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III. A. 5. 1. b Das Kriegschiff der Magna Mater

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Die Chronik des Magna Mater-Kultes in Italien ist eng mit der Geschichte Roms und Ostias verwoben. Die Entscheidung, den Kult der Göttin aus Kleinasien auf die Halbinsel zu holen, fiel im späten 3. Jh. v. Chr., als sich Rom in der Endphase des Zweiten Punischen Krieges in einer akuten Notsituation befand. Der Transport des Kultbildes im Jahre 204 v. Chr. wird in mehreren Quellen geschildert48. Demnach wurde die Göttermutter Magna Mater in Gestalt eines anikonischen Meteoritensteins auf einem Schiff transportiert, das über Ostia auf dem Tiber nach Rom gelangte, wo man der Gottheit jedoch erst zwischen 193 und 191 einen eigenen Tempel auf dem Palatin errichtete49. In der Folgezeit wurde Magna Mater auch in Ostia verehrt, das auf der Schlussetappe der Schiffsreise eine wichtige Rolle eingenommen hatte. Es hatte sich nämlich das Schiff mit der Göttin auf einer Sandbank am Tiber festgefahren und war von dort, so glaubte man, nur mit Hilfe der Göttin selbst wieder fortgebracht worden50. Ihren Höhepunkt erlebt die Verehrung der Magna Mater im 2. und 3. Jh. n.Chr.51.

Aus Ostia liegen zwei Darstellungen mit der Schiffsankunft der Mater Magna vor, welche die Vorderseiten von Stirnziegeln (Antefixen) aus Terrakotta zieren. Das Exemplar LA20 stammt aus dem Bereich des Tempels der Göttin bei der Porta Laurentina52. Für das zweite Exemplar LA19 ist zwar keine exakte Fundstelle überliefert, es lässt sich jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit dem nordöstlichen Fundgebiet um den Piazzale delle Corporazioni zuordnen.

Die Schiffsdarstellung aus dem Kultbezirk ist in eine gewellte Konturlinie eingeschrieben, welche von einer Palmette abgeleitet sein könnte, wobei die Ränder der Platte nur knapp über das Maß des Schiffsbildes hinausgehen. Das Fahrzeug selbst ist als Kriegsschiff gekennzeichnet und mit diversen Zierelementen versehen: Vorne flattert ein Vexillum, das als einziges Bildelement auf Bewegung hinzudeuten scheint. Diese Position der Standarte am Bug ist durchaus ungewöhnlich53, jedoch ist eine Verwechslung etwa mit einem Dolonsegel sicher auszuschließen. Am Schiffsheck sitzt eine Tänie auf einem senkrecht platzierten Stab, der an die Flaggenstöcke sonstiger Kriegsschiffe erinnert. Das Vexillum am Bug sowie die Tänie am Heck sind nur vordergründig Schiffsbestandteile, tatsächlich flankieren sie das Kultbild in der Mitte, welches frontal im rechten Winkel zur Schiffsrichtung thront und außerdem von zwei Löwen begleitet wird. Eine funktionale Verbindung des Kultbildes zum Schiff ist nicht vorhanden, vielmehr erinnert die Erscheinung der Göttin bereits hier an das Kultbild eines Tempels, das an beiden Seiten mit zusätzlichem Schmuck versehen ist. Es wird mithin die Ursprungsgeschichte des Kultes mit einem Hinweis auf die spätere Kultpraxis verbunden, wobei das erwähnte Standartentuch als Anspielung auf den jährlichen Festumzug für Magna Mater verstanden werden könnte54.

Der zweite Stirnziegel LA19 zeigt im Wesentlichen dasselbe Thema, stammt aber offenbar nicht aus derselben Matrize55, wie einige Detailbeobachtungen verraten. So sind Abweichungen etwa im Winkel der Taue sichtbar, an denen die Segelrah aufgehängt ist, denn diese fallen bei dem Stirnziegel vom Kultbezirk steiler herab. Unterschiede gibt es auch bei der Anzahl und Details der Antriebsriemen: Wo am Relief im Kultbezirk acht schmale Riemen angegeben sind, die achtern bis knapp vor das Steuerruder reichen, ist die Riemenzahl beim Stück vom Piazzale auf nur noch sechs reduziert, jedes einzelne Riemenholz ist gröber geschnitten. Außerdem scheint hier der hintere Flaggenstock zu fehlen56. Schließlich wurde die Umrisslinie des Antefix im Vergleich zum Relief vom Kultbezirk zu einer einfachen Spitzblattform gestrafft.

Man wird aus den vorgenannten Gründen das Relief LA20 vom Kultbezirk für das ältere halten. Es datiert wahrscheinlich spätaugusteisch oder spätestens in die Mitte des 1. Jhs. n.Chr.57. In diese Zeitphase fällt die erste architektonische Fassung des Heiligtums, weshalb der frühe Stirnziegel wahrscheinlich im Kontext der zu dieser Zeit errichteten Gebäude zu sehen ist. Allerdings entstand in dieser Zeitphase noch nicht der Tempel selbst, der in seiner frühesten Ausführung erst hadrianisch datiert. Für eine jüngere Datierung von LA19 und dessen inhaltliche Ableitung von einem Vorbild aus dem Kultbezirk spricht neben der Vereinfachung des Bildthemas auch eine weitere Beobachtung. Aus der Matrize des ersten Reliefs dürften seinerzeit gleich mehrere Werkstücke hergestellt worden sein, die man sodann an einem Gebäude im Kultbezirk befestigte. So muss das Thema Magna Mater auf dem Schiff durch zahlreiche Wiederholungen bei den Besuchern des Heiligtums deutlich wahrgenommen worden sein, zumal sich die inhaltliche Verbindung zum Anbringungsort leicht erschloss. Beim Relief vom Piazzale ist ein vergleichbarer Zusammenhang zwischen Schiffsmotiv und Fundort nicht vorhanden, es bleibt nur dessen motivische Abkunft von einem Vorbild aus dem Kultbezirk. Beachtet man die Lage des Kultbezirks einerseits und die des Piazzale andererseits, dann kann ein direkter baulicher Bezug grundsätzlich ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass das Thema der populären Magna Mater für ein Gebäude am Piazzale kopiert wurde, wobei man nur die wichtigsten Erkennungsmerkmale übernahm. Wahrscheinlich ist, dass mit dem Magna Mater-Bild einen zur Zeit der Übernahme stadtbekanntes und womöglich schon populäres Motiv übernommen wurde. Der zeitliche Abstand zwischen beiden Stücken mag mehreren Dekaden betragen, weshalb für das zweite Relief eine Datierung bereits in das 2. Jh. in Betracht gezogen werden muss. Wenngleich über die exakte Provenienz Ungewissheit herrscht, mag man einen Zusammenhang mit der spätantoninischen Ausbauphase des Piazzale für möglich halten. Vielleicht wurden für diesen Zweck populäre Bildthemen von verschiedenen Stellen der Stadt zusammengetragen, um sie an einem neu errichteten Gebäude zu kombinieren58.

Weitere Bilder mit Magna Mater und dem Schiff sind in Latium sehr selten. Neben den Stirnziegeln begegnet diese historisch-narrative Kombination nur noch bei einem Altar der Claudia Synthyche LA66, der allerdings nicht aus Ostia stammt, sondern vom Westhang des Aventin in Rom. Dieses spärliche Vorkommen steht in erkennbarem Widerspruch zur Popularität der Magna Mater, die insbesondere für die seefahrenden Berufszweige überlieferten ist. Von außerhalb Latiums sind keine entsprechenden Bildzeugnisse bekannt. Möglicherweise blieb die spezifische Kombination der Göttermutter mit dem Schiff deshalb auf Latium beschränkt, weil sie nur für die lokale Bevölkerung konstitutiven Charakter im Hinblick auf den Kult besaß, wohingegen dieser Lokalbezug in anderen Regionen nicht existierte.

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