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WILDE FAHRT, FOXNEWS UND DIE MILCHSTRAßE

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»Ich bin dabei.«

»Wobei, Coyote?«

»Ich fahre mit deinem alten Schlitten. Naja, etwas älter ist sie schon, deine Kiste. Aber wir schaffen das.«

»Du meinst meinen Toyota? Also, göttlicher Hund. Der Wagen passt wunderbar zu dir, Jakob nennt ihn eine fahrende Hundehütte. Ich bin auf den Hund gekommen. Weiß der Geier, ob ich bei meinen Großeltern ohne Probleme ankomme.«

»Ja, Gaia weiß es. Sie liebt dich auch. Sie liebt alle. Ihr werdet immens geliebt vom Leben. Sie hilft uns beiden.«

»Danke. Du … Wenn dich die Leute sehen: Bleibst du bei deinem Namen John Fox, alter Fuchs?«

»Ja, mein Rollenname für den äußeren Kreis. Aber, weiß der Kuckuck, was noch alles passiert. Ich lass mich überraschen. Jeden Augenblick entfaltet sich das Leben neu. Willst du es kontrollieren, dann surfst du nicht mehr auf der Energie des Lebens. Jetzt ist es wichtig, am Brett zu stehen.«

»Binden wir den anderen mit John Fox einen Bären auf?«

»Nein, wir hängen ihnen einen Coyoten um. Meine Medizin wirkt auch, wenn man nicht alles weiß.«

Schnell las ich noch einige Aufgaben meiner Schüler. Die digitale Rechtschreibprüfung fiel verdammt gut aus, was mich riesig freute. Nur die individuelle Freischaltung der einzelnen Programme für jeden Schüler war etwas aufwändiger, als ich erwartet hatte.


»Die Situation wird noch verschärft, das kannst du mir glauben.«

»Ja, ich merk’s gerade.«

»Es wird eine kurze Zeit noch intensiver werden. Dann wieder leichter, bevor es sich erneut verschärft. Diese Wellenbewegungen dauern an.«

»Danke, sehr beruhigend.«

»Mach dir keine Sorgen, deinen Großeltern geht es bald besser.«

»Dein Wort in Gottes Ohr.«

Waren Old Man Coyotes Ohren plötzlich nach unten gebogen und setzte er einen Dackelblick auf? Wir spielten noch eine Runde Karten. Er wies mich darauf hin, dass ich meine Musikbox einschalten sollte.

»Nein, deine innere!«, brüllte er, als ich die Stereoanlage aufdrehen wollte.


»Noah, auf manchen spirituellen Wegen kühlt die innere Temperatur ab. Ist in Ordnung. Die Gefahr ist nur, dass man in Verstand und Kontrolle stecken bleibt und das Leben einfriert. Also, entscheide dich zwischen dem Weg des Kühlschranks und des Lagerfeuers.«

»Ich wähle die rote Pille, nicht die kühle blaue. Also, Lagerfeuer.«

»Gut gewählt, Noah. Folge dem weißen Kojoten. Es ist ein wegloser Weg. Das Thermometer geht dabei nach oben. Im Zentrum ist die Liebe. Ekstase erwartet dich. Ein Mix aus Tanzen, Singen, Lachen, Absurdität und Öffnung für den großen Raum.«

»Ein Thermo-Mix also.«

»Ja, aber ohne genaue Anleitung. Nichts ist programmiert. Einfach nur Kreativität. Es ist der Weg der Kreativität, Noah. Der Weg des freien Spiels der Spiritualität. Du bewegst dich weg von der Religion hin zur freien Spiritualität. Weg vom kühlen Norden, hin zum Sonnenaufgang des Ostens. Raus aus der Matrix, mitten hinein in die Freiheit des Lebens. Komm, wir ändern deine spirituelle Temperatur.«

Coyote schnipste mit seinen Fingern über meinem Scheitel. Energie brandete herein, ich nahm kurz alles verschwommen wahr. Mein Körper zitterte von innen und Glückseligkeit gluckste aus der Tiefe hinein bis in die letzte Zelle meines Körpers. Erst wurde mir warm. Dann heiß. Mein Herz loderte. Mein Gehirn glühte und meine Hände brannten wie Herdplatten. Ich tanzte und es tanzte mich. Coyote brüllte und sang, als gebe es kein Danach – und keine Nachbarn.

»So, und jetzt ab in deine Hundehütte.«

»Ich hab mir den Schleichweg über die Landstraßen noch gar nicht überlegt, Coyote.«

»Egal, wir brechen auf. Die Straßen werden sich schon unter deine Autoreifen rollen.«

Ich zog die Jacke über und wir sprangen die Stufen nach unten. Nachbar Josef entsorgte gerade Müll.

»Ah, der amerikanische Pädagoge. Lange ist es her … Wo waren Sie all die Jahre?«

»Ach, die Geschichte würden Sie mir nicht glauben. Aber duzen wir uns doch. Sonst fühl ich mich wie ein alter Mann.«

»Das sind Sie nicht, pardon, bist du nicht. Schau mich an, ich bin älter als du.«

Coyote lachte. »Das Alter ist nicht so wichtig. Ich bin John.«

»John Fox«, ergänzte ich.

»Und ich bin der Josef. Man wird einsam in diesen Zeiten.«

»Josef, genieß noch das Alleinsein. Ehrlich. Ich sag’s dir: Viele sehnen sich gerade nach den Älteren, den Großeltern. Besonders die kleinen Kinder. Menschen, die an den Rand gedrängt wurden, werden in Zukunft einen neuen Platz erhalten. Wart nur ab, Corona macht vieles sichtbar. Und das langfristig.«

Hatte Josef Tränen in den Augen?

»Josef, du warst übrigens ein fantastischer Lehrer!«

»Echt? Wieso weißt du das, John?«

»Ähm, ich hab meine Kanäle.« Coyote zwinkerte mir zu. Ich musste was Unverfängliches sagen.

»Also, ich hab viel, viel Gutes von dir gehört, Josef. Die Kinder liebten die Iglus, die du mit ihnen gebaut hast.«

»Danke, ihr habt meinen Tag gerettet.«

Wir stiegen in meine alte Karre und sausten los. Coyote saß hinten, damit niemand denken sollte, wir würden alle Regeln brechen.

Die Nacht hatte die Dämmerung als Boten vorausgeschickt, um zu testen, ob die Luft für die Dunkelheit schon rein war.


Ich fuhr nach Norden auf einer Feldstraße, die über eine Kuppe führte. Von dort konnte ich das Tal sehen, in dem mein Cousin wohnte. Ich parkte und wir stiegen aus, um den nächtlichen Blick ins Tal zu genießen.

Coyote wollte eine Zigarette paffen. Viel zu lange habe er nicht mehr geraucht, erklärte er mir. Das Inhalieren von verbranntem Salbei würde ihm schon gehörig auf die Nerven gehen. Mehr wollte er aber nicht preisgeben.

Ein Jogger mit Stirnlampe kam uns entgegen. Er fragte, warum ich meinen Opa um diese Uhrzeit quer durch die Geografie transportierte.

»Ich bin gefahren«, erklärte Coyote, »und wenn du noch mal Opa sagst, dann lauf ich mit dir. Pass übrigens auf deinen Opa auf, ruf ihn mal an. Er ist sehr einsam.«

Unter der Stirnlampe veränderte sich die Gesichtsfarbe. Der Mann machte kehrt und lief zurück. Hatte er Angst vor uns? Oder machte er sich auf den Weg zu seinem Großvater?

Coyote blies Ringe in die Luft und zeigte mir Beteigeuze am Firmament. »Er wird wieder heller. Schön für Orion. Aber das sind alles nur Erscheinungen der Zeit. Er wird sich wieder verdunkeln.«

Rehe galoppierten an uns vorbei. Ein Bock bellte. Weiter weg sahen wir einen Lichtkegel. Er kam von einem Geländewagen.

»Coyote, könnten wir bitte weiterfahren? Ich will keine Probleme bekommen.«

Zu spät. Ein Jäger stieg aus. »Was macht ihr hier?«

»Wir sind Naturliebhaber und genießen den wunderbaren Abend. Sehen Sie das Sternenzelt, die schweigenden Silhouetten der Bäume und Berge?«

»Ja, aber ihr verscheucht mir das Wild.«

»Da irren Sie, mein Lieber«, fuhr Coyote fort. »Es kam uns gerade entgegen auf der Flucht vor Ihrem Geländewagen. Sagen Sie: Lieben Sie Tiere? Sind Sie ein Heger und Pfleger oder wittere ich den Geruch des Todes mit meiner feinen Nase?«

»Was heißt lieben? Meine Tiere hier muss ich kontrollieren. Ohne uns Jäger wäre das Gleichgewicht gestört.«

»Nur, das sind nicht Ihre Tiere. Es sind auch nicht Ihre Bäume und auch nicht Ihre Sterne. Letzteres sollte sogar Ihnen klar sein.«

»Hör mal, alter Mann. Entweder du verschwindest jetzt mit dem Knaben oder ich zeige euch an. Tiere sind Tiere. Ich steh auf der Leiter der Evolution ganz oben. Deswegen bestimme ich auch. Macht euch die Erde untertan, steht schon in der Bibel. Vielleicht blättert ihr da mal nach, ihr Anarchisten. Außerdem, was treibt ihr euch während der Ausgangssperre hier draußen herum?«

Der Mann nahm sein Handy, aber der Akku war leer.

»Zu wenig Energie. Muss anstrengend sein, so isoliert zu sein«, meinte Coyote.

»Ich bin nicht isoliert!«

»Nur eine kleine Empfehlung. Ohne Verbindung wird der Akku leer. Sie sind ein Fremder hier in der Natur. Kein Einheimischer. Sie haben sich ausgeschlossen und sind nicht angeschlossen.«

»So, jetzt aber Schluss. Verschwindet. Auf der Stelle! Ich hab keine Zeit für diesen Quatsch.«

Wir stiegen ein. Coyote saß am Steuer, kurbelte das Fenster runter und rief dem Mann zu: »Schade, dass Ihr Vater für Sie nie Zeit hatte. Er hat alles, woran Sie glaubten, lächerlich gemacht. Sie hatten so schöne und hochfliegende Träume. Manches können Sie noch verwirklichen. Glauben Sie an sich.«

Dann gab Coyote Gas und wir rauschten davon. Im Rückspiegel sah ich den Mann stehen. Er blickte zum Himmel. Seine Umrisse verschwammen in der nächtlichen Landschaft. Die Kurven ins Tal nahm Coyote zu schnell. Viel zu schnell.

»Die Tiere sind sicher, Noah. Sie wissen von mir. Keine Angst. Wir sind in Kontakt. Auch du kannst sie in Zukunft innerlich warnen, wenn du auf der Strecke bist.«

Ich saß am Beifahrersitz, denn Coyote meinte, er würde mich hegen und pflegen, somit lebten wir in einem gemeinsamen Haushalt.

Der alte Trickster fuhr, so wie ich es ihm gesagt hatte, den nächsten Berg hoch. Bei Gerhards Haus bremste er scharf ab. Gerhard gab mir ein Päckchen und erklärte mir, wie Oma die Tabletten einnehmen sollte.

»Gut, dass du als Hausarzt onanierst, Gerhard. Pardon, ordinierst.«

Gerhard lächelte und verschwand in seinem Anwesen. Ich eilte zurück zum Auto. Coyote wendete und fuhr talwärts. Dann bremste er und wurde langsam.

»Polizei«, meinte er. »Sie suchen uns. Der Jäger macht Jagd auf uns.«

»Verräter«, rief ich. »Der ist echt mies.«

»Noah, horch. In Wahrheit werden die Verräter verraten. Die Zeit der geschmiedeten Ränke, der Intrigen und der Kabale, sie geht dem Ende zu. Auch wenn sie aus bestem Stahl geschmiedet sind. Das Schwert der Wahrheit wird das Rankengewirr durchschneiden, hinter der List und Tücke wohl gediehen. Das Tageslicht scheint hell und heller und das gemeine Volk wird taumelnd staunen.«

Coyote fuhr rechts ran, drehte das Licht meines Autos ab und schob dann bergauf im Dunklen zurück. Er wurde dabei immer schneller. Ich protestierte, aber er sagte nur: »Ich bin einer der besten Rückwärtsfahrer der Welt, ja, auf der gesamten Milchstraße.«

Feuer ins Herz

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