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Ein Angriff auf das Leben

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Alle Krankheiten haben eines gemeinsam: Sie setzen uns engere Grenzen. Eine ME/CFS-kranke Frau sagte zu mir: „Das Schlimmste am Kranksein ist, vom Leben abgeschnitten zu sein. Mein Aktionsradius ist so begrenzt!“

Das ist bei Rollstuhlfahrern am offensichtlichsten, für sie gibt es unüberwindbare Schwellen, Treppen und Absätze. Ich fragte eine Freundin, die wegen einer neuromuskulären Blockade seit ihrer frühen Kindheit einen Rollstuhl braucht, welches ihre größten Schwierigkeiten im Alltag seien. Sie schrieb mir: „Für Rollstühle unzugängliche Gebäude wie Kinos, Läden, Cafés, Arztpraxen, Wohnungen, Schulen, Ämter … das macht mindestens 80 Prozent aller Schwierigkeiten aus. Wenn man überhaupt mal überall reinkäme, wäre schon vieles gewonnen!“

Für mich ist es die Wegstrecke von 300–500 m, die ich an den meisten Tagen nicht überschreiten kann, die Erschöpfung, die mir nach einem Treffen mit Freunden einen Ruhetag einbrockt, oder die zehn Stunden Schlaf pro Nacht, ohne die bei mir gar nichts geht. Unser Körper kann zum Gefängnis werden, von dem es keinen Ausgang oder Urlaub gibt. Wir nehmen ihn immer mit.

Das verbaut nach und nach viele Lebensmöglichkeiten, unter denen die Erkrankten oft mehr leiden als unter der eigentlichen Krankheit. Eine Freundin, die schon sehr lange schwer krank ist, erlebt fast täglich große Schwäche, Krämpfe und unerträgliche Schmerzen. Trotzdem sagt sie mir immer wieder, dass für sie das Schlimmste am Kranksein das Alleinsein ist. Sie ist eigentlich ein geselliger Mensch, aber ihre Schwachheit erlaubt es ihr kaum, mit anderen Menschen zusammen zu sein, selbst Telefonieren ist oft nicht möglich. Krankheit sperrt ein und schließt aus. Damit zerstört sie auf Dauer die Lebensperspektive. Ein ME/CFS-Kranker nannte einmal die Perspektivlosigkeit als den für ihn schlimmsten Punkt am Kranksein.

Egal wo für die kranke Person der subjektive Schwerpunkt liegen mag, die Krankheit greift ihr Leben an, sei es buchstäblich biologisch oder im sozialen, beruflichen oder psychischen Bereich. Krankheit zerstört die körperlichen Funktionen und damit verbunden unsere Lebensmöglichkeiten. Sie entfremdet uns von unserem eigenen Körper. Sie zerbricht die Einheit zwischen unserer Person und unserem Leib und verletzt damit nicht nur unseren Organismus, sondern uns selbst.

Ein Spruch besagt: „Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen einzigen.“12 Wenn wir krank werden, wird unser ganzes Leben infrage gestellt: Werden wir je wieder glücklich sein können? Was fangen wir jetzt noch an mit unserem Leben? Wir fühlen uns zutiefst verunsichert, unser Körper sendet ständig unangenehme und alarmierende Signale aus und Ängste steigen in uns auf: Werden wir je wieder wie vorher leben können? Wie wird sich unser Leben verändern? „Hauptsache, gesund“?


Anstoß für Kranke

Ich will mir darüber klar werden, wie mein ganz persönlicher Krankheitskäfig aussieht.

Was macht ihn aus, womit komme ich zurecht, worunter leide ich besonders?

In welchen Punkten brauche ich neue Lösungen? Wie und wo könnte ich danach suchen?

Wie ein Schmetterling im Käfig

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