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Zeitvertreib

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Die gemeinsame Zelle war 2,50 x 3 Meter gross; nach einer Stunde wurde eine zweite Pritsche gebracht. Es wurde eng.

Rainer tat Gerhard leid, nachdem er ihm seine Leidensgeschichte erzählt hatte, und Gerhard ihm die seinige.

Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Den nächsten Tag verbrachten Beide damit, sich gegenseitig ausführlich ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Das tat den zwei Insassen sehr gut, und beider Laune hellte sich merklich auf.

“Habe neulich in der NATION gelesen, die wollen hier in Thailand Frauen und Männergefängnisse zusammenlegen, ob du es glauben willst oder nicht. Wirklich! Dann wäre es bestimmt im Knast etwas lustiger!“ sagte Gerhard.

Rainer nickte zustimmend.

Dann fuhr er fort: “Obwohl, wenn ich so zurück denke. Vor ungefähr 15 Jahren kam ich zum ersten Mal nach Thailand. Damals gab es hier keine dicken Frauen. Wirklich keine! Ob jetzt dicke Thailänderinnen ebenfalls Zellulitis haben wie die weissen dicken Frauen? Viele waren früher freundlicher und bescheidener. Schade, wirklich schade. Heute gibt es so viele fette Leute. ‚Mc. Donald’s lässt grüssen’. Und dann der Quatsch mit den Fertiggerichten. In jedem 7-Eleven haben die das Zeugs. Machen sie mit einer Mikrowelle heiss. Hatte mal ‘ne Freundin, die hatte auf dem Zeugs gestanden. Hat fast jeden Tag so was gegessen. Habe jedes Mal probiert, verschiedene Sorten. Immer der gleiche Geschmack. Hat sicher wohl auch jede Menge Kalorien. Und dann waren die Frauen früher auch viel schöner angezogen. Hatten immer lange Röcke an oder wunderschöne Kleider. Sieht man heute kaum noch“.

Er nickte zustimmend und sagte: “Wenn ich früher mit Thai Airways geflogen bin, gab es auch immer beim Aussteigen in Don Muang eine Orchidee, deren Stiel in einem kleinen, geschlossenen Glasbehälter mit Wasser steckte. Das war eine rührende Willkommensgeste, und man wusste direkt, wo man war und fühlte sich wohl“.

***

Dann fragte Rainer: „Weisst du auch, warum Frauen Männer brauchen? Na, weil Vibratoren nicht den Mülleimer nach unten schleppen können“; Gerhard stutzte und lachte lauthals los.

Gelacht hatte er schon tagelang nicht mehr! Die Spannung fiel plötzlich ab von ihm. Diese Situation der letzten Tage hatte ihn doch ganz schön fertig gemacht. Irgendwie bekam er wieder Mut. Kein Wunder! Tagelang in einer Zelle und nur grübeln!

Nun kam von ihm die Gegenfrage: „Warum haben Männer keine Zellulitis? Rate!.“ Er gab die Antwort selbst: „ Na ja, weil es scheisse aussieht…“

Jetzt war Rainer mit dem Lachen dran. Und er kriegte sich kaum noch ein und fuhr dann fort: „ Klein Fritzchen wird an seinem 16ten Geburtstag von seinem Vater beiseite genommen: Ich gebe dir hier fünf Fränkli – da am Ende unserer Strasse ist ein Etablissement: ‚ZUR SCHWARZEN KATZ’. Dort gehst du zu einer Frau, die heisst ROSIE. Der gibst du dann die fünf Fränkli, und die macht dich dann zum Mann.

Fritzchen geht pfeifend los, und kommt am Haus seiner Grossmutter vorbei. Die fragt den Jungen, wo er hin geht. Er erklärt ihr das, und sie sagt: Gib mir das Geld, ich kann dir das auch zeigen. Gesagt, getan.

Danach wieder zu Hause: Papa fragt, na wie war’s?

Fritzchen antwortet: Ich war bei Oma, die hat gesagt, das kann sie auch machen.

Und ganz stolz: Ich bin jetzt ein Mann.

Da schreit Papa: Du kannst doch nicht meine Mutter vögeln.

Fritzchen antwortet: Du vögelst ja auch meine Mutter!“

Gerhard grinste. Dann erzählte er aus seiner Heimat.

„Ich bin in Westerstede in Ostfriesland geboren. Tatsache!

Da haben sie merkwürdige Sitten.

Im Sommer gibt es fast überall ‚Baumsitzwettbewerbe’.

Da werden auf dem Dorfplatz oder auch auf einem zentral gelegene Platz in Dörfern, aber auch den Städten, ungefähr vier Meter hohe Baumstämme eingegraben, sodass sie stabil stehen.

Dann werden sie von den Wettbewerbsteilnehmern mit Leitern gleichzeitig bestiegen, und die Teilnehmer setzen sich drauf. Da bleiben sie dann sitzen. Tag und Nacht!

Sie dürfen jeden Tag viermal für jeweils eine Viertelstunde den Sitzplatz verlassen, fürs Toilettegehen und für ein Minimum an Körperhygiene. Verköstigt werden sie über angestellte Leitern.

Der Gewinner ist dann der, welcher es da oben sitzend am längsten aushält. Das ist jetzt die reine Wahrheit. Das kannst du mir glauben.“

„Du, ich glaube dir das. In der Schweiz gibt es auch viele seltsame Sitten. Im Moment fällt mir zwar keine besondere Eigenart ein, aber sobald mir was einfällt, werde ich es dir erzählen.“

„Übrigens, weisst du, woraus ein Ostfriesenfrühstück besteht?“

„Nein.“

„Na ja, aus sieben Korn, zehn Doppelkorn, einer Flasche Jever Pils, einer Wurst und einem Hund“

„Schön und gut, nur was soll der Hund?“

„Na ja, einer muss die Wurst ja essen!“

So machte sich dann tatsächlich eine beinahe heitere Stimmung breit, die allerdings schon bald wieder umschlug. Sie waren immer noch in Thailand im Knast und doch ziemlich verbittert.

Ein weisser Koffer

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