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a) Isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG)

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Fall 24:

Der in der Republik Honduras (kein DBA-Staat) ansässige Einzelunternehmer U erwirbt 2013 betrieblich bedingt eine 25%-Beteiligung an der Y-GmbH mit Sitz in Frankfurt für 1 500 000,– Euro. Im Veranlagungszeitraum 2014 verkauft U die Beteiligung für 2 550 000,– Euro. Der Veranlagungsbeamte B fragt sich, inwieweit U in Deutschland mit dem Veräußerungsgewinn einkommensteuerpflichtig ist? Lösung Rn 397

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Bei rein inländischen Sachverhalten stellt die Einteilung in die verschiedenen Einkunftsarten gemäß den §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 13 ff EStG sicher, dass Einkünfte stets exakt nach einer bestimmten Einkunftsart besteuert werden.

Hierfür bedient sich das Gesetz unterschiedlicher Mechanismen. So schließen sich manche Einkunftsarten bereits tatbestandlich aus (vgl etwa die Abgrenzungsregel des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG für Einkünfte aus Gewerbebetrieb von den anderen Gewinneinkunftsarten). Andere Einkunftsarten dienen als Auffangtatbestände (vgl etwa § 22 Nr 1 EStG: „… soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr 1 bis 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören …“). Und schließlich statuiert der Gesetzgeber in den §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr 3 und 23 Abs. 2 EStG das Prinzip der sog. Subsidiarität der Überschusseinkünfte[125].

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Man mag zwar im Einzelfall über die Subsumtion eines bestimmten Steuersachverhalts unter die Einkunftstatbestände streiten, und im Einzelfall mögen auch mehrere Einkunftstatbestände gleichzeitig erfüllt sein. Die verschiedenen Einkunftsarten aber stehen in einem gesetzlich klar angeordneten Rangverhältnis[126] mit der Folge, dass die konkrete Besteuerung stets nach nur einer Einkunftsart vorzunehmen ist. Diese Systematik und insbesondere das Prinzip der Subsidiarität der Überschusseinkünfte (§§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr 3 und 23 Abs. 2 EStG), das für den Vorrang der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG ursächlich ist, führen im Anwendungsbereich des § 49 EStG zu besonderen Problemen:

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Beispiel:

Der Einzelgewerbetreibende X (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im ausländischen Staat A) hält im Betriebsvermögen seines ausländischen Gewerbebetriebs ein in Hamburg belegenes Grundstück, welches gegen Zahlung eines Mietzinses an den im Inland wohnenden Y vermietet ist. Das Grundstück dient X nur als Geldanlage, eine weitere Verbindung zu seinem ausländischen Gewerbebetrieb besteht nicht. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts sind für die Untersuchung der Frage, ob X inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG bezieht, im Grundsatz im Inland und im Ausland gegebene Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen[127].

Dies führt zu folgendem Ergebnis: Wegen § 21 Abs. 3 EStG erzielt X (ebenso wie bei einem rein inländischen Sachverhalt) Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG. Für gewerbliche Einkünfte gilt ausschließlich § 49 Abs. 1 Nr 2 EStG, nicht hingegen § 49 Abs. 1 Nr 6 EStG, der sich auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG bezieht. § 49 Abs. 1 Nr 2 EStG aber ist vorliegend nicht einschlägig. Buchstabe a greift nicht Platz, weil das Grundstück in casu keine Betriebsstätte des Gewerbebetriebs darstellt[128], und die anderen Buchstaben sind ersichtlich nicht einschlägig. X ist daher an sich nicht beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 EStG, weil der Katalog des § 49 EStG abschließend ist und keiner seiner Tatbestände erfüllt ist. Dieses Ergebnis ist nicht sachgerecht. Zum einen könnten Steuerpflichtige durch Gestaltungen leicht die beschränkte Steuerpflicht umgehen, zum anderen werden allein aufgrund der Subsidiaritätsregeln bzw der Tatsache, dass bestimmte Besteuerungsmerkmale im Ausland verwirklicht worden sind (vorliegend das Merkmal der Gewerblichkeit bzw genauer der Umstand, dass das Grundstück zu einem ausländischen Gewerbebetrieb gehört), Sachverhalte nicht in die beschränkte Steuerpflicht einbezogen, die ohne diese Regeln nach § 49 EStG ohne weiteres besteuert werden könnten (vorliegend nach § 49 Abs. 1 Nr 6 EStG).

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Hier setzt § 49 Abs. 2 EStG an (sog. isolierende Betrachtungsweise[129]). Die von ihrem Wortlaut her nicht eben eingängige Norm besagt lediglich, dass im Ausland verwirklichte Besteuerungsmerkmale nicht zu berücksichtigen sind, wenn für den Fall ihrer Berücksichtigung keine inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 EStG gegeben wären. Die Subsumtion unter die einzelnen Tatbestände des § 49 Abs. 1 EStG ist also nur anhand der im Inland verwirklichten Besteuerungsmerkmale vorzunehmen[130]. Die isolierende Betrachtungsweise reduziert damit lediglich den bei der beschränkten Steuerpflicht erforderlichen Inlandsbezug, eine inhaltliche Umqualifizierung von Einkünften wird durch § 49 Abs. 2 EStG ebenso wenig bewirkt[131] wie eine Erweiterung des Katalogs der inländischen Einkünfte. Die isolierende Betrachtungsweise („isoliert betrachtet“ in diesem Sinne werden die im Inland verwirklichten Besteuerungsmerkmale) verhindert lediglich, dass (Überschuss-)Einkünfte unbesteuert bleiben, die ohne die zwingende Subsidiarität gegenüber den Gewinneinkunftsarten nach § 49 EStG besteuert werden könnten[132].

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Im Beispielsfall erzielt X daher wegen § 49 Abs. 2 EStG inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr 6 EStG. Unklar bleibt die Bedeutung des in § 49 Abs. 2 EStG verwendeten Begriffs „Besteuerungsmerkmal“, der keine gesetzliche Definition erfährt. Der Begriff ist nicht im strengen Sinne als Tatbestandsmerkmal, sondern allgemein als Teil des Sachverhalts zu verstehen, der für den jeweiligen Besteuerungstatbestand bedeutsam ist. Es kann sich bei Besteuerungsmerkmalen um im Ausland gegebene Umstände oder Eigenschaften oder im Ausland ausgeübte Tätigkeiten handeln[133]. Im Beispielsfall war das außer Betracht zu lassende, im Ausland verwirklichte Besteuerungsmerkmal jenes der Gewerblichkeit bzw der Umstand, dass das Grundstück zu einem ausländischen Gewerbebetrieb gehört.

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Die Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise setzt danach zweierlei voraus[134]: Erstens müssen bestimmte Einkünfte unter mehr als eine der Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG subsumiert werden können, und zweitens muss eine Subsidiaritätsregel bewirken, dass die eigentlich gegebene Einkunftsart wegen des stärkeren Auslandsbezuges nicht zu einer beschränkten Steuerpflicht führt. § 49 Abs. 2 EStG ersetzt hingegen nicht etwaige nicht gegebene inländische Besteuerungsmerkmale im Sinne des §§ 13 ff EStG[135] und ist auch nicht anwendbar, wenn ein bestimmter Besteuerungssachverhalt und die sich daraus ergebenden Einkünfte isoliert betrachtet (dh nach Anwendung des § 49 Abs. 2 EStG) nicht eindeutig einer bestimmten Überschusseinkunftsart zugeordnet werden können[136].

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Lösung Fall 24 (Rn 390):

U erzielt vorliegend Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG, da er die Beteiligung in seinem Betriebsvermögen hält. Für § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe a EStG fehlt es jedoch an einer inländischen Betriebsstätte. § 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe e EStG ist denkbar, weil die Voraussetzungen des § 17 EStG im Grundsatz erfüllt sind. Jedoch greift die Vorschrift nur bei Anteilen im Privatvermögen. Hier hilft die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG, weil § 17 EStG systematisch gegenüber § 15 EStG subsidiär ist, auch wenn es an einer ausdrücklichen Subsidiaritätsvorschrift fehlt[137]. Da die übrigen Tatbestandsmerkmale gegeben sind, erzielt U vorliegend inländische Einkünfte im Sinne der §§ 17, 49 Abs. 1 Nr 2 Buchstabe e EStG, weshalb er der beschränkten Steuerpflicht des § 1 Abs. 4 EStG unterliegt. Hinsichtlich der Besteuerung des Veräußerungsgewinns ist das Teileinkünfteverfahren zu beachten, vgl §§ 3 Nr 40 Buchstabe c, 3c Abs. 2 EStG.

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