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Vorwort
zur Neuauflage 2020

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Nach 2005 und 2013 macht sich der Schmetterling nun zum dritten Mal auf die Reise. Leben mit chronischer Erkrankung – das Thema hat leider nichts an seiner Aktualität eingebüßt, wie steigende Zahlen für viele Krankheitsbilder zeigen. Trotzdem finden sich nicht allzu viele Hilfen zum persönlichen Umgang mit solch einer Lebenssituation. Leserstimmen zum Buch folgen daher oft dem Tenor: „Endlich fühle ich mich einmal verstanden!“ Medizinische Fakten sind im Internetzeitalter ungleich verfügbarer geworden, aber ebenso wichtig ist es, die „Innenseite“ eines Lebens mit Krankheit aufzuzeigen.

Je genauer ich in die Version von 2013 schaute, desto mehr Passagen fand ich, die nicht mehr aktuell waren oder mit denen ich mich so nicht mehr wohlfühlte. Nicht nur die Medizin und Gesundheitspolitik haben sich weiterentwickelt, sondern auch mein eigenes Erleben. Das Schlagwort vom „ganzen Leben“ (vgl. Einstieg) ist für mich in den Hintergrund getreten; inzwischen überwiegt der Eindruck eines „Rumpflebens“: Grundfunktionen sind vorhanden, aber Aktivitäten und Gestaltungsmöglichkeiten sind oft so beschnitten, als ob mir Arme und Beine fehlten. Das Glas ist nicht voll, sondern nur halb voll oder eben halb leer. Manchmal überwiegt die Wahrnehmung von dem vielen, was fehlt, und manchmal kann ich mich an dem freuen, was alles noch da ist. Und manchmal kann ich mich entscheiden, welche Perspektive ich einnehmen möchte. Trotzdem war es wichtig, die Jahre mit dem Gedicht „Ein ganzes Leben“ zu leben, und ich wollte es nicht aus dieser Ausgabe streichen. So sind auch an anderen Stellen ältere Beschreibungen geblieben und ergänzt durch den Blick aus dem Jahr 2020. Auf diese Weise lässt sich auch ein Weg erkennen, den man als chronisch kranker Mensch mit den Jahren beschreitet – jeder anders, aber in manchen Stationen doch auch ähnlich.

So erscheint der Schmetterling nun also „runderneuert“ – über ein Viertel ist neu formuliert und einige neue Erkenntnisse und Erfahrungen sind eingeflossen. Auch Georg Schiffner (Vorsitzender von Christen im Gesundheitswesen) hat die Neuauflage zum Anlass genommen, sein Vorwort von 2005 zu überarbeiten und vieles neu darzustellen, was sich seitdem im Bereich Gesundheitswesen und Spiritualität getan hat. Vielen Dank dafür!

Dazu sind drei Anhänge gekommen: einer über das Thema der Resilienz, einmal speziell auf Leben mit chronischer Krankheit bezogen (Artikel von 2019), einer über Erkenntnisse aus der Glücksforschung bezüglich chronischer Krankheit (Buchbeitrag von 2012) und eine aktuelle Zusammenstellung von wesentlichen Informationen und Quellen zum Krankheitsbild ME/CFS, das mich selbst betrifft und das ich im Buch häufiger erwähne.

Die Herausforderung bleibt die gleiche wie 2005 und 2013: Wie gestaltet man Leben mit schwerer Krankheit? Wie erduldet man es nicht nur; wie findet man sich so hinein, dass man den vielen Zumutungen aktiv begegnet, seinen inneren Menschen lebendig hält und sich etwas von der Schönheit des Lebens bewahrt? Es bleibt eine Aufgabe, diesem seltsam fremden, ungebetenen Gast seinen Platz so einzuräumen, dass er nicht das ganze Leben bestimmt.

Ich wünsche mir, dass wir uns austauschen darüber, wie es gelingen kann. Wie wir uns über jede andere Aufgabe kundig machen, vor der wir stehen. Ich wünsche mir, dass Sie durch dieses Buch ein paar Anregungen dazu finden – und eine dicke Portion Mut. Mut dazu, die eigenen Abgründe auszudrücken, und Mut dazu, die Hoffnung nicht aufzugeben. Mut zum Klagen und Mut zur Gestaltung. Mut, um Hilfe zu bitten, und Mut, um neue Wege zu gehen und kreativ zu werden im Umgang mit dem, was sich nicht wegschieben lässt. Mut zur Auseinandersetzung mit der Krankheit und zum Konflikt mit anderen, die den Berg nicht sehen wollen oder können. Und Mut, in dem Ganzen Gott zu vertrauen und seinen Segen zu finden.

Der Wolken, Luft und Winden

gibt Wege, Lauf und Bahn,

der wird auch Wege finden,

da dein Fuß gehen kann.

(Paul Gerhardt)

Schmetterling, flieg!

Langenhagen/Hannover, im März 2020

Wie ein Schmetterling im Käfig

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