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III. Überlegungen zur ungleichen Anwendung von § 105 JGG

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Zur oben (in Rn 71) gestellten Frage: Die Tatsache, dass der Anteil der nach Jugendstrafrecht abgeurteilten Heranwachsenden je nach Delikt verschieden ist und gerade bei der klassischen und schweren Delinquenz besonders hoch ausfällt, lässt sich mit dem gesetzlichen Entscheidungsprogramm schwerlich erklären. Als inoffizielle Entscheidungskriterien sind hier relevant[64]:

Bei den Verkehrsdelikten hat sich aus Gründen der Prozessökonomie das Allgemeine Strafrecht weitgehend durchgesetzt, da ein Strafbefehlsverfahren nur bei Anwendung von Allgemeinem Strafrecht zulässig ist (vgl § 79 I iVm § 109 I, II JGG)[65].
Bei den klassischen Delikten findet zu Gunsten der jugendstrafrechtlichen Sanktionsflexibilität bzw wegen der Möglichkeit zu maximaler Strafmilderung zumeist Jugendstrafrecht Anwendung. Man beachte nur die im Erwachsenenstrafrecht hohen Strafrahmenuntergrenzen bei den Raubdelikten (§§ 249, 250 StGB) und den für manche Mordkonstellationen immer noch sehr hohen Strafrahmen des § 106 I JGG.
Bei schwersten Delikten, bei welchen weitestgehend Psychogutachter bestellt werden, entdecken dann die Sachverständigen fast automatisch Zeichen der Unreife, weshalb zumeist Jugendstrafrecht angewendet wird[66].

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Die Regelung des § 105 I JGG stößt gerade angesichts ihrer vordergründig-ergebnisorientierten Nutzung auf Kritik. Zudem zeigt sich auch regionale Ungleichheit, die ganz offenbar traditionsgesteuert ist und angesichts fehlenden rationalen Sachgrundes ganz besonderen Legitimitätsbedenken ausgesetzt ist.[67]

Von daher liegt es nahe, eine klare Abgrenzung der Anwendung des Erwachsenenstrafrechts vom Jugendstrafrecht zu erwägen. Im Rahmen der derzeit zunehmend punitiven Grundhaltung[68] mehren sich die Forderungen, die Heranwachsenden grundsätzlich nach Allgemeinem Strafrecht abzuurteilen, also allenfalls noch ausnahmsweise Jugendstrafrecht anzuwenden[69]; auch die Forderung einer völligen Einbeziehung der Heranwachsenden ins Allgemeine Strafrecht ist nicht neu[70]. Für solche Lösungen spricht immerhin die Harmonisierung strafrechtlicher Vollverantwortlichkeit mit dem Eintritt der Volljährigkeit bei Vollendung des 18. Lebensjahres; freilich ist dies letztlich kein gewichtiges Argument, da über Formales nicht hinausreichend[71].

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Daher wird im jugendstrafrechtlichen Schrifttum überwiegend und ganz berechtigt gefordert, die Heranwachsenden ohne Einschränkung dem Jugendstrafrecht zu unterstellen, wobei dann Sonderregelungen im JGG für diese Altersgruppe nicht ausgeschlossen wären[72]. Denn auch Heranwachsende befinden sich noch in einer schwierigen Entwicklungsphase der persönlichen und beruflichen Orientierung und sie erleben krisenhafte Situationen des Umbruchs in ihren zwischenmenschlichen und sonstigen sozialen Bezügen. So verwundert es nicht, dass in Umfang und Ausformung ihrer Kriminalitätsbelastung die Heranwachsenden den älteren Jugendlichen sehr ähnlich sind. Da es sich bei Heranwachsenden um noch in der Entwicklung befindliche und daher gut formbare Menschen handelt, spricht viel dafür, dieser Altersgruppe mit einem flexiblen Sanktionssystem gegenüberzutreten, das mehr unterstützende und fördernde Straftatfolgen zur Verfügung hat als das Allgemeine Strafrecht.

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Teils wird darüber hinausgehend ein besonderes Jungtäterrecht für die 18- bis 24-Jährigen befürwortet. Daran ist deshalb zu denken, weil Kriminalitätsstruktur und Lebenssituation der 21- bis 24-Jährigen denjenigen der 18- bis unter 21-Jährigen noch sehr ähnlich sind. Und auch Ergebnisse der modernen Hirnforschung werden für diesen Ansatz ins Feld geführt.[73] Nicht zuletzt geht es bei diesem Vorstoß darum, eine Möglichkeit zu besonderen, altersangemessenen Strafmilderungen zu schaffen[74]. Der Wunsch danach ergibt sich aus zu hohen Mindeststrafen in manchen Straftatbeständen des StGB und aus der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB. Man sollte diese Probleme aber sinnvollerweise genau dort klären, wo sie entstehen, nämlich bei den teils überzogenen Strafdrohungen im Besonderen Teil des StGB, die einer schuldangemessenen und präventiv adäquaten Strafbemessung im Wege stehen[75].

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