Читать книгу Wenn es gegen den Satan Hitler geht ... - Georg von Witzleben - Страница 4
Geleitwort
ОглавлениеDie Geschichtsschreibung des deutschen Widerstandes spiegelt wie kaum ein anderer Teil der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wider, wie komplex das Bemühen war, eine wahrhaftige Bilanz von Schuld und Verantwortung für den verhängnisvollen Verlauf der Geschichte von 1933 bis 1945 aufzustellen.
Von der ersten grundlegenden Darstellung der deutschen Opposition gegen Hitler des Historikers Hans Rothfels aus den Jahren 1947/48, über die bis heute unübertroffene Geschichte des Widerstandes von Peter Hoffmann (1969/1970) bis zu der eindrucksvollen Monographie des Staatsstreiches von Joachim Fest aus dem Jahre 1994 und einer nahezu unüberschaubaren Zahl von Einzeldarstellungen, Monografien und Biografien hat der deutsche Widerstand heute seinen historischen Platz als »Aufstand des Gewissens«, als Bild des »Anderen Deutschland« gefunden. Stauffenbergs Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 ist das Signet für den aus dem Gewissen erwachsenden Gegenentwurf gegen die menschenverachtende totalitäre Herrschaft und ist damit zugleich ein unverzichtbarer Teil der Identität einer auf Freiheit, Gerechtigkeit und persönlicher Verantwortung fußenden Demokratie.
Abgesehen von den Gesamtdarstellungen und wichtigen Einzelstudien zum breiten Spektrum des politischen, gesellschaftlichen und geistigen Widerstandes fördern Biografien das Wissen um die verhängnisvolle Verstrickung des einzelnen Menschen in die Herrschaft von Gewalt und Unrecht und die hieraus folgende Zerstörung der humanen Ordnung von Staat, Gesellschaft und Kultur als Ganzes.
Auffallend bleibt bei einer kritischen Literaturübersicht, dass es nach wie vor eine erhebliche Zahl von Widerstandskämpfern gibt, die entweder noch nicht dargestellt werden konnten und gewürdigt wurden oder sogar dem Vergessen preisgegeben sind. Dies gilt sicher nicht für die historische Rolle des Generalfeldmarschalls Erwin von Witzleben (1881–1944) im militärischen Widerstand in den maßgeblichen Gesamtdarstellungen, dennoch fehlte bisher eine umfassende Biografie zur Darstellung seiner Person und seines Handelns in dieser entscheidenden Zeit der deutschen Diktatur. Georg von Witzleben, Urgroßneffe des Dargestellten, legt nunmehr eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung vor, die diese wichtige Lücke der Forschung in eindrucksvoller Weise ausfüllt.
Der Verfasser schildert das Leben eines der herausragenden Protagonisten des Widerstandes, der – geboren 1881 – vom Eintritt in das preußische Kadettenkorps bis zur Ernennung zum Generalfeldmarschall 1940 eine große Offizierskarriere vollzog. In detaillierter und bei aller Empathie nüchterner Weise entsteht das Bild einer Persönlichkeit, die sich, auf dem Fundament ihres christlichen Glaubens, ihrem Gewissen und der damit verbundenen letzten Verantwortung stellte und zu dieser bekannte. Der Satz von Hannah Arendt, dass sich unter den Bedingungen des Terrors die meisten Menschen fügen, einige andere aber nicht, findet im Leben Erwin von Witzlebens ein leuchtendes Beispiel.
Das enttäuschende Ende des Kaiserreiches, die politischen Spannungen der Weimarer Republik ließen auch bei Erwin von Witzleben bei Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft die Hoffnung entstehen, dass der deutschen Nation eine neue aussichtsreiche Zukunft eröffnet werden könnte. Schon Anfang der dreißiger Jahre wuchs dann aber seine Skepsis gegenüber der allgemeinen politischen Entwicklung und der von Adolf Hitler verfolgten außen- und sicherheitspolitischen Ziele; eine Skepsis und später deutlich hervortretende Distanz, die er zum Teil mit dem Chef des Generalstabes Ludwig Beck teilte.
Spätestens seit dem Sommer 1937 war Witzleben zu aktivem Handeln (siehe auch die Gespräche im Herbst 1937 sowie die Planung der sogenannten »Septemberverschwörungen 1938«) gegen Hitler und sein Regime bereit. Ohne den weiteren Verlauf des sich bildenden Widerstandes hier darstellen zu können, bleibt festzuhalten, dass Witzleben der einzige Generalfeldmarschall war, mit dem die »Verschwörer« stets fest rechnen und planen konnten. Die »Walküre-Pläne«, die dem Attentatsversuch zugrunde lagen, trugen daher auch die Unterschrift Witzlebens als zukünftigem Oberbefehlshaber der Wehrmacht.
Unmittelbar nach dem 20. Juli verhaftet, in der Gefangenschaft brutal gefoltert, stellte sich Witzleben vor dem Volksgerichtshof in der Verhandlung vom 7./8. August 1944 dem Vorwurf des »Blutrichters« Roland Freisler, »Hochverrat« begangen zu haben, und übernahm ohne jede Einschränkung die volle Verantwortung für sein Handeln.
Unter der Last der Folter verschwieg er die Namen seiner Mitarbeiter, seiner Freunde und Helfer im Widerstand und starb am Galgen des Gefängnisses Plötzensee. Auch mein ihm eng verbundener Vater, Hans-Alexander, verdankte seinem Schweigen nicht sofort entdeckt worden zu sein, wenngleich sein tragisches Ende sich dann am 8. November 1944 dennoch vollzog.
Georg von Witzleben hat mit der vorliegenden Biografie über Erwin von Witzleben diesen Repräsentanten des deutschen Widerstandes in eindrucksvoller Weise gewürdigt. Es gibt allen Anlass, ihm dafür im Interesse der menschlichen und politischen Reputation der Frauen und Männer des Widerstandes zu danken.
Berlin, Herbst 2013 | Rüdiger von Voß |
Ehrenvorsitzender des Kuratoriums der Stiftung 20. Juli 1944 und der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 |