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Jugendzeit und Kadettenausbildung

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Nach drei Kriegen und jahrzehntelangem Ringen wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles das Deutsche Reich proklamiert. Fast elf Jahre später, am 4. Dezember 1881, wurde in Breslau, der Hauptstadt der preußischen Provinz Schlesien, Job Wilhelm Georg Erdmann Erwin von Witzleben geboren.37

Erwin von Witzlebens Vater, Georg von Witzleben, war zuletzt Platzmajor im kleinen schlesischen Städtchen Glogau.38 Er war im Deutsch-Französischen Krieg (1870/1871) mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden und hatte die Armee 1874 als Hauptmann verlassen.39 Nach seiner Dienstzeit kaufte er 1876 ein Gut in Schlesien, das er aber schon im selben Jahr wieder veräußerte.40 Später erwarb er das kleine Gut Ober-Poppschütz (Landkreis Freystadt) in Oberschlesien.41 Erwin von Witzlebens Mutter, Therese Brandenburg, stammte aus einer schlesischen Kaufmannsfamilie. Witzleben hatte einen Bruder, der kurz nach der Geburt starb.42 Er selbst wurde am 6. Februar 1882 getauft.43 In seinem evangelischen Elternhaus wuchs er ganz selbstverständlich im christlichen Glauben auf44, die ersten Jahre wohl zunächst in Breslau und dann in Ober-Poppschütz.45 Witzlebens gesellschaftliche und mehr noch seine menschliche Prägung hatte naturgemäß ihre Grundlage in seinem Elternhaus. Die finanzielle Ausstattung der Familie war bescheiden; das vom Vater bewirtschaftete Gut ergab nur wenig oder gar keine Erträge und wurde spätestens nach dessen Tod veräußert. Geld für eine gute Ausbildung des Sohnes war nicht vorhanden.46

Bei der Frage, welchen Beruf der junge Erwin ergreifen sollte, kam der Familie ein Umstand zur Hilfe. Es gab die Möglichkeit – vor allem für adelige Familien, die dem preußischen Staat schon länger als Offiziere dienten –, Knaben im Rahmen einer vormilitärischen Ausbildung auf den Soldatenberuf vorbereiten zu lassen.47 Im Kadettenkorps der preußischen Armee war die Ausbildung abhängig vom Einkommen der Eltern und wurde im Bedarfsfall vollständig vom preußischen König übernommen, ab 1871 durch die sogenannte »Kaiserzulage«48. Deshalb nannte man die jungen Kadetten auch »Kaisers Söhne«.49

Die Kadettenausbildung war so organisiert, dass es in den preußischen Provinzen acht Vorkorps gab50, in denen die Erziehung der jüngsten Kadetten entsprechend den Schulklassen Sexta (5. Klasse) bis Untertertia (8. Klasse) begann. Von der Obertertia (9. Klasse) an wurden sie in der Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde bei Berlin zusammengezogen. Die dortige Ausbildung enthielt alle Lehrabschnitte, die notwendig waren, um Offizier zu werden. Neben Fächern wie Taktik, Reiten, Schießen, Schwimmen und militärischer Führung sollte auch die Allgemeinbildung und der gesellschaftliche Umgang geschult werden, außerdem wurde Englisch und Französisch unterrichtet.51 Der Sohn sollte dem Vater in der Berufswahl folgen. Mit Eintritt in das Kadettenkorps in seinem 11. Lebensjahr waren die Versorgung und die berufliche Zukunft des Jungen gesichert.52 Aber nicht nur die finanziellen Verhältnisse der Familie spielten bei diesem Schritt eine Rolle: Immerhin galt die Ausbildung im preußischen Kadettenkorps auch als gute Grundlage für eine spätere militärische Karriere.53

Witzleben setzte damit auch eine lange familiäre Tradition fort.54 Sein Ururgroßvater Albrecht von Witzleben55, noch im Stammland Thüringen geboren, trat in preußische Dienste und nahm als Offizier an allen Schlachten Friedrichs des Großen teil, was dieser bei seinem Abschied dankbar feststellte. Nach den Worten des Königs war Albrecht von Witzleben ein mutiger und tapferer Offizier.56 Dessen zweiter Sohn und Erbe57, Witzlebens Urgroßvater Job Wilhelm von Witzleben, von 1766 bis 1771 Schüler der Klosterschule Roßleben, folgte dem Vater in den preußischen Dienst.58 Er kämpfte gegen Napoleon I., erlebte die bitteren Niederlagen gegen die Franzosen und 1807 die französische Gefangenschaft. Schließlich kämpfte er in den Befreiungskriegen und wurde 1817 als preußischer Oberstleutnant verabschiedet.59 Witzlebens Großvater, Heinrich von Witzleben, diente über dreißig Jahre im herausragenden preußischen Garderegiment »Gardes du Corps«60 und brachte es anschließend zum Oberst und Kommandeur des 1. Garde-Ulanen-Regimentes in Potsdam.61 Er hatte die Tochter eines preußischen Spitzendiplomaten geheiratet und war Ritter des Johanniterordens.62 Witzlebens Vater war, wie bereits erwähnt, preußischer Hauptmann.63

Neben seinen direkten Vorfahren waren auch zahlreiche weitere Familienangehörige Offiziere. Ein Bruder seines Urgroßvaters, Heinrich von Witzleben64, kämpfte zusammen mit seinem Vorgesetzten, dem späteren Generalfeldmarschall Johann David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg, gegen die napoleonische Armee. Heinrich von Witzleben sagte man Entschlossenheit und Furchtlosigkeit nach. Während des Monarchenkongresses in Erfurt 1808 wurde er deshalb von preußischen Patrioten aufgefordert, sich Napoleons I. lebend oder tot zu bemächtigen. Dies lehnte er ab mit den Worten, »wie er im ehrlichen Kampfe sein Leben für den König gern hingeben, zu einem Unternehmen aber, das mit einem Morde endigen könne, sich niemals verstehen werde«.65

Die Neigungen des jungen Erwin von Witzleben gingen aber noch in eine andere Richtung. Zeit seines Lebens war er ein begeisterter Jäger. Seitdem er offensichtlich schon während seiner Jugend die Ausbildung zum Jäger absolviert hatte, begab er sich, wo er konnte, auf die Jagd. Wenn er die Wahl gehabt hätte, wäre Witzleben eher Förster als Soldat geworden.66

Bereits im zarten Alter von 10 Jahren trat er also in das Kadettenkorps ein. Wahlstatt in Schlesien sollte zunächst seine Ausbildungsheimat werden. Ein Jahr später, am 9. September 1892, starb der Bruder des Vaters, Heinrich von Witzleben, auf seinem Besitz Collm bei Niesky in Schlesien. Er hatte 1874 seine Großcousine Auguste von Witzleben, genannt Gutta, geheiratet. Diese erbte Collm von ihrem Vater, der den Besitz 1856 erworben hatte. Heinrich und Auguste von Witzleben hatten keine Kinder. Warum Witzleben Collm nach dem Tod seiner Tante 1917 nicht erbte – was üblich gewesen wäre und für ihn auf lange Sicht ein Leben außerhalb der Armee hätte bedeuten können ist unklar.67 Auguste von Witzleben hatte zu ihrem Neffen ein gutes Verhältnis.68 Offenbar war aber die finanzielle Belastung des Gutes der Grund für einen späteren Verkauf durch die Tante.69

Vier Jahre später – am 5. Mai 1896 – starb Georg von Witzleben in seinem 58. Lebensjahr. Erwin verlor damit seinen Vater bereits im Alter von 14 Jahren.70 Er blieb auch nach dessen Tod in Wahlstatt, wo die religiöse Erziehung fortgeführt und er am 31. März 1898 konfirmiert wurde: »Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild; der Herr gibt Gnade und Ehre: er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen«71, lautete der von seinem Lehrer Frielinghaus ausgewählte Konfirmationsspruch, der Witzleben fortan begleiten sollte. Im selben Jahr wechselte der Kadett in die Hauptkadettenanstalt nach Groß-Lichterfelde bei Berlin, wo er zahlreiche Kameraden fand, die später Teil eines großen Netzwerkes wurden. Dazu kamen Freundschaften, die in Lichterfelde ihren Anfang nahmen. Ähnlich wie in Roßleben war das Zusammengehörigkeitsgefühl groß. Diese Netzwerke konnten später die Basis für vertrauensvolle Beziehungen werden.72

Die Ausbildung im Kadettenkorps wurde nicht nur von Offizieren, sondern auch von älteren Kadetten durchgeführt. Dadurch sollte erreicht werden, dass die angehenden Offiziere früh lernten, Menschen zu führen. Einer seiner Ausbilder war der elf Jahre ältere Cousin Georg von Witzleben aus Dornheim.73 So wuchs das Einzelkind Erwin von Witzleben auch ganz natürlich in dem Bewusstsein auf, Angehöriger einer großen und weitverzweigten Soldatenfamilie zu sein. Die Ausbildung war hart, die Lebensbedingungen sehr bescheiden und die Ernährung alles andere als feudal. Die jungen Offiziersanwärter sollten preußisch bescheiden und leidensfähig erzogen werden, wobei die physische und psychische Disziplin eine große Rolle spielte. Daneben heckten die jungen Kameraden aber auch den einen oder anderen Streich aus und genossen diese Form der Kameradschaft.74

Anfangs war Witzleben nicht gerade ein begnadeter Schüler, und so musste er die Quarta (7. Klasse) wiederholen.75 Dann führte er sich bis zum vorletzten Jahr so gut, dass er eine Fleißprämie76 bekam und Selektaner wurde.77 Selektaner hatten das besondere Privileg, nach Abschluss ihrer Kadettenausbildung direkt als Offiziere (Leutnant) in ein Regiment einzutreten.78 Nun übernahm auch er Führungsaufgaben, wurde als Stubenältester ganz praktisch auf die Aufgaben als Zugführer in einem Regiment vorbereitet und bildete jüngere Kameraden aus.79 Selektaner aus adeligen Familien wurden auch als Pagen am kaiserlichen Hof in Berlin eingesetzt. Page zu sein, war damals eine große Ehre. Man nahm an Essen der regierenden Häupter Deutschlands bei Hofe teil und war verantwortlich für die Versorgung »seines« jeweiligen Landesherrn. Die Pagen standen bei Festessen hinter den Plätzen ihrer Fürsten und wichen diesen nicht von der Seite. Oft sind hieraus später langjährige Beziehungen entstanden.80 Witzleben wurde Page des Fürsten Heinrich XIV. Reuß jüngerer Linie.81

Anfang 1901 musste sich sein Jahrgang den Abschlussprüfungen stellen. In der Theorie waren Witzlebens Leistungen zum Teil nur durchschnittlich. Am 5. Februar 1901 wurde er geprüft. Nur mit einem »Befriedigend« wurde der Kadett Erwin von Witzleben mit Datum vom 22. März 1901 die Befähigung zum Offizier zugesprochen.82 Seit dieser Zeit hatte er den Wahlspruch: »Treue ist das Mark der Ehre!«83 für sich gewählt.

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