Читать книгу Wenn es gegen den Satan Hitler geht ... - Georg von Witzleben - Страница 13
Im zweiten Kriegsjahr – 1915
ОглавлениеAnfang Februar erkrankte Witzleben an Influenza, er sollte sich aber bald wieder erholen. Mittlerweile hatte er sich auch gegen die Gefahren aus Gasangriffen impfen lassen, doch litt er an den starken Nebenwirkungen.191 Am 14. Februar übernahm er schließlich ein eigenes Frontkommando. Er wurde Führer der 2. Kompanie des Reserve-Infanterie-Regimentes (IR) Nr. 6. Diese von ihm gewünschte Verwendung – zum ersten Mal verantwortlich für die Führung einer Kompanie – füllte ihn ganz aus. So verschmolz er schnell mit seinen Männern zur kameradschaftlichen Kampfgemeinschaft, die manche Bewährungsprobe zu bestehen hatte.192 Witzleben hatte ein enges, ganz natürliches und herzliches Verhältnis zu seinen Männern, die er in seinem Tagebuch oft einfach nur seine »Kerls« nannte.193
Mit seiner Kompanie erlebte er den Krieg nunmehr in seiner ganzen Unerbittlichkeit. Seine Gefechtsstände staken oft in einem Erdloch, wo Regen, Kälte und Schlamm seine Begleiter waren: »von unten durchnäßt und von oben durchfroren«.194 Am 1. März resümierte er: »Sieben Monate Krieg!« und fragte: »Wie lange noch?«195 Diese Frage sollte er in Zukunft immer wieder in seinem Tagebuch stellen, zum Ende des Krieges hin in jedem Monat.
Witzlebens Kompanie, der die Brigade mittlerweile ihren Zug Feldartillerie unterstellt hatte, lag am Vauxbach, in der Nähe des später berühmt gewordenen Forts Vaux bei Verdun. Hier sollte Witzleben zum ersten Mal einem Befehl widersprechen. Er hatte den Auftrag, zwei Doppelposten über den Bach vorzuschieben. Nach Prüfung der Lage vor Ort – der Bach war an der vorgesehenen Stelle sehr tief und breit und von Feindesseite einsehbar – war für den Kompanieführer jedoch klar, dass es sich um ein Himmelfahrtskommando handelte, das er nicht verantworten wollte.
Die Bataillonsführung schloss sich Witzlebens Einschätzung an, doch die Regiments- und Divisionsführung kritisierte diese Ansicht scharf. Witzleben musste eine schriftliche Begründung seiner Auffassung anfertigen. Die übergeordnete Führung bestand jedoch schließlich auf ihrem Befehl, den Witzleben dann auch ausführte. Umso erleichterter war er, als das Unternehmen ohne Verluste zu Ende gebracht werden konnte. Er blieb aber nach wie vor davon überzeugt, dass der Befehl falsch war.196
Am 22. März übernahm er die 14. Kompanie des Regimentes – wieder als Kompanieführer197 –, in der ihm zunächst 197, später 287 Mann unterstanden. Sie kamen aus Norddeutschland und wuchsen ihm schnell ans Herz.198 Zunächst musste er intensiv Ausbildung betreiben und war verantwortlich für manchen Stellungsbau.199 Die Kompanie lag an der Front zur Belagerung von Verdun immer wieder ganz vorne.200
Im Sommer 1915 erhielt er endlich nach einem Jahr Frontdienst für wenige Wochen Urlaub, was ihn unvorstellbar freute, denn ein Jahr lang hatte er seine Familie nicht gesehen. Zu Hause sammelte er Kraft und genoss diese Oase außerhalb des Krieges.201 Das tat ihm auch deshalb gut, weil ihn – an der Front weit weg von der Familie – die Spannungen zwischen seiner Frau und seiner Mutter zusätzlich belasteten.202
Am 11. August war er zurück an der Front und damit auch wieder inmitten von andauerndem Artilleriebeschuss.203 Den Franzosen bescheinigte er in diesem Herbst, dass sie ihre Verwundeten »wie immer meisterhaft abtransportiert«204 hätten. So ging das Jahr in den Schützengräben an der Front zu Ende. Inmitten der Gräben, die mit einem großen Christbaum geschmückt waren, hielt der Kompanieführer eine Weihnachtsansprache an seine Männer. Die Waffen schwiegen an diesem Heiligen Abend.205
Im Ersten Weltkrieg war der Glaube Witzleben ständiger Begleiter. In seinem privaten Kriegstagebuch wird sein tiefes inneres Verhältnis zu Glauben und Gott besonders deutlich. Es fallen besonders zwei Dinge auf: Zum einen die zahlreichen Eintragungen zu Gottesdienstbesuchen, zum anderen Äußerungen zu Gott im Alltag.206 Der ganz selbstverständliche Glaube an die übergeordnete göttliche Fügung spricht sehr deutlich aus seinen Worten. Und daraus schöpfte er viel Kraft für das tägliche Leben und Überleben. Häufig nannte er die vom schlesischen Pfarrer Pflanz vorgetragenen Predigten »erbaulich« oder auch »erhebend«207. Mit Pflanz, zu dem er während seiner Liegnitzer Zeit schon Beziehungen gepflegt hatte, hielt er während des Krieges weiter enge Verbindung. Oft saßen sie bis in die Nacht zusammen und sprachen über religiöse Fragen. Die Predigten führten bei Witzleben auch zur Auseinandersetzung mit manchen theologischen Themen. So setzte er sich zum Beispiel mit Luthers Einstellung zum Krieg ebenso auseinander, wie mit göttlichen Geboten und Fragen zur Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer.208 Im Alltag bat er Gott immer wieder um Schutz für seine Familie und eine glückliche Heimkehr. Aus seinen Worten ist deutlich zu spüren, dass es für ihn »ohne den Herrgott«209 nicht ging, wie er auch nach dem Krieg immer wieder sagte. Im Krieg fühlte er sich dann in vielen Bedrohungen beschützt.210 Auch im Verlauf seiner weiteren Karriere lag ihm daran, zu den Militärgeistlichen seiner Verbände gute Beziehungen zu unterhalten.211