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Der tatsächliche Hergang
ОглавлениеAm Immigration Checkpoint an der Grenze Kambodscha-Thailand hatte sich am Morgen folgendes zugetragen:
Kaum hatte Gerhard das Immigration-Office an der Grenze verlassen, hatte Herr Tong, der seinen kranken Kollegen Herrn Aee an diesem Tag vertrat, also der Schalterbeamte, der von Gerhard auf das Pulver hingewiesen worden war, seinen Freund Rung im Polizeirevier in Trat angerufen.
„Hier Tong, es gibt eine ganz heisse Sache für uns. Hier war eben ein Ausländer mit einem weissen Koffer. Da ist eine Tüte Heroin drin, mit mindestens einem Pfund. Die hat ihm angeblich jemand untergeschoben. Er hatte den Beutel angeblich gerade entdeckt. Er meinte, er solle den Stoff für jemanden, den er gar nicht kennt, über die Grenze nach Trat bringen. Ich habe ihm gesagt, er soll ruhig nach Trat fahren, die Polizei würde sich schon drum kümmern.
Er kommt in zwei Stunden mit dem Minibus von der Grenze hier am Busbahnhof in Trat an. Du musst ihn verhaften, und den Stoff beschlagnahmen. Dann bekommen wir wieder die Prämie. Wenn ich das Zeug hier beschlagnahmt hätte, hätte es keine Prämie gegeben, höchstens eine Belobigung. Aber dafür kann man sich nichts kaufen. Alles klar soweit? Hast du alles verstanden?“
Herr Rung hatte geantwortet: „Ja, schon, nur bist du dir ganz sicher. Und noch eine Frage: wie hast du denn das Zeug gefunden? Das Gepäck von Ausländern wird doch nie kontrolliert!“
Tong hatte erwidert: „Der Ausländer hat mir einen Zettel gegeben, auf dem er alles aufgeschrieben hatte. Er hat das Zeug selbst in seinem Koffer gefunden, sagte er.“
Herr Rung wusste, dass die Englischkenntnisse von Herrn Tong sehr dürftig waren. Deshalb war er auch nie zur Immigration Polizei gekommen, obwohl er sich mehrmals dafür beworben hatte, besonders wegen der Nebeneinkünfte.
Rung wandte ein: „Wenn du Dich irrst, bin ich der Blamierte! Da mache ich nicht mit; stell dir mal die Schande vor – alle würden über mich lachen und der Chef schimpft mich zusammen, und die Beförderung nächstes Jahr könnte ich auch vergessen. Nein, nein.“
***
Herr Tong hatte kurz nachgedacht, und dann gesagt: „Ich habe noch den Zettel von dem Ausländer, den kann ich dir zufaxen, und dann kannst du dich selbst überzeugen. Es geht um viel Geld, denk daran!“ Herr Rung hatte geantwortet: “Du weisst genau, dass ich auch kaum Englisch kann, und Geschriebenes lesen erst recht nicht!“ Herr Tong hatte geantwortet: „Geh doch zu deinem Schwager, Herrn Koy, der ist doch Englischlehrer, der kann dir das übersetzen. Versprich ihm 500 Baht dafür! Ich schicke dir sofort das Fax.“
Das war ein Weg, ja! So eilte Herr Rung nach oben, wo das Faxgerät stand und starrte auf den Auswurfschlitz. Er musste hier stehen bleiben, bis das Fax kam, das sollte kein anderer sehen.
Es dauerte kaum eine Minute, und er hatte den Ausdruck in der Hand. Er hastete nach unten zur Strasse, schwang sich auf sein Moped und fuhr, so schnell es ging, zur Schule, wo er mitten in die Unterrichtsstunde seines Schwagers Koy hereinplatzte. Mit einer unmissverständlichen Geste forderte er ihn auf, herauszukommen, und wartete vor der Tür auf ihn.
Als der Schwager vor ihm stand, hielt er diesem den Faxausdruck vor die Nase und drängte ihn: „Übersetze das bitte mal“.
Der Lehrer nahm den Faxausdruck und las: “ATTENTION, PLEASE, CAUTION I Must Speak With You Inside Your OFFICE, May Be, I Have DRUGS In My LUGGAGE. PLEASE Ask Me To Come Into Your Office!’
Er übersetzte: „Achtung, bitte, Achtung, ich muss mit ihnen sprechen, in ihrem Büro, Vielleicht habe ich Drogen in meinem Gepäck. Fordern sie mich bitte auf, in ihr Büro zu kommen“.
Kaum hatte Herr Rung das gehört, drehte er sich auf dem Absatz um und rannte davon, den verdutzten Lehrer auf dem Gang zurücklassend, der den Zettel einsteckte und, verständnislos den Kopf schüttelnd, zu seiner Schulklasse zurückkehrte.
„Ein verrückter Kerl ist das, und nicht mal bezahlt hat er mich für meinen Dienst, der alte Geizkragen.“ Er mochte Herrn Rung nicht, denn der hatte schon mehrmals seine Übersetzerdienste in Anspruch genommen, ihm immer wieder Geld versprochen, aber nie einen Baht bezahlt.
„Na, der soll mir noch mal kommen“
Inzwischen hetzte Herr Rung zurück zum Polizeihauptquartier, wo er sich von dem Cousin seines Kollegen Bam aus der Asservatenkammer zwei Kilogramm Heroin ‚auslieh’.
Er verstaute die Ware in seinem Spind.
„Wenn schon, denn schon“, murmelte er dabei.
Dann fuhr er schnurstracks zum Busbahnhof, um den Fremden in Empfang zu nehmen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät!