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BACH, BOSS UND RUDELDENKEN

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Als ich aufwachte, roch es nach frischem Kaffee. Coyote stand am offenen Fenster und bat mich, der Musik zu lauschen. Die Sonne war gerade über den ersten Bergkamm geklettert und die Vögel sangen.

»Und wieder rollt die Morgensymphonie unserer gefiederten Freunde rund um den Planeten, mit dem Sonnenlicht von Ost nach West. Sie verkünden täglich einen neuen, lichten Morgen.«

Ich machte meine gewohnten Aufwärm- und Atemübungen. Coyote empfahl mir, zwischen den Übungen einen freien, verrückten Tanz in mein Wohnzimmer zu holen. Dann schickte er mich raus, um durch die Natur zu laufen.

»Darf ich mit? Bin schon lange nicht mehr gelaufen.« Coyote legte seinen Hut ab und bat um Sportschuhe, kurze Hose und T-Shirt.

»Passt dir Schuhgröße 43?«

»Perfekt!«

Wir sausten die Treppe nach unten, rauf auf den Gehsteig und rüber in das Wäldchen. Coyote lief locker, mit ausholenden Schritten. Ich hoffte nur, dass uns kein Polizist sehen konnte. Den alten Trickster und mich.

Als der Pfad in eine Wiese mündete, rief uns eine Frau, die von einem belgischen Schäferhund und einem Rottweiler gezogen wurde, zu: »Keine Angst, sie tun nichts!«

Die Hunde bellten, zerrten die Dame hinter sich her, die ihr Gewicht in die Waagschale warf. Es half nichts. Ein Hund riss sich los und galoppierte auf uns zu.

»Meine Hunde sind sehr gut erzogen. Die tun niemanden was.« Das waren ihre letzten Worte, bevor sie stürzte. Der zweite Hund raste auf uns zu.

»Gnädige Frau, Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich beiße Ihre Hunde nicht«, erklärte Coyote sehr förmlich. Die beiden Vierbeiner hechelten neben mir und Coyote eilte zu der Frau, die, etwas übergewichtig, immer noch ausgestreckt am Boden liegend, die Kontrolle über ihr Leben verloren hatte.

»Darf ich Ihnen helfen«, fragte Coyote. Er sprach langsam und beruhigte die desorientiert wirkenden Hunde, die ihm gefolgt waren.

»Danke, ich stecke Sie nicht an. Ich habe kein Corona-Virus«, erklärte sie.

»Da bin ich mir ganz sicher. Sie hatten schon Ihre Hunde hervorragend im Griff. Wie sollten dann unzählige Viren Ihren Befehlen nicht gehorchen?«

Coyote klatschte in seine Hände, streckte sie der Frau entgegen und zog sie hoch. Die Hunde beäugten ihn misstrauisch, während die Frau auf sie einredete. Dann drehte sich sie sich wieder zu Coyote: »Danke, dass Sie mir geholfen haben. Ich bin gerade etwas überfordert. Mein Kreislauf ist nicht der beste, bin zuckerkrank und hab Probleme mit meinen Augen. Da wundert es mich nicht, dass ich bei Ihnen einen buschigen Schwanz am Hinterteil sehe.«

»Oh, Sie sehen gar nicht so schlecht. Aber Sie sollten etwas gesünder leben, liebe Frau. Die Gicht wartet bei Ihnen schon auf ihre Chance. Sie haben hübsche Hunde. Die brauchen nur etwas mehr Führung. Viel Freude noch mit den beiden und merken Sie sich: Sie sind der Boss, der Liebe gibt und klare Grenzen setzt.«

Die Frau bedankte sich herzlich. Coyote drehte sich um und rief: »Geben Sie das Rudeldenken auf. Sie sind auch allein stark.« Er steckte seinen Schweif wieder in die kurze Hose, sein Hinterteil wirkte so unnatürlich groß.

»Du hast einen Arsch wie halb Tirol, Coyote!«, rief ich ihm zu und lief davon.

»Mein Schwanz steht ab jetzt unter Quarantäne, Noah!«

»Diesen Zustand kenn ich«, meinte ein junger Jogger, der an uns vorbeisauste. Wir lachten und joggten weiter. Immer wieder wollte der buschige Schweif aus seiner Hose hüpfen. Der Anblick, wenn ich hinter ihm lief, war herrlich.

»Gute Schuhe, Noah. Nicht zu sehr gefedert. Man spürt noch den Boden«, bemerkte er, als wir dem Ende des Rundlaufes zustrebten. Die Sonnenstrahlen wärmten immer mehr, die Landschaft legte sich wie ein unebener Teppich unter unsere Füße, über den wir liefen.

Verschwitzt sprangen wir die Treppe im Wohnhaus hoch, als Josef seine Tür öffnete. Coyote lehnte sich gegen die Wand, damit man sein buschiges Teil nicht sehen konnte. Er sollte sowieso Abstand halten.

»Was hörst du hier, Josef? Sehr schön.«

»Die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach. Ich dirigiere dazu.«

Ich stieß Coyote in die Seite. »Siehst du, hier im Haus sind alle etwas verrückt.«

Er hob amüsiert die Augen.

»Übrigens: Was meint ihr?«, begann ich mit einem Kontrollblick in Richtung Coyotes Hose. »Woran glaubten die großen Komponisten, die geistliche Musik schrieben?«

»Es mag sein, dass nicht alle an Gott glaubten, an Bach glaubten sie alle«, erklärte Josef fröhlich. Dann verabschiedete er sich und eilte singend in den Kellerraum.

Feuer ins Herz

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