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Einleitung

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Am 9. und 10. August 1944 waren die deutschen Zeitungen voll von Berichten über den ersten Prozess gegen die Männer, die in das Attentat vom 20. Juli 1944 verwickelt waren. Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben war der Hauptangeklagte.2 Am 7. und 8. August 1944 hatte der Volksgerichtshof (VGH) gegen ihn und sieben weitere Angeklagte verhandelt und bereits am zweiten Verhandlungstag das Todesurteil gesprochen. Noch am selben Abend wurden die Männer in Berlin-Plötzensee gehängt.3

Wer war Erwin von Witzleben? Wer war dieser Generalfeldmarschall, der von den Verschwörern, die ein Attentat auf ihren Oberbefehlshaber (OB) planten und durchführten, als dessen Nachfolger bestimmt war und dann nach dem Scheitern des Umsturzversuches vom NS-Regime verurteilt wurde? Witzleben gehörte zur Elite von Wehrmacht und Staat, und von der Führung dieses Staates wurde er 1944 hingerichtet.4

Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus hat seinen Niederschlag in zahlreichen Büchern, Aufsätzen, Vorträgen, Filmen und Radiobeiträgen gefunden. In den letzten Jahrzehnten wurden Forschungslücken geschlossen, sodass heute über zahlreiche Widerstandskämpfer mindestens ein umfassendes Werk existiert. Immer wieder kommen neue hinzu.5 Über Erwin von Witzleben existierte jedoch bislang keine ausführliche biografische Untersuchung. Lediglich in kleineren Aufsätzen findet man Versuche, sein Wirken zu beschreiben.6 Auf der anderen Seite gibt es kaum eine Arbeit über den Widerstand, in der er nicht erwähnt wird. Was Erwin von Witzleben angeht, lag also ein Forschungsdesiderat vor. Ihm hat sich das vorliegende Werk gewidmet.

Witzleben war mein Urgroßonkel 4. Grades, der letzte gemeinsame Vorfahre mit ihm starb vor rund 250 Jahren. Dennoch wirft die Verwandtschaft und damit möglicherweise einhergehende familiäre Nähe Fragen nach der Objektivität auf:

Wenn man an eine solche Arbeit herangeht, sieht man sich mit zahlreichen Herausforderungen und Risiken konfrontiert. Das Wissen um die eigene Subjektivität ist sicherlich eine der größten Schwierigkeiten, mit denen der Biograf umgehen muss. Nicht umsonst hat Hans-Erich Bödeker darauf hingewiesen, dass im Grunde über eine Person unterschiedliche Biografien vorliegen müssten, weil erst im Kontext der unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Biografen breitere Ergebnisse zu erwarten seien.7 Hinzu kommt als Herausforderung die Lückenhaftigkeit der Quellen: Der Historiker muss akzeptieren, dass sein Werk immer bruchstückhaft und unvollständig bleiben wird. Auch die Gefahr, im Nachhinein dem Leben einen kohärenten und schlüssigen Verlauf zu geben, sticht als eines der möglichen Probleme hervor.

Ich bekenne mich zu diesen in der modernen Biografieforschung benannten Herausforderungen. Gerade hier zeigt sich aber auch einer der großen Vorteile der Geschichtswissenschaft als Diskurswissenschaft: Analyseergebnisse von Historikern unterliegen beständiger Kritik. Obwohl Konsens in Bezug auf erzielte Ergebnisse möglich ist, gibt es »die historische Wahrheit« in ganzer Konsequenz nicht. Umso wichtiger ist die möglichst nachvollziehbare Analyse, Erklärung und Interpretation der genutzten Quellen und der aus ihr erwachsenen Erkenntnisse. Eine der größten Herausforderungen besteht in der Bewertung von historischen Prozessen, Entscheidungen und Taten, weil diese auf einer individuellen Basis getroffen werden. Dabei kommuniziert und begründet der jeweilige historische Akteur nicht immer authentisch und offen. Gerade bei der Frage, wann das persönliche Gewissen das Individuum zur Tat drängte, wird der Historiker immer an seine Grenzen stoßen und muss diese auch akzeptieren.

Als Biograf kam ich Witzleben nahe und habe versucht, mich in ihn hineinzufühlen und seine Sicht der Dinge zu verstehen. Dann ging es darum, wieder kritische Distanz einzuhalten. Ich habe mich bewusst für eine wissenschaftliche Arbeitsweise entschieden, um so professionell wie möglich arbeiten zu können.

Nur die wissenschaftliche Herangehensweise, bei der durch »kritisch ausgewertete Quellen«8 die Darstellung belegt werden muss, »simplifizierende Sichtweisen zu vermeiden [sind] und der florierenden Legendenbildung entgegenzutreten«9 ist, schien mir deshalb der richtige Ansatz zu sein. Grundlage des vorliegenden Buches ist demnach auch meine Dissertation. In dieser habe ich in einem ausführlichen Kapitel meinen methodischen Ansatz dargestellt.10 Auf den Abdruck dieses Kapitels wurde hier bewusst verzichtet, um den Rahmen nicht zu sprengen. Allerdings habe ich in diesem Buch im Anmerkungsteil sämtliche Quellenbelege erhalten, sodass der interessierte Leser diese nachvollziehen kann, und die wissenschaftliche Belegweise gewahrt bleibt. Ebenso befinden sich im Anhang meine Ausführungen zur Rezeption des deutschen Widerstandes, zu Forschungsstand und Forschungsfragen sowie zu den Quellen.

Obwohl ich mir bewusst bin, dass Menschen viele Seiten haben – Stärken und Schwächen, Licht- und Schattenseiten –, und trotz gründlicher Forschungen ist im Ganzen ein sehr positives Bild von Witzleben entstanden. Man hätte versucht sein können, die Darstellung durch »dunklere Kapitel« (vermeintlich) wissenschaftlich aufzuwerten, jedoch konnte ich nicht in sein Leben oder bestimmte Lebensabschnitte etwas hineininterpretieren, was es nach meiner intensiven Bearbeitung und kritischen Betrachtungsweise so nicht gab.

Mein Buch will einen Beitrag zur Widerstandsforschung leisten und einen ersten Versuch einer umfassenderen Untersuchung von Witzlebens Leben vorlegen, vor allem im Hinblick auf sein Engagement im Widerstand. Schwerpunkte sind nicht die militärischen Operationen der 1. Armee im Zweiten Weltkrieg und auch nicht die Tätigkeiten von Witzlebens Verbänden in Frankreich zwischen 1940 und 1942. Eine detaillierte Untersuchung dieser Fragen hätte die Thematik der vorliegenden Arbeit zu stark erweitert und wird in der Zukunft bearbeitet werden können.

Wenn es gegen den Satan Hitler geht ...

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