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PROLOG

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Blutrot tropfte das Wachs auf das Pergament. Über der Flamme tänzelte der Ruß und stieg an die niedrige Decke. Es war eisig kalt in dem Turmzimmer. Der Verfasser des Briefes drückte das Siegel in die weiche Masse und sprach dazu ein paar unverständliche Worte. Dann blies er sacht über das erstarrende Wachs und lächelte kalt. »Was für eine treffliche Fügung«, sagte er und legte den Brief einem der vier um ihn her stehenden, schwarz gewandeten Männer in die Hand. Den Ring streifte er wieder über einen seiner langen, bleichen Finger und betrachtete ihn mit leisem Triumph. Schließlich stand er auf und trat nacheinander vor jeden der Männer hin. »Ihr seid verantwortlich dafür, dass der Brief sein Ziel erreicht. Bedenkt: Ihr steht jetzt unter meinem Befehl. Wer sich mir widersetzt ...« Er fuhr sich mit der flachen Hand über den Hals. »Habt ihr verstanden?«

»Ja, Herr«, murmelten die Männer. Mancher von ihnen zitterte – nicht allein der Kälte wegen.

»Gut. Es stehen vier meiner besten Pferde für euch im Hof bereit. Sie sollen euer sein. Denn ihr seid mein. Wenn aber einer mich verrät, so werde ich ihn samt seinem Pferd über die Klippen stürzen lassen – beim Siegel des Herzogs.«

Die vier Männer beugten die Knie und verneigten sich, dann eilten sie durch die eisenbeschlagene Tür den Turm hinab auf den Hof, wo bereits der Stallmeister mit großen schwarzen Rössern wartete. Als sie wenig später über die kahlen Klippen Richtung Osten jagten, folgte ihnen ein eisgraues Augenpaar, und ein leiser Fluch, mit dünnen Lippen geflüstert, begleitete sie: »Hundert Jahre eurer Herrschaft werden in wenigen Tagen vernichtet werden, die Schmach von Generationen wird in den Grauen Sümpfen versinken und der Rabenwald wird euren falschen Glanz überwuchern. In weniger als einem Menschenleben wird sich niemand mehr an den geraubten Ruhm erinnern, mit dem ihr euch umgabt ...«

Ein schwaches Seufzen ließ den hageren Mann aufhorchen und sich umwenden. »Ich vergaß, Ihr hört mir ja zu«, flüsterte er und beugte sich ein wenig vor, um die Worte besser zu verstehen, die sich dem Mund seines Gegenübers nur mühsam entrangen. »Glaubt nicht«, sagte sein in Ketten liegender Gast, »es mache einen Unterschied, ob Ihr mich in Händen haltet oder nicht. Das Reich wird ohne mich so gut regiert wie mit mir. Ihr seid ...«

»Das Reich?« Krallenartige, lange Finger schossen auf ihn zu – doch verharrten sie plötzlich, weiß wie die Hände einer Marmorstatue. »Das Reich? Welches Reich? Es zerfällt in diesen Augenblicken. Während Ihr hier meine Gastfreundschaft genießt, werden dort draußen Eure Vasallen zu Geächteten, werden Eure Ländereien zu Wüsten und Eure Burgen zu Ruinen. Wie schön, dass Ihr noch am Leben seid. So könnt Ihr Euren eigenen Untergang mitverfolgen ...« Mit heiserem Lachen wandte sich der Mann von seinem Gefangenen ab und betrachtete den Siegelring. Dann trat er wieder ans Fenster, atmete tief ein und streckte die Hand mit dem Ring nach draußen: »Lasst dies das Zeichen meiner Herrschaft sein!«, rief er mit glühendem Blick und stolzgeschwellter Brust. In diesem Augenblick aber zuckte ein Blitz über den Himmel und tiefes Donnergrollen schien das gesamte Reich zu erschüttern.

Die Stunde des Narren

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