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Kundschafter des Unbekannten

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Bis Ludovico aus der Küche kommen würde, konnte es nicht lange dauern. Xenia hatte ihn schon häufiger beobachtet: Er machte sich gern das Leben leicht – und für einen Küchenjungen bei Don Basilico hieß das nicht zuletzt, dass man die Küche mied. Also bot er sich an, Besorgungen zu erledigen, Speisen in den Trakt des Herzogs zu bringen, Speisen aus dem Vorratskeller zu holen oder Gemüse vom Hof. Dabei aber legte er häufig Pausen ein, hielt ein Schwätzchen mit den anderen Jungen, mit denen er bis vor kurzem noch auf dem Hof gespielt hatte, oder legte sich zwischen zwei Zinnen auf der Burgmauer in die Sonne (Xenia kannte sein Lieblingsplätzchen, das sie von ihrem Geheimplatz auf dem Falkenhorst aus gut sehen konnte). Don Basilico schien einen seiner gefürchteten Üble-Laune-Tage zu haben, Xenia konnte ihn in der Küche poltern hören. Sie hielt sich ein wenig im Schatten. Nicht dass sie nicht jederzeit in die Küche hätte kommen dürfen. Im Gegenteil: Don Basilico hatte etwas für sie übrig. Mit niemandem sonst auf der Burg ging er so freundlich, ja geradezu liebenswürdig um. Das hatte Xenia so manches Stück Torte, Braten und einige rotbackige Äpfel eingebracht. Doch sie wollte nicht gesehen werden, wollte ohne Zuhörer mit Ludovico sprechen.

Ein Trupp von Herzog Friedberts Leibwache marschierte durch die dunklen Gänge, ohne auf das Mädchen hinter einem der grob behauenen Balken zu achten. Klar, dachte Xenia, die sind in ziemlicher Aufregung, weil sie nicht wissen, was mit dem Herzog los ist. Eine Leibwache ohne den Leib, den sie bewachen soll, ist nicht viel wert. Vielleicht wäre Herzog Friedbert nichts zugestoßen, wenn er die schwer bewaffneten Männer dabeigehabt hätte. Aber auf der Jagd konnte er sich natürlich nicht gut von Bewaffneten umstellen lassen, da musste er beweglich sein.

Xenia überlegte gerade, ob sie doch hineingehen sollte, weil ihr der Duft von Honigkuchen in die Nase stieg, da schwang die Tür auf und Ludovico kam heraus, fröhlich ein Liedchen pfeifend. »Pst!«, machte Xenia, doch der Küchenjunge hörte sie gar nicht. »Pst!«

Die Hände in den Schürzentaschen, schlenderte er den Gang entlang in die entgegengesetzte Richtung. Xenia huschte hinter ihm her. Es war eine Spielmannsweise, die er pfiff, das erkannte sie und fragte sich zugleich, woher er die wohl kannte. Denn allzu lang war Ludovico noch nicht auf der Burg. Er war im vergangenen Jahr als Bursche eines Ritters nach Falkenhorst gekommen und dann, als der Ritter weiterreiste, nicht auffindbar gewesen. Erst nachdem der Gast ohne ihn losgeritten war (und niemand wusste, mit welchem Ziel), hatte Ludovico plötzlich im Burghof gestanden und nach seinem Herrn gefragt. Zuerst hatte ihm Malediktus, der Haushofmeister, eine Arbeit im Stall zugeteilt. Doch als Emerald zur Strafe für seine Beteiligung an einer Verschwörung gegen den Herzog zum Gehilfen des Kerkermeisters gemacht wurde, versetzte man Ludovico vom Stall in die Küche. Der Stallknecht war’s zufrieden: Mit seinem ewigen Gepfeife hatte der Junge nur die Pferde scheu gemacht.

»Pst!«, versuchte es Xenia noch einmal. Doch Ludovico pfiff unbekümmert vor sich hin und schlenderte den Gang entlang, als habe er alle Zeit der Welt. Gerade als Xenia ausholte, um ihm ein Bein zu stellen, bog er unvermittelt ab und Xenia musste aufpassen, dass sie nicht selbst über ihre eigenen Beine fiel. Sie ruderte mit den Armen, um im Gleichgewicht zu bleiben, und eilte sich, dem Küchenjungen um die Ecke zu folgen. Sie drehte sich um – und wäre beinahe mit ihm zusammengestoßen. »Alles in Ordnung?«, sagte er und stand mit verschränkten Armen vor ihr.

»Alles in allerbester Ordnung!«, beeilte sich Xenia zu versichern. »Was machst du denn hier?«

»Ich? Das frage ich dich!«

»Ich bin hier nur unterwegs«, stotterte Xenia.

»Ach so? Ich auch.« Ludovico schien ein bisschen verunsichert, aber er wollte sich wohl auch keine Blöße geben vor dem Mädchen. Also stand er da und schwieg und sah sie an. Oder besser: sah an ihr vorbei auf einen Punkt hinter ihr im Zwielicht des Ganges. »Na gut«, sagte Xenia und packte ihn überraschend am Arm. »Komm mit!« Sie zog ihn ein Stück mit sich und schob ihn schließlich durch eine Tür, die zu den Kammern der Mägde führte. Ludovicos Wangen hatten sich gerötet. Er fand Xenias Verhalten offensichtlich ziemlich aufregend. Voll gespannter Erwartung sah er sie mit seinen dunklen Augen an. »Und?«, fragte er, nachdem Xenia die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Na gut«, sagte Xenia, »pass auf.« Sie blickte sich noch einmal um, doch es war niemand zu sehen. »Ich erwarte dringende Nachrichten.«

Ludovico nickte aufmerksam und fragte: »Von wem?«

»Das weiß ich noch nicht. Aber du musst aufmerksam sein und mir Bescheid geben, sobald du etwas hörst.«

»Alles klar«, sagte Ludovico. »Und was für Nachrichten sind das?«

»Tja, leider weiß ich das auch noch nicht. Ich weiß nur, dass es ziemlich wichtig ist.«

»Du weißt nicht, was und von wem? Aber es ist wichtig?«

Xenia nickte. »Schon klar«, sagte sie. »Ich werde dir ein bisschen mehr erzählen müssen.« Wer wusste schon, wie viel er mit seinen neugierigen Ohren bisher bereits vom Verschwinden des Herzogs erfahren hatte. Also erzählte sie ihm, was sie wusste – und dass sie hoffte, mehr zu erfahren durch Ankömmlinge, die den Rabenwald durchquert oder andernorts vielleicht etwas aufgeschnappt hatten.

Die Stunde des Narren

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