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III. A. 4. 2 Pagan-Mythologische Einzelthemen
ОглавлениеUnter allen Schiffsdarstellungen offenbaren die mythologischen Szenen im Hinblick auf die dargestellte Handlung das größte Spektrum. Besonders zahlreich begegnen Szenen aus dem Trojanischen Krieg und den Folgemythen um Odysseus und Aeneas. Protagonisten sind neben den Genannten Orestes und Iphigenie, Achilles, Paris und Hektor, wobei offenbar ein Überwicht der griechischen vor den trojanischen Helden besteht. Ob dies zufällig geschieht oder vielleicht die Griechen aus römischer Sicht eher mit Schifffahrt in Verbindung gebracht wurden, muss einstweilen offen bleiben. Es existieren außerdem Schiffsbilder im Zusammenhang mit Jason sowie mit Theseus und Ariadne, jedoch sind diese im latinischen Raum verglichen mit anderen Regionen nur sporadisch vorhanden.
Im prozentualen Vergleich der einzelnen Mythenthemen tritt die dominante Stellung der trojanischen Szenen mit einem Anteil von 39 % deutlich hervor. Ebenfalls zahlreich, wenn auch mit 28 % eindeutig hinter den Troja-Szenen, sind schifffahrende Eroten; jene liegen damit noch vor den Nilszenen mit Pygmäen, die in rund 18 % der Bilder identifiziert werden können. Alle sonstigen Mythenthemen sind im Darstellungsspektrum wesentlich seltener vertreten.
Odysseus. Thematisch noch in die Zeit vor dem Beginn der Kämpfe um Troja fällt die Darstellung eines Kriegsschiffshecks, welches die rechte Nebenseite des spätantoninischen Sarkophagfragments LA26 aus Ostia bedeckt. Auf dem erhaltenen Abschnitt der Vorderseite nähern sich Odysseus, Diomedes und Agyrtes. Dargestellt war die Rekrutierung des Achilles für den kommenden Krieg und die Belagerung Trojas19, wobei das Heck des Schiffes auf die nahende Abfahrt hinzudeuten scheint. Ganz ähnlich ist die Position des Schiffes auf der Tontafel LA82 aus Rom, die Odysseus und Kirke abbildet, denn auch das hier am unteren linken Rand dargestellte Schiff, welches mit dem Heck zum Ufer weist, kündigt baldigen Aufbruch an. In der Chronologie der Ereignisse um den Trojanischen Krieg gehört das Geschehen jedoch in eine spätere Zeit, weshalb wir dieses zweite Stück zunächst noch kurz zurückstellen wollen.
Nach 10-jährigem Kampf um Troja treten Odysseus und seine Gefährten mit zwölf Schiffen die Heimreise an. Nachdem die Flotte vom eigentlichen Kurs abgekommen und auf die Insel des Polyphem verschlagen wurde20, will dieser Schiffe und Gefährten mit einem Felsen versenken, was aber nicht gelingt21. Vermutlich wurde diese an sich eindrückliche Episode um den Felswurf des Polyphems auch in der Bildenden Kunst aufgegriffen, jedoch fehlen im römischen Kontext entsprechende Objekte. Einen Angriff auf Schiffe schildern die römischen Esquilinfresken LA234, die auf eines der folgenden Erlebnisse des Odysseus abheben. Nach Polyphem nämlich gelangt die Flotte zu den Lästrygonen22, deren Siedlungsgebiet mythisch in Sizilien oder im sardisch-korsischen Raum verortet wird23 und die, wie zuvor schon der Zyklop, die Schiffe mit Felsen bewerfen. Das Fresko vom Esquilin vermittelt eindrucksvoll die ausweglose Situation der Griechenschiffe, aus welcher sich allein Odysseus mit seinem Fahrzeug retten kann.
In der Ereignischronologie der Odyssee gelangen die Gefährten dann auf die Insel der Kirke, die uns auf der oben erwähnten Tontafel (LA82) begegnet. Im Vordergrund liegt das Schiff des Odysseus, das durch seinen gebogenen Achtersteven und die zahlreichen Antriebsriemen als Kriegsschiff gekennzeichnet wird, während im Hintergrund das Schlüsselerlebnis der Gefährten mit der Zauberin Kirke – ihre Verwandlung in Schweine sowie die Flucht – zur Darstellung kommt. Im Mythos leitet diese Episode fast unmittelbar in die Begegnung mit den Sirenen über, vor welchen jene die Griechen warnte24. Es ist dieses Erlebnis, das unter den Schiffsbildern um Odysseus am häufigsten angetroffen wird (LA1, LA11, LA18, LA34, LA131, LA132, LA186–LA188, LA228, LA238, LA261) und zwar vorwiegend auf Sarkophagen. Wenn für Kampanien nur eine einzige solche Darstellung bekannt ist, KA62 (s. unten) aus claudisch-neronischer Zeit, dann überrascht das deshalb, weil das Sirenen-Ereignis bereits in der Antike mit der Landschaft um den Golf von Neapel geographisch in Verbindung gebracht wurde25.
Das Fragment LA279 von einem Marmorrelief zeigt das Schiff des Odysseus bei der sechsköpfigen Skylla26. Die Reliefplatte gehörte vermutlich zu einem Sarkophag, dessen Herkunft aus Latium wahrscheinlich, jedoch nicht abschließend gesichert ist27. Besagtes Bild ist neben der Figurengruppe aus Sperlonga (LA272) die einzige bekannte Darstellung der Begegnung mit dem Seemonster im gesamten Untersuchungsgebiet. Im Mythos heißt es, wenig später sei auch das letzte verbliebene Schiff in einem Sturm zerstört worden, wobei nur Odysseus selbst mit dem Leben davongekommen sei. Im diachronen Vergleich aller Szenen um die Seereise des Heroen ist ein klarer Akzent in der mittleren Kaiserzeit auszumachen, nämlich vom dritten Jahrzehnt des 2. Jhs. bis kurz vor der Mitte des 3. Jhs., wohingegen man solche Bilder sowohl in der späten Republik und frühen Kaiserzeit als auch in der Spätantike im latinischen Raum selten antrifft.
Aeneas. Das Relieffragment LA83 im British Museum, welches kurz vor der Mitte des 2. Jh. n. Chr. entstand – möglicherweise als Teil eines Staatsreliefs –, geht auf den für Rom bedeutenden Gründungsmythos um die Ankunft des troischen Helden Aeneas in Latium ein28. Von rechts ragt hier der Bug eines Kriegsschiffes in die erhaltene Bildfläche und rekurriert damit sinnfällig auf die zurückliegende Seereise, während links daneben Aeneas selbst und dessen Sohn Askanius erscheinen. Vor ihnen ruht die Sau, welche, einem Progidium zufolge, den Ort der neu zu gründenden Stadt Alba Longa festlegen sollte. Nach langer Fahrt ist dieser Ort der letzte Ankerpunkt für die Trojaner und damit zugleich auch jener Platz, an dem sie die Schiffe endgültig verlassen.
Orestes und Iphigenie. Es existieren drei Sarkophagreliefs, welche die Flucht der Agamemnon-Kinder Orestes und Iphigenie von der Insel Tauris schildern. Während das für die Abfahrt bereitliegende Schiff auf dem undatierten Relief LA198 in Weimar als Kriegsschiff mit Ruderantrieb und aufgebogenem Achtersteven gekennzeichnet wird, ist das Fahrzeug auf dem um 150 n.Chr. entstandenen Deckel LA208 in Budapest ein einfaches, ungedecktes Boot ohne besondere Kennzeichen. In beiden Darstellungen ragt der Bug von rechts in die Bildfläche hinein. Das abgeschnittene Heck eines Schiffes, das für die Fliehenden bereitliegt, zeigt auch der mittelkaiserzeitliche Sarkophagdeckel LA164 im Vatikan.
Hektor und Paris. Hektors Sturm auf die Schiffe der Griechen war das Thema eines in hadrianische Zeit datierenden Relieffragments LA99 aus Trastevere, bei dem die Schiffe mit ihren gebogenen, aufwendig verzierten Hecksteven schräg aus dem Bildgrund herausschauen. Zwischen den Schiffen erwarten abwehrbereite Griechen den Ansturm der Feinde, wobei sie die aufgehenden Hecksteven offenbar als Deckung gebrauchen.
Neben den genannten existieren weitere Szenen zum Trojanischen Krieg, in welchen Schiffe in mehr oder minder zentraler Rolle erscheinen. So ist auf der augusteischen Tabula Iliaca LA7, die sich heute in den Kapitolinischen Museen befindet, ein Schiffskampf mit der Entführung der Helena durch Paris kombiniert. Mehr als ein Dutzend Kriegsschiffe im linken Bildfeld, die samt und sonders mit dichten Riemenapparaten ausgestattet sind, verweisen auf die Überfahrt der Griechen nach Troja und leiten zugleich zum Schiffskampf am rechten Bildrand über. Helenas Ankunft in Troja war offenbar Gegenstand des mit der Tabula zeitgleich entstandenen Wandgemäldes LA235 vom Palatin in Rom, das heute verschollen ist. Über den Steg am Heck eines Kriegsschiffes tritt die Genannte soeben gemeinsam mit Paris an Land, während Matrosen das Fahrzeug abtakeln. Dessen Heck ähnelt in einigen Zügen demjenigen zweier Schiffe auf dem wesentlich jüngeren Relief LA68 im Palazzo Spada, das in der ersten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. hergestellt wurde und Paris mit Oinone zeigt. Wenngleich eine physische Verbindung nicht besteht, ist der Zusammenhang in erzählerischer Hinsicht evident: Im Mythos wird Paris Oinone für Helena verlassen, weshalb offenbar die Schiffe in dieser Szene bereits als Hinweis auf die kommenden Ereignisse zu begreifen sind.
Protesilaos. Von Schiffen gleichsam gerahmt wird die Protesilaos-Szene auf der Front eines frühen Sarkophages aus dem Bereich der Via Appia Nuova (LA162). Unter den Griechen ist Protesilaos der erste Tote, der nach der Überfahrt nach Troja noch an der Küste fällt29. In der Szene weist das links liegende Schiff des Protesilaos auf dessen gerade erst erfolgte Ankunft, während am rechten Bildrand das Boot des Charon bereitliegt und das unausweichliche Ende des Heroen quasi vorausnimmt.
Eroten und die Inseln der Seligen. Bootsfahrenden Eroten erscheinen in Latium in 22 Darstellungen. Es handelt sich hierbei in der Mehrzahl um Sarkophage (LA10, LA94, LA97, LA112, LA163, LA165, LA179–LA185, LA194–LA196, LA203, LA204, LA206, LA207) des 3. und 4. Jhs., neben denen nur je ein Mosaik (LA31) und ein Wandgemälde (LA263) existieren. In fünf Schiffsdarstellungen sind die Eroten beim Fischfang dargestellt30, bei weiteren drei erscheinen Eros und Psyche als Teilnehmer an einer Floßfahrt31.
Theseus und Ariadne. Die besonders in Unteritalien populäre Erzählung um den attischen Helden Theseus und die Ariadne (s. unten S. 85f. 89) besitzt ihr einziges Abbild im latinischen Raum im Frontbild des Sarkophages LA9 aus Fidenae, der severisch datiert. Das Schiff des Theseus liegt im unteren Bildabschnitt neben einem Pfeiler, welcher das Relief vertikal unterteilt. In der rechten Bildhälfte schläft Ariadne, deren liegende Körperhaltung beim vorderen Schiffssteven die sehr ähnliche Haltung des schlafenden Jonas in den Meersturzszenen vorwegzunehmen scheint. Da sich eine Motivübernahme der paganen Ariadne für die frühchristlichen Jonasdarstellungen jedoch nicht beweisen lässt, diese vielmehr auf Sarkophagdarstellungen des Endymion rekurrieren32, bleibt es fraglich, inwieweit diese oder ähnliche pagane Darstellungen Vorbild für die christliche Motivverwendung waren.
Nilbilder mit Pygmäen. Es sind in Latium im Ganzen elf Nilbilder mit schifffahrenden Pygmäen erhalten (LA35, LA71, LA77, LA78, LA80, LA85, LA86, LA178, LA227, LA244), von denen die meisten recht früh, nämlich in das 1. Jh. v. Chr. oder das 1. Jh. n.Chr. datieren. Bereits im 2. Jh. begegnen solche mythologischen, von Schiffen belebte Nilbilder deutlich seltener, nach 200 scheint ihre Herstellung fast völlig abzubrechen.