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ZWEITES KAPITEL Düstere Gäste

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An diesem Abend fanden sich ungewöhnlich viele Gäste in der Schänke »Zum fröhlichen Dukaten« ein. Auch waren unter ihnen zahlreiche Fremde, was – zumal in dieser Jahreszeit – selten vorkam. Der Wirt eilte sich, Krug um Krug auszuschenken und die Magd zu den Tischen zu scheuchen, während die Wirtin in der Küche zugange war, um nur ja genügend Braten, Brot und Käse herbeizuschaffen und auch hinreichend auf ihren Mann zu schimpfen. »Hättest du die Sülze nicht gegessen, dann wären wir jetzt nicht so in Verlegenheit!«, fuhr sie ihn wieder einmal an, als er den Kopf zur Küchentür hereinstreckte.

»Aber Lieschen, das konnte doch niemand wissen, dass wir heute so viele Gäste ...«

»Trotzdem!«, fuhr sie ihm über den Mund. »Wofür mache ich mir denn die Arbeit.«

»Es hat aber noch niemand Sülze bestellt ...«, warf der Wirt zaghaft ein.

»Ist es ein Wunder? Es gibt ja auch keine!«, blaffte seine Frau zurück. Er zog den Kopf lieber wieder ein, zumal ihm auch gar nicht einleuchten mochte, was Lieschen gesagt hatte, und wandte sich seinem Fass zu, das bald leer sein würde.

Mehrere Reisende waren seit dem späten Nachmittag aufgetaucht. Der Stall war voll, der Stallknecht fluchte, die Kammern oben waren alle belegt und sogar er selbst und seine Frau hatten auf den Speicher umziehen müssen, weil sich jeder der Reisenden seltsamerweise einbildete, unbedingt ein Zimmer ganz für sich alleine haben zu müssen. Der Wirt schüttelte den Kopf. Das hatte er auch noch nicht erlebt. Es kamen nicht viele Fremde nach Toss. Und die, die kamen, waren meist genügsam. Nun gut, ihm konnte es natürlich recht sein, wenn er nicht nur eine Kammer an vier Gäste vermietete, sondern vier oder wie heute gar fünf! Aber seltsam kam es ihm doch vor. Er ließ den Blick durch den Schankraum schweifen. Auch hier: Jeder Tisch war besetzt, von den Fremden aber saß ein jeder alleine an einem eigenen Tisch. Fünf Männer, ein jeder stumm hinter seinem Weinkrug und seiner Mahlzeit. Einer schlug sein Messer in den kalten Braten, als wollte er ihn ermorden. Ein anderer schaute finster umher und duckte dabei den Kopf wie ein Räubergeselle. Der Dritte knetete seine Mütze in den Händen, dass es aussah, als wollte er sie erwürgen. Der Vierte trug einen silbernen Ring, der die Form eines Totenschädels hatte und mit dem er unablässig spielte, während er Unverständliches vor sich hin murmelte. Der Fünfte saß in seinem Winkel wie ein Schatten, dunkel und schmal. Die restlichen Gäste, allesamt brave Bauern und Handwerker aus dem Ort, drängten sich an den verbliebenen zwei Tischen und ließen ein ums andere Mal schallendes Gelächter hören oder wahlweise wüste Schimpferei.

Die Magd kam herbei und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Der Herr im schwarzen Mantel dort hätte Euch gerne gesprochen, Meister«, sagte sie.

Der Wirt schaute kurz zur Küchentür, hinter der er seine Frau zetern hörte, seufzte und eilte hinüber zu dem Gast, der sich in den Schatten hinter einem der großen Balken gelehnt hatte, so dass man ihn gut und gerne hätte übersehen können, wenn man nicht gewusst hätte, dass er dort sitzt. »Ihr wolltet mich sprechen, Herr!«

»Ja«, raunte der Fremde und beugte sich gerade so weit vor, dass das wenige Licht aus der Schankstube eines seiner Augen zum Glänzen brachte. »Setzt Euch doch kurz zu mir und erzählt mir ein wenig.« Er machte eine einladende Geste und der Wirt stellte fest, dass der Fremde sogar hier drinnen Handschuhe trug. Schwarze Handschuhe. Er setzte sich. »Verzeiht, mein Herr«, sagte er. »Wie Ihr seht, ist heute viel los bei uns. Ich werde Euch nicht lange Gesellschaft leisten können.« Dabei blickte er verstohlen zur Küche hin.

»Ich sehe, dass sich Euer Gasthaus großer Beliebtheit erfreut«, stellte der Mann fest und lehnte sich wieder zurück. »Es scheinen nicht nur Einheimische hierher zu kommen, sondern auch viele Reisende bei Euch abzusteigen.«

»Oh Herr, das ist nicht immer so. Es kommen eigentlich nicht viele Reisende nach Toss. Aber heute ...«

»Habt Ihr denn heute Abend noch andere Gäste, die über Nacht bleiben?«

»Aber ja!«, beeilte sich der Wirt zu versichern. »Es sind alle Kammern belegt. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass überhaupt jemals an einem Wintertag so viele Gäste bei uns übernachtet hätten.«

»Das ist ja höchst bemerkenswert«, sagte der Fremde mit seltsam lauerndem Ton. »Aber ich bin sicher, den einen oder anderen kennt Ihr schon von früheren Besuchen her ...«

»Kennen? Nein. Es sind nur Gäste hier, die ich zum ersten Mal bei uns ...«

»Hektor!«, scholl es von der Küche her. »Wirst du wohl sofort zu mir kommen? Du fauler Tunichtgut, du nichtsnutziger Strolch!« In der Küchentür stand die Wirtin, die Arme in die Hüften gestemmt.

»Verzeiht, Herr«, stammelte der Wirt und sprang auf. »Ich muss mich wieder um meine Arbeit kümmern.« Von den Tischen der Ortsbewohner her erklang lautes Johlen. Späße wurden gemacht und der Wirt glaubte zu hören, wie ihn Rufe verfolgten: »Nur keine Hektik, Hektor!« – »Vorsicht, Hektor, jetzt macht sie Sülze aus dir!« – »Gleich kommt die fiese Liese!«

Die Stunde des Narren

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