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5. Rechtsfolgen der betriebsverfassungsrechtlichen Eingruppierung für das einzelne Arbeitsverhältnis

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Die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus der Durchführung des betrieblichen Zustimmungs- und ggf. des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 BetrVG für das Individualarbeitsverhältnis, insbesondere den Entgeltanspruch des betroffenen Arbeitnehmers ergeben, gehört zu den derzeit umstrittensten Fragen des Arbeitsrechts. Das Bundesarbeitsgericht hat hier in den letzten Jahren mehrfach Rechtsprechungsänderungen vorgenommen, die höchst folgenreich sind, aber – teilweise mit guten Gründen – kritisiert werden. Es hat vor allem die Frage aufgeworfen und noch nicht abschließend eindeutig beantwortet, ob und unter welchen Umständen sich aus der betriebsverfassungsrechtlichen Eingruppierung ein Anspruch des Arbeitnehmers auf das sich aus dieser Eingruppierung ergebende Entgelt der angewandten Entgeltordnung ergibt, soweit keine entsprechende einzelvertragliche Vereinbarung getroffen worden ist.99 Halbwegs gesichert erscheint die Feststellung, dass nach derzeitigem Stand davon auszugehen ist, dass dann, wenn der Arbeitnehmer nach dem Entgeltschema zu vergüten ist, es dem Arbeitgeber verwehrt ist, sich auf eine Entgeltgruppe zu berufen, die entweder niedriger ist als diejenige, die er selbst im gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren durchgesetzt hat, oder die derjenigen entspricht, mit der er bei Gericht gescheitert ist. Die entsprechende gerichtliche Entscheidung soll danach einseitig zwingende präjudizielle Wirkung entfalten.100

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In der Praxis spielt diese Frage vielleicht deshalb keine so große Rolle, weil der Arbeitgeber die Vorgaben des betrieblich „geltenden“ und angewandten Entgeltschemas, vor allem, wenn es auf einem Tarifvertrag beruht, an den er selbst gebunden ist, ungeachtet der Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifschließenden Gewerkschaft anwendet, z.B. aufgrund einer vertraglichen Verweisungsklausel. Soweit dies nicht der Fall ist, sollten Arbeitgeber als „Arbeitshypothese“ einstweilen davon ausgehen, dass im Zweifel die betriebsverfassungsrechtliche Eingruppierung zumindest als „Untergrenze“ der dem einzelnen Arbeitnehmer geschuldeten Vergütung angesehen werden kann. Die Rechtslage ist sehr umstritten; eine Prognose über die Entwicklung der Rechtsprechung des BAG ist in diesem Punkt kaum zu treffen.

74 BAG 14.4.2015, 1 ABR 66/13, Rn. 32 m.w.N., NZA 2015, 1077. 75 BAG 14.4.2015, 1 ABR 66/13, NZA 2015, 1077 (Entgeltordnungen in Tarifverträgen der Deutschen Bahn mit der EVG und der GdL); allg. zu Vergütungssystemen in tarifpluralen Betrieben vgl. unten Kap. 13. 76 BAG 4.5.2011, 7 ABR 10/10, Rn. 23, BB 2011, 2420; 11.9.2013, 7 ABR 29/12, Rn. 20, NZA 2014, 388. 77 BAG 23.8.2016, 1 ABR 15/14, NZA 2017, 74; BAG 28.4.2009, 1 ABR 97/07, NZA 2009, 1102; Kreft, FS Bepler, S. 317; krit. Reichhold, RdA 2013, 108. 78 Krit. Jacobs/Frieling, FS v. Hoyningen-Huene, S. 177. 79 Seit BAG 4.5.2011, 7 ABR 10/10, Rn. 21, BB 2011, 2320, unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Rspr. 80 BAG 18.6.1991, 1 ABR 60/90, NZA 1991, 903. 81 BAG 17.6.2008, 1 ABR 39/07, ZTR 2009, 279; das gilt auch für den „Equal-Pay“-Fall, Schüren/Hamann, AÜG, § 14 Rn. 420. 82 Bildlich „Ausgruppierung“ genannt, z.B. AR-Rieble, § 99 BetrVG Rn. 23. 83 BAG 12.12.2006, 1 ABR 13/06, Rn. 15, NZA 2007, 348. 84 BAG 6.4.2011, 7 ABR 136/09, Rn. 25, BAGE 137, 260; vgl. dazu auch Creutzfeldt/Eylert, FS Klebe, S. 77, 79. 85 BAG 26.9.2018, 7 ABR 18/16, Rn. 34 f.: verbleibender Spielraum des Arbeitgebers zur Frage, „ob die umzugruppierenden Arbeitnehmer die bewertete Stelle tatsächlich innehaben und die dort zu leistenden Tätigkeiten der Stellenbeschreibung entsprechen“; ähnlich bereits BAG 22.4.2009, 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286, zur Überleitung vom BAT in den TVöD nach Maßgabe des Überleitungstarifvertrags. 86 BAG 4.5.2011, 7 ABR 11/09, Rn. 24. 87 BAG 12.1.2011, 7 ABR 35/09, Rn. 19 m.w.N. 88 BAG 12.12.2006, 1 ABR 13/06, Rn. 14, NZA 2007, 348. 89 Zur Frage, welche Auswirkungen etwaige „Vorkenntnisse“ des Betriebsrats, insbesondere über die vom Arbeitnehmer zu besetzende Stelle, für die Informationspflicht haben, vgl. Creutzfeldt/Eylert, FS Klebe, S. 77, 79. 90 BAG 1.6.2011, 7 ABR 138/09, NZA 2012, 1184. 91 Boemke, ZfA 1992, 473, 498. 92 BAG 30.9.2014, 1 ABR 32/13, Rn. 34 ff, BAGE 149, 182. 93 BAG 13.5.2014, 1 ABR 9/12, BB 2014, 2357. 94 Rechtlich erforderlich ist dies aber nicht, Fitting, § 99 BetrVG Rn. 10. 95 Z.B. BAG 14.8.2013, 7 ABR 56/11, DB 2014, 308. 96 BAG 28.1.1986, 1 ABR 10/84, BAGE 51, 42. 97 Vgl. dazu Creutzfeldt/Eylert, FS Klebe, S. 77, 85 ff. 98 Vgl. dazu GMP-Spinner, § 84 ArbGG Rn. 86. 99 Insoweit kritisiert die Literatur die Auffassung des BAG als die Schaffung eines „Anspruchs ohne Anspruchsgrundlage“, vgl. z.B. Reichold, RdA 2013, 108; Salamon, NZA 2012, 899. 100 Grundlegend BAG 3.5.1994, 1 ABR 58/93, NZA 1995, 484; bestätigt u.a. durch BAG 28.8.2008, 2 AZR 967/06, Rn. 36 m.w.N., NZA 2009, 505.

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