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3. Sonderfragen der Zuständigkeit von Jugendgerichten

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Eine außerhalb des JGG begründete sachliche Zuständigkeit der Jugendgerichte ergibt sich aus §§ 26 I S. 1, 74b S. 1 GVG. In „Jugendschutzsachen“, deren Definition aus § 26 I S. 1 GVG zu entnehmen ist, sind neben den allgemeinen Strafgerichten auch die Jugendgerichte zuständig. Der Staatsanwalt soll gem. § 26 II GVG bei den Jugendgerichten Anklage erheben, wenn Kinder oder Jugendliche als Zeugen benötigt werden, denn die Jugendgerichte gelten für den Umgang mit jungen Menschen generell als besonders qualifiziert, also auch für die Behandlung junger Zeugen[13].

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Gem. § 209a Nr 2 StPO haben die Jugendgerichte gegenüber anderen gleichrangigen Gerichten die Kompetenz, darüber zu entscheiden, ob Sachen vor die Jugendgerichte gehören; Jugendgerichte gelten insoweit als Gerichte höherer Ordnung. Wegen des in § 47a JGG kodifizierten „Vorrangs der Jugendgerichte“ darf sich ein Jugendgericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht gleicher oder niederer Ordnung aus der allgemeinen Strafgerichtsbarkeit gehöre. Wenn etwa der Angeklagte zum Tatzeitpunkt erst 13 Jahre alt war, ist das Jugendgericht – trotz § 1 JGG – für die Einstellung wegen Prozesshindernisses ebenso zuständig wie dies jedes allgemeine Strafgericht wäre; war der Angeklagte schon 21 Jahre alt, ist das Jugendgericht schon wegen der Vorrangsregelung des § 47a für die Aburteilung zuständig[14].

Fall 3:

Die Staatsanwaltschaft erhob bei der Jugendkammer des Landgerichts gegen die A Anklage wegen Mordes; unklar war, ob die nicht in Deutschland geborene A zur Zeit der ihr vorgeworfenen Tat noch 20 oder schon 21 Jahre alt war. Laut Geburtsdatum in ihrem Pass war sie zum Tatzeitpunkt bereits Erwachsene; auch ein von der Jugendkammer vor Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens eingeholtes Sachverständigengutachten stützte diese Altersangabe. Daher eröffnete die Jugendkammer das Verfahren gem. §§ 209 I, 209a Nr 2 StPO vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts. Diese verurteilte die A wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Jugendstrafrecht fand unter Bejahung von § 105 I JGG Anwendung, weil das Schwurgericht angesichts neuer Erläuterungen zum Altersgutachten nicht ausschließen konnte, dass die A zum Tatzeitpunkt doch noch 20 Jahre alt gewesen war, weshalb der Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) galt. – Auf Rüge der Nebenkläger, der Brüder des Tatopfers, hob der BGH das Urteil auf, da das Schwurgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Diese Unzuständigkeit hätte das Schwurgericht von Amts wegen beachten müssen. Eine Bindung des Gerichts durch die vorherige Unzuständigkeitserklärung der Jugendkammer und Eröffnung des Verfahrens bei ihm sei nicht anzunehmen, obwohl die Jugendkammer gem. § 209a Nr 2 StPO einem Gericht höherer Ordnung gleichsteht. Nach Beginn der Hauptverhandlung könne sich die Sach- und Beurteilungslage grundlegend verändern, weshalb auch die Frage der Zuständigkeit uU anders beantwortet werden müsse. Für die Zulässigkeit einer Rückverweisung an ein Jugendgericht spreche in der fraglichen Konstellation obendrein, dass „wegen der besonderen Aufgabe des Strafrechts bei der Ahndung von Taten jugendlicher und heranwachsender Täter nur Gerichte zur Entscheidung berufen sein sollen, die nach Besetzung und Ausstattung den Anliegen eines jugendgemäßen Verfahrensablaufs und einer maßgeblich am Erziehungsgedanken orientierten Entscheidungsfindung gerecht werden können“. Im Übrigen sei die Gefahr weiterer Unzuständigkeitserklärungen nicht gegeben, da eine erneute Zuständigkeitsübertragung des Verfahrens durch das Jugendgericht auf ein Erwachsenengericht durch § 47a JGG ausgeschlossen ist[15].

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Ausnahmsweise ist das Jugendgericht für Verfehlungen Jugendlicher und Heranwachsender nicht zuständig:

§ 102 JGG: Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs.
§ 103 II S. 2 JGG: Verbindung von Verfahren gegen Jugendliche und Erwachsene, wenn die Strafsache gegen Erwachsene eine Zuständigkeit gem. § 74a GVG (primär Staatsschutzsachen) oder § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen) begründet (vgl die Vorrangregelung in § 74e GVG). Es sind gem. § 104 JGG vom zuständigen allgemeinen Strafgericht wesentliche Verfahrensvorschriften des JGG zu beachten, wenn gegen Jugendliche oder Heranwachsende (hierzu § 112 JGG) verhandelt wird.
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