen, handelt es sich bei den erzielten Einkünften um inländische Einkünfte, und zwar auch für den Fall, dass der landwirtschaftliche Betrieb aus dem Ausland heraus geleitet wird[67].

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§ 49 Abs. 1 Nr 2 EStG verweist auf die §§ 15–17 EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb). Besonders wichtig ist der Buchstabe a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nur dann inländische Einkünfte, wenn sie durch eine im Inland belegene Betriebsstätte oder durch einen im Inland tätigen ständigen Vertreter erzielt werden. Die Begriffe sind wie bei § 34d EStG zu verstehen[68]. Nach § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe b und c EStG[69] sind ferner solche Einkünfte aus Gewerbebetrieb inländische Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus Beförderungen zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen erzielt werden (einschließlich der Einkünfte aus anderen mit solchen Beförderungen zusammenhängenden, sich auf das Inland erstreckenden Beförderungsleistungen[70] sowie einschließlich der Einkünfte, die von einem Unternehmen im Rahmen einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder eines Pool-Abkommens, bei denen ein Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland die Beförderung durchführt, aus solchen Beförderungen und Beförderungsleistungen erzielt werden). Zu beachten sind die Sonderregeln des § 49 Abs. 3 und 4 EStG. § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe d EStG erklärt Einkünfte zu inländischen Einkünften, die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nummern 3 und 4 der Norm gehören, durch im Inland ausgeübte oder verwertete[71] künstlerische, sportliche[72], artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen erzielt werden. Dies schließt die Einkünfte aus anderen, mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen ein und gilt unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen. Es ist unerheblich, wer zivilrechtlich als Leistungserbringer einzuordnen ist und wie die vertraglichen Grundlagen ausgestaltet sind[73]. § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe e EStG bezieht sich auf Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft bzw an Kapitalgesellschaften, die bestimmten Vorgängen nach dem UmwStG unterlegen haben. Nach § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe f Satz 1 EStG schließlich gehören auch jene Einkünfte zu den inländischen Einkünften, die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des Buchstaben a der Norm gehören, durch Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung von inländischem unbeweglichen Vermögen, von Sachinbegriffen oder Rechten, die im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder deren Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung erfolgt, erzielt werden. Damit sind in erster Linie Geschäfte mit inländischen Grundstücken angesprochen[74]. Zudem ist nunmehr auch die sog. verbrauchende Rechtsüberlassung erfasst. Nach der durch das JStG 2010 geschaffenen Neuregelung des § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe g EStG sollen ferner gewerbliche Einkünfte vorliegen, wenn Vergütungen für die Verschaffung der Gelegenheit gezahlt werden, einen Berufssportler im Inland vertraglich zu verpflichten, wenn die Gesamteinnahmen die Freigrenze von 10 000 Euro übersteigen. Um den Besteuerungsanspruch zu sichern, erweiterte der Gesetzgeber darüber hinaus die Einkünfte iS des § 50a Abs. 1 Nr 3 EStG, welche dem Steuerabzug unterliegen. Angesprochen sind damit die sog. Spielerleihe und der Spielertransfer, die zuvor Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem BFH[75] waren. Abgesehen von dem verfassungsrechtlichen Problem der Rückwirkung ist die Neuregelung auch materiellrechtlich misslungen. Der Gesetzgeber führt ohne Not das Tatbestandsmerkmal der „Gelegenheit“ ein. Es handelt sich systematisch um einen bisher im deutschen EStG nicht verwendeten, auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff, der allerdings mehr Verwirrung als Nutzen stiftet. Auch die Gesetzesbegründung bringt keine Erhellung seiner Bedeutung. Vielmehr legt das BMF den Begriff als „Sportlertransfer im allgemeinen Sinne“ betreffend aus, ohne jedoch zu erläutern, was dann ein „Sportlertransfer im besonderen Sinne“ sein könnte. Die Auslegung eines auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs mittels eines auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs jedenfalls ist keine Praxis, die weiter Einzug in die deutschen Steuergesetze erhalten sollte.[76]

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§ 49 Abs. 1 Nr 3 EStG nimmt Bezug auf § 18 EStG (Einkünfte aus selbstständiger Arbeit). Zu inländischen Einkünften werden diese Einkünfte im Sinne des § 18 EStG nur, wenn die Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder Betriebsstätte unterhalten wird. Im Übrigen ist der Tatbestand wie bei § 34d Nr 3 EStG zu verstehen[77].

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§ 49 Abs. 1 Nr 4 EStG verweist auf § 19 EStG (Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit). Es handelt sich jedoch nur um inländische Einkünfte (vgl die Buchstaben a-e), wenn (1) die Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, wenn (2) die Einkünfte aus inländischen öffentlichen Kassen einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens und der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein Zahlungsanspruch gegenüber der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss, wenn (3) die Einkünfte als Vergütung für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland bezogen werden[78], wenn (4) die Einkünfte als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr 1 EStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben oder wenn (5) die Arbeit an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird.

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§ 49 Abs. 1 Nr 5 EStG nimmt umfassend § 20 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen) in den Blick. Der Tatbestand ist detailreich[79] gestaltet, erschließt sich aber bei sorgfältigem Lesen.

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§ 49 Abs. 1 Nr 6 EStG bezieht sich auf § 21 EStG (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, soweit sie nicht zu den Einkünften iSd Nr 1 bis 5 des § 49 Abs. 1 EStG gehören). Der für die inländischen Einkünfte erforderliche Inlandsbezug wird hier durch das im Inland belegene unbewegliche Vermögen bzw die im Inland belegenen Sachinbegriffe oder Rechte hergestellt. Ein Gleiches gilt, wenn das unbewegliche Vermögen bzw die Sachinbegriffe oder Rechte in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder wenn sie in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung verwertet werden. In diesem Zusammenhang ist im Hinblick insbesondere auf § 2 AStG die Entscheidung des BFH vom 19.12.2007[80] beachtenswert, nach der Einkünfte aus der Verwertung von Persönlichkeitsrechten unter § 49 Abs. 1 Nr 6 EStG zu subsumieren sind, selbst wenn sie vom Steuerpflichtigen selbst geschaffen wurden. In concreto hatte sich der BFH mit der Qualifizierung von Einnahmen eines deutschen Rennfahrers zu befassen, der in ein Niedrigsteuergebiet ausgewandert war. Nach der hierzu getroffenen Entscheidung wäre künftig zu unterscheiden zwischen Einkünften aus der Verwertung von Persönlichkeitsrechten (hierzu gehören zB die Vermarktung des Namens, Bildes und der Unterschrift) und Einkünften aus eigenständigen Dienstleistungen (zB Vergütungen für Promotionauftritte, Interviews, Erstellung von Kolumnen). Letztere zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb iSd § 49 Abs. 1 Nr 2 EStG, die allerdings nur als „nicht ausländische“ Einkünfte von § 2 AStG miterfasst sind, wenn der Steuerpflichtige in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält. Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Rennfahrer seine beruflichen Aktivitäten jedoch von seinem neuen Ansässigkeitsstaat aus betrieben, so dass ceteris paribus kein Raum für eine Betriebsstätte in Deutschland gegeben war. Die Einkünfte aus der Verwertung von Persönlichkeitsrechten wären über § 49 Abs. 1 Nr 6 EStG stets erfasst, soweit sie in inländischen Betriebsstätten verwertet werden.

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§ 49 Abs. 1 Nr 7–10 EStG schließlich bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 EStG zu den inländischen Einkünften rechnen.

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Wie bei § 34d EStG[81] hat der Gesetzgeber auch im Rahmen des § 49 EStG einen Vorrang bestimmter Einkunftsarten angeordnet. So geht beispielsweise § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe a EStG den Buchstaben b-d und f der Vorschrift vor. Zugleich wird etwa in § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe d EStG der Vorrang der Nr 3 und 4 des § 49 EStG angeordnet, und schließlich fungieren § 49 Abs. 1 Nr 9 und 10 EStG als Auffangvorschrift (vgl den HS 2 der Norm)[82]. Zusätzlich gelten – wie bei rein inländischen Sachverhalten – die allgemeinen Regeln der §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr 3 und 23 Abs. 2 Satz 1 EStG (Subsidiarität der Überschusseinkünfte). Außerhalb dieser Regeln schließen sich die einzelnen Tatbestände des § 49 EStG gegenseitig aus[83].

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Für inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG gilt, dass diese nach deutschem Steuerrecht, insbesondere nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 4 ff, 8 ff EStG) zu ermitteln sind[84]. Besonderheiten gelten nur bei Einkünften, die dem Steuerabzug unterliegen, vgl dazu unten Rn 398 ff.

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