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7. „Richter und Erzieher zugleich“?

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Idealerweise soll nach herkömmlichem Jugendstrafrechtsverständnis der Jugendrichter „Richter und Erzieher zugleich“ sein; Schaffstein/Beulke/Swoboda fordern weiterhin als wichtige Eigenschaften „besonderen psychologischen Scharfblick gerade im Umgang mit jungen Menschen,… Liebe zur Jugend und Verständnis für ihre Nöte“, daneben – natürlich – die „allgemeinen Richtertugenden“[31]. Zumeist sieht man das heute etwas nüchterner; man konzediert, dass „der Jugendrichter als erzieherische Leitfigur oft überzeichnet worden“ sein mag[32]. Auch wenn gelegentlich Untersuchungsergebnisse vorgestellt wurden, die die Erwartung einer erzieherischen Effizienz eines spezifischen jugendrichterlichen Handlungsstils zu bestätigen scheinen[33], ist angesichts der nur punktuellen Begegnung des Richters mit dem Jugendlichen vor großen Erwartungen einer pädagogischen Wirkung zu warnen[34].

Im Rahmen der besonderen Rolle des Jugendrichters geht es immerhin darum, dass der Richter maßvoll und fair reagiert, in Kenntnis jugendkriminologischer Befunde möglichst wenige biografische Stolpersteine schafft und nach Möglichkeit Hilfestellungen für künftige Straffreiheit initiiert. Der Jugendrichter soll unter der Geltung des Erziehungsgedankens nicht primär Strafbedürfnisse der Allgemeinheit realisieren, sondern vor allem eine die positive Entwicklung des Angeklagten fördernde Entscheidung fällen. Bedingung hierfür ist, dass der Jugendrichter das Augenmaß dafür besitzt, in welchen Fällen zu Gunsten erzieherischer Belange eine formelle Sanktionierung unterbleiben sollte. Als Tugenden eines Jugendrichters wird man demnach nicht zuletzt Fantasie und Mut zu Abweichungen von den Pfaden des tatvergeltenden Allgemeinen Strafrechts ansehen dürfen[35].

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Gemäß der Idee vom „Richter und Erzieher zugleich“ sollen die Jugendrichter gem. § 37 JGG „erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren“ sein. Diese Vorschrift ist lediglich „Sollvorschrift“ und wird als unverbindliche Ordnungsvorschrift verstanden[36]. Dass der Gesetzgeber bislang von einer zwingenden Regelung abgesehen hat, dürfte vor allem damit zu tun haben, dass man Erschwernisse der Geschäftsverteilung bei den Justizverwaltungen vermeiden möchte. Auch wäre einzukalkulieren, dass in Fällen jugendkriminologischer Inkompetenz des Richters dann uU ein Revisionsgrund gem. § 337 StPO vorläge. Dennoch wird immer wieder nachdrücklich gefordert, einschlägige Aus- oder Fortbildung für Jugendrichter obligatorisch zu machen[37]. Eine Einlösung dieser an sich gut begründeten Forderung ist angesichts der Bedenken der Justizverwaltungen freilich wenig realistisch. So wurde in einem neueren Gesetzentwurf der Bundesregierung die bestehende knappe Soll-Regelung immerhin hinsichtlich der regelmäßig zu erwartenden Kenntnisse des Richters (wie Staatsanwalts) in Kriminologie, Pädagogik, Sozialpädagogik und Jugendpsychologie näher spezifiziert und eine Restriktion des Einsatzes von insoweit (noch) unerfahrenen Richtern (und Staatsanwälten) vorgesehen[38]. Das „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“ vom 26. Juni 2013[39] hat dann freilich die Anforderungen speziell an die Jugendrichter nicht im vorgeschlagenen Sinne erhöht.

Die derzeitige Ausbildungs- und Fortbildungslage jedenfalls sieht einigermaßen desillusionierend aus[40]. Weithin lässt man die Eigenschaft „Vater“ oder „Mutter“ für die erzieherische Befähigung und Erfahrung iSv § 37 ausreichen oder man schätzt die Jugendlichkeit eines juristischen Berufsanfängers als hinreichende Basis für einen qualifizierten Umgang mit jungen Menschen ein[41]; und gelegentlich werden einfach sämtliche Strafkammern kleinerer Landgerichte im Wege der Geschäftsverteilung zu Jugendkammern erklärt[42].

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