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STREIFE, SEIN UND BILSENKRAUT

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Als wir die Straße zur Wohnung einbiegen wollten, winkte uns die Polizeistreife an den Rand. Das dritte Mal in zwei Tagen. Ich konnte es nicht fassen.

»Zulassungsschein und Führerschein bitte!«

Coyote kramte im Handschuhfach und fand tatsächlich den Zulassungsschein des Autos.

»Passt, und wo ist Ihr Führerschein?«

»Der Schein des Führers?«

»Wie bitte?«

»Der Schein des Führers trügt, mein lieber Mann. Nur besteht noch Restgefahr, dass dieses System so richtig greift. Der Schein hat überlebt und kommt in neuem Gewand daher. Hübsch poliert und nett anzusehen. Die Oberfläche ist glatt, der Inhalt bitterbös und platt. Ich setze auf das Sein. Schein oder Sein, das ist die Weltenfrage.«

Der Polizist leuchtete mit der Taschenlampe in das Innere meines Autos. »Habt ihr etwas geraucht, verbotene Substanzen genommen?«

»Nein, weder Tollkirschen, Fliegenpilze noch Bilsenkraut, Sie spitzkegeliger Kahlkopf.«

»Alter Mann, reißen Sie sich am Riemen. Was machen Sie um diese Zeit? Sie sollten nur allernotwendigste Fahrten erledigen.«

»Ja, es war eine Dummheit von mir und gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Sie wissen schon. Ich war trunken von der Euphorie des Spirits, die in mir brannte und die mich zu dieser Fahrt hinreißen ließ.«

»Sie haben vor der Fahrt gebrannten Spiritus getrunken? Sagen Sie mal, Sie sind ja von allen guten Geistern verlassen.«

»Oh nein, keine Sorge, diese sind bei mir.«

»Da wäre ich mir nicht so sicher. Sie wissen, warum wir kontrollieren. Das Virus ist eine echte Gefahr. Und wir alle hier, wir machen das nicht gern. Wir haben Urlaubssperre seit Wochen und prüfen, ob die Gesetze eingehalten werden. Wir sorgen für Gerechtigkeit.«

»Mein lieber Mann, auch das Virus ist gerecht. Oder haben Sie gehört, dass es zwischen Religionen, Geschlechtern, bekannten und unbekannten Menschen, Herkunft und sexueller Orientierung unterscheidet?«

»Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen. Es gibt bei der Gerechtigkeit auch Ausnahmen. Sie gehören definitiv zur Risikogruppe.«

»Dann halten Sie mit Anstand Abstand von mir, mein Freund der Sonne. Sie werfen gerade Schatten.«

Ich schaltete mich ein. »Das ist mein Großonkel aus den USA.«

»Aha, der reiche Onkel aus Amerika. Den könnten Sie bald brauchen.«

»Nein, er ist nicht besonders reich – und irgendwie schon. Er ist Pädagoge, war hier auf Schiurlaub und ist gestrandet. Ich kümmere mich um ihn. Er war total isoliert, weil er keinen hier kennt. Ich muss ihn betreuen, den verrückten Autonarren. Ich wollte ihm die Chance geben, einmal mit meinem Auto zu fahren.«

»Wissen Sie was: Wechseln Sie schnell die Plätze, bevor ich meine Geduld verliere. Ich habe ein übergroßes Herz für alte Leute. Setzen Sie sich auf den Fahrersitz und bringen Sie Ihren durchgeknallten Großonkel möglichst schnell nach Hause.«


Als ich ausstieg, erkannte mich die Polizistin, die neben dem Polizeiauto gestanden war. »Sind Sie nicht Noah Breitenbach, der Lehrer unserer Tochter Sara?«

»Ja, sagen Sie Sara liebe Grüße von mir. Wie geht es ihr?«

»Sie vermisst Ihre Schulkollegen und manche Lehrer. Danke, dass Sie die Schule für Eltern wie uns geöffnet lassen. Wenn mein Mann als Pfleger den Dienst versieht, ist es wichtig, dass Sara betreut wird. Sie können übrigens Ihren Kollegen weiterleiten, dass sie bitte nicht das Jahrespensum in einem Schwung rausschicken. Sara meint, sie müsse bei einigen Lehrern mehr arbeiten als das ganze Jahr zuvor.«

»Ja, das geb ich weiter.«

»Wissen Sie was? Fahren Sie und kümmern Sie sich um Ihren Großonkel. Sara findet Ihre Unterrichtsstunden witzig und verrückt. Da klärt sich gerade was. Alles Gute und bleiben Sie zu Hause.«

»Ich danke Ihnen auch von Herzen!«, rief Coyote. »Und Sie junger Mann. Denken Sie nach, wem Sie in Zukunft dienen. Dem Sein der Sonne oder dem kleinen Schein Ihrer Taschenlampe.«

Der Polizist schüttelte resigniert den Kopf. Coyote öffnete das Fenster der Hintertür und rief noch: »Im wahren Zuhause ist man nicht isoliert, sondern allein. All-eins. Alone – all one. Verstehen Sie?«

»Coyote, österreichische Polizisten können schlecht Englisch. So geht das nicht. Komm, ich hab uns noch den Arsch gerettet. Das war arschknapp.«

»Welch derbe Sprache, Noah.« Coyote lachte.

»Du meintest ja immer, dass Shakespeare weit frivoler und derber war, als die Übersetzungen verraten würden. Außerdem hat unser Bundespräsident dieses Wort auch verwendet. Arschknapp hat somit etwas Präsidiales, fast Amtssprache.«

Ich lenkte in die Seitenstraße zu meiner Wohnung. Glück gehabt.

Feuer ins Herz

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