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Hektors Falle

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Meister Goldauge hatte sich auf dem Kamin der Schmiede niedergelassen und beobachtete mit scharfem Blick die Umgebung. Wenn Marius nicht bis Mittag in Toss auftauchte, dann würde er ihn suchen. Der Rabe hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wie er reisen würde. Zunächst wollte er zum Schloss Falkenhorst fliegen. Wenn Marius aus irgendeinem Grund gestern dorthin aufgebrochen war, so musste er heute noch auf dem Weg sein – und selbst wenn Meister Goldauge ihn nicht vor Einbruch der Dunkelheit einholen würde, so würden sie doch spätestens morgen früh auf der Burg aufeinandertreffen. Goldauge hoffte, dass Marius dorthin aufgebrochen war, denn seine Entdeckung vor der Hütte ließ ihm keine Ruhe.

Gegenüber trat der Wirt auf seinen Hof, in jeder Hand etwas tragend. Meister Goldauge schaute genau hin: Es waren zwei Kuchen, die der beleibte Mann jetzt vorsichtig auf den Fenstersims stellte und mit misstrauischem Blick betrachtete. Dann drehte er sich plötzlich um, als ob er etwas hinter sich gehört hätte. In dem Augenblick sah Meister Goldauge von seinem Platz auf dem Kamin aus, wie ein pfeilschneller Schatten auf einen der Kuchen herabstürzte und sogleich wieder unter dem Gebälk des Wirtshausdaches verschwand. Der Wirt starrte seine Kuchen an und Meister Goldauge konnte erkennen, wie er verblüfft und verärgert zugleich war. Die Arme in die Seiten gestemmt, sog der Wirt die Luft ein, dass es beinahe aussah, als würde er gleich platzen – da wirbelte er schon wieder herum. Auch der Rabe hatte ein leises Geräusch gehört und blickte in die Richtung, aus der es gekommen war. So kam es, dass er wieder nur einen flinken Schatten über den Kuchen huschen sah. Der Wirt aber stöhnte auf, als er sich wieder zu seinen Kuchen hin drehte und entdeckte, dass etwas passiert war. Meister Goldauge konnte erkennen, wie er sich etwas überlegte. Er ließ die Kuchen jetzt nicht mehr aus den Augen. Doch wenig später öffnete er die Tür, durch die er gekommen war, und tat so, als ginge er wieder ins Haus. In Wirklichkeit blieb er, von der Stelle aus unsichtbar, an der die Kuchen waren, hinter der halb geöffneten Tür stehen und griff sich einen dort stehenden Eimer, um zu warten: lautlos, geduckt und lauernd.

Schräg über ihm im Dachgebälk der Schänke regte sich etwas. Meister Goldauge sah eine weiße Feder aufblitzen. Und dann erkannte er es: das Elstermännchen, das er am Vortag gesehen hatte, wie es die Bürgersfrauen frech beklaut hatte. Im hohen Bogen spuckte der schwarz-weiß gefiederte Geselle etwas über den Hof, vermutlich einen Kirschkern, um sodann mit elegantem Schwung auf einen der beiden Kuchen herabzuflattern und sich darauf niederzulassen. Natürlich, dachte Meister Goldauge, er glaubt, der Wirt sei ins Haus gegangen. Hinter der halb geöffneten Tür aber lauerte der Mann. Er hatte den Vogel offenbar auch entdeckt, denn er drehte den Eimer um, hob ihn hoch und duckte sich leicht nach vorne. Jeden Augenblick würde er die Elster in der Falle haben.

Meister Goldauge überlegte nicht lange. Er stieß sich ab, nahm die Flügel zusammen und schoss adlergleich durch die Luft auf den Wirt, den Kuchen und den Vogel zu. Wie ein schwarzer Blitz überquerte er den Hof. Und dann ging alles ganz schnell. Der Wirt sprang hinter der Tür hervor und ließ den Eimer auf die Elster herabsausen, Meister Goldauge erreichte den Vogel den Bruchteil eines Augenblicks vorher und stieß ihn mit der ganzen Gewalt seiner Geschwindigkeit von dem Kuchen herab – und die Wirtin polterte hinter ihrem Mann auf den Hof. »Hektor!«, rief sie und der völlig verdatterte Mann drehte sich um, verlor das Gleichgewicht und fiel, die beiden Kuchen mit sich reißend, rücklings auf den Hosenboden. »Was machst du da? Bist du verrückt geworden? Warum zerstörst du meine schönen Kuchen mit dem Eimer? Und sieh dir nur an, was du jetzt wieder angestellt hast ...« Die Wirtin konnte gar nicht mehr aufhören zu zetern.

Meister Goldauge aber packte mit dem Schnabel das kaum weniger verdutzte Elstermännchen am Bein und schwang sich empor, um sich mit ihm auf einem nahe gelegenen Baum in Sicherheit zu bringen.

Die Stunde des Narren

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