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WUHAN, GASTHÄUSER UND GOLDHAUBEN

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Nach der Dusche setzten wir uns zu Tisch, backten die selbstgemachten Weckerl von Franziska auf und gönnten uns dazu einen Kichererbsenaufstrich. Das Telefon läutete. Bert wollte mit uns reden.

»Alles gut gelaufen, Franziska?«

»Bert, ich bin’s, Noah. Sie ist gut gelaufen. Wir waren schon joggen.«

»Das ist großartig.«

»Du, weil wir gerade telefonieren: Möchtest du an einer Videokonferenz teilnehmen? Jetzt gleich? Ich hab eine Überraschung für dich. Hoffentlich stoßen noch weitere Freunde dazu.«

Bert war begeistert und sofort saßen wir vor unseren Laptops. Neben mir Franziska, an Berts Seite grinste Miriam.

»Sehr gute Idee, dass wir eine fast sichere Open-Source-Variante verwenden. Wie bist du auf das gekommen, Noah?«

Ich lächelte geheimnisvoll. »Das hat mit meiner Überraschung zu tun. Ich habe einen Stargast bei mir. Rate mal. Ein Gast, der Heilung bringt. Mehr will ich nicht verraten.«

»Der Gesundheitsminister?«

»Nein, denk größer.«

»Euer Bildungsminister?«

»Zu kurz gedacht.«

»Was? Der Bundeskanzler?«

»Kein Politiker.«

»Heidi Klum?«

»Scherzkeks. Sie heilt nicht, sie urteilt auf Kosten jener, die mit ihrem Selbstwert zahlen. Ein ungleiches Geschäft, so wie bei ihrem Geistesbruder Bohlen.«

»Da hast du recht. Die Welt braucht neue Vorbilder. Noah, ich komm nicht drauf.« Bert blickte gespannt. Plötzlich funkelten seine Augen. Als er Coyote sah, fasste er sich mit der Hand an die Lippen. Er schloss die Augen. »Coyoteeeeeee! Wie ich mich freue! Mein Gott, was für ein Wiedersehen! Wartet, ich muss kurz an die frische Luft. Bin gleich wieder da.«

Nach einer Minute war er wieder vor seinem Laptop. Miriam lächelte unentwegt.

»Seid gegrüßt, ihr beiden. Euer Herz erleuchtet hell die offenen Augen. Welch wundersamer Schimmer. Kein schmerzliches Zerwürfnis von Sein und Schein. Entzweiung bloß der Widerhall aus längst vergangenen Zeiten. Sein oder Nichtsein, das ist alleinig die Frage manch andrer Wesenheiten.« Coyote ließ einen gewaltigen Furz und lachte. Ein wenig war ich neidisch auf ihn, denn Franziska maßregelte ihn nicht.

»Coyote, die Welt steht in Flammen und du sitzt da und fabulierst. Herrlich.«

»Und flatulierst«, ergänzte ich.

»Das kannst du laut sagen«, erklärte Franziska.

»Was meint ihr? Übrigens, euer Bildschirm hat gerade gewackelt und die Kamera ist angelaufen. Ist die Verbindung nicht gut?«

»Doch, doch. Unser Wohnzimmer stand nur kurz in Flammen. Die olfaktorische Belastung hält sich aber in Grenzen.« Franziska blickte zu Coyote, der eine Unschuldsmiene aufsetzte.

»Ah, der Donnervogel. Der Phönix. Ich kann es nicht fassen! Ich spreche sofort eine Einladung an euch alle aus. Franziska kommt bald zu uns. Vielleicht wollt ihr uns alle besuchen?«

Ich erzählte von meinen drei Boxenstopps bei der Polizei. Sie kugelten sich.

»Wisst ihr, was dem Bärenwirt passiert ist? Er spielte in seinem Gasthaus, pardon Wirtshaus, mit Gästen am Tisch Karten. Jemand muss ihn verraten haben. Die Polizei löste die Veranstaltung auf und der Bärenwirt muss ein paar Tausend Euro blechen. Auch wenn er die Feinheit eines Metzgers hat, das Denunzieren ist gerade eine gefährliche Volkskrankheit.«

»Wie hat der Bärenwirt reagiert?«

»Er meinte, er würde den neuen Gesetzen mit dem Arsch ins Gesicht fahren.«

»Jetzt tun mir aber blöderweise die Gesetze leid«, befand Franziska.

»Ach Noah, kannst du nicht Rumis Gasthaus zitieren? Ich liebe es, wenn du es sprichst. Es öffnet jedes Mal sanft und tief mein Herz.«

»Gern, mein Schatz. Also.« Ich räusperte mich kurz.

»DAS LEBEN IST EIN GASTHAUS

Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus. Jeden Morgen ein neuer Gast. Freude, Depression und Niedertracht – auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommt als unverhoffter Besucher. Begrüße und bewirte sie alle! Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist, die gewaltsam dein Haus seiner Möbel entledigt, selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll. Vielleicht bereitet er dich vor auf neue Freuden. Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit – begegne ihnen lachend an der Tür und lade sie zu dir ein. Sei dankbar für jeden, der kommt, denn alle sind zu deiner Führung geschickt worden aus einer anderen Welt.«

Miriam und Bert klatschten, Franziska küsste mich. Ich räusperte mich verlegen.

»Warum beklatscht ihr das Glas, das euch das Wasser reicht und nicht das Wasser selbst?«

Coyote klatschte über meinem Kopf und eine Energiewelle erfasste mich.

»Rumi, eine liebende Rose ohne Dornen. Ein Tanz für die Ewigkeit«, sprach Coyote und fing an, sich zu drehen. Ein enormer Druck drohte meine Brust zu sprengen. Franziska hielt mich an der Hand, bis ich wieder klar sehen konnte. Miriam und Bert saßen noch vor ihrem Laptop. Mein Handy klingelte. Martin. »Machen wir eine Videokonferenz, Noah?«

»Sicher. Hol bitte auch Susi und schnallt euch an. Es gibt eine große Überraschung.«

»Welche Plattform, Noah? Ich hab die Videokonferenz mit SchoolFox ausprobiert.«

»Nein, wir verwenden eine Open-Source-Konferenzsoftware, die nicht heruntergeladen werden muss. Aber der SchoolFox wird euch gleich besuchen.«

»Wie bitte?«

Es dauerte nicht lange und Susi und Martin waren am Bildschirm zu erkennen.

Sie sahen aus wie Kinder, die aufs Christkind warteten.

»I proudly present here live on stage« – ich zeigte auf Coyote – »the one and only: John Fox!«

Susi und Martin hüpften auf ihrem Sofa und klatschten sich ab.

»John, du? Ach, das erhellt mein Leben. Darfst du überhaupt hier sein?«

Ich erklärte ihnen, dass John auf Urlaub in Österreich war und mich besuchte.

»Bleibst du hier? Die Situation in den USA sieht nicht rosig aus!«

Susi faltete aus Dankbarkeit immer wieder die Hände. Mich schmerzte es, dass ich mir eine Notlüge einfallen lassen musste. Aber es war besser, nicht die ganze Wahrheit über Coyote zu erzählen.

»Was sagst du, John? Ist eine verrückte Zeit. Über mir schweben mehr Fragezeichen als Antworten. Noah hat mir heute schon ein wenig in die Spur geholfen. Bist du erst jetzt gekommen? Mit dem Auto? Was denkst du, woher das Virus kommt?«

»Ich freu mich riesig, euch wieder zu sehen. Wir werden einen Weg finden, uns zu treffen. Mein Weg hierher? Erklär ich euch später. Nur, Martin, was brennt dir so in deiner Brust?«

»John, eine Gretchenfrage. Hoffentlich kommt sie nicht ungelegen. So viele Theorien kursieren zur Entstehung der Corona-Pandemie. Verschwurbelte, aber auch ernst zu nehmende Verschwörungstheorien. Was sagst du? Wie kam das Virus in die Welt? Übrigens, ich dachte kurz, du hättest einen Schweif …«

»Martin, du schweifst ab. Deine Gedanken wirbeln wild umher. Nur wisst ihr was? Erzählt mal alle eure Theorien zur Entstehung, Verbreitung und Bedeutung des Virus.«

»Na gut«, begann Miriam, »die offizielle Version ist, dass eine gestresste Fledermaus am Huanan seafood wholesale market in Wuhan das Virus auf Menschen übertrug. Eine Zoonose also. Eventuell könnte das vom Aussterben bedrohte Schuppentier, das skandalöserweise auf solchen Märkten tot und lebendig zu finden ist, ein Zwischenwirt gewesen sein. Die Übertragung durch Fledermäuse ist realistisch.«

»Vielleicht ist es einfach nur eine überfällige Pandemie? Alle hundert Jahre sucht uns eine Pandemie heim, ob Pest, Cholera oder spanische Grippe. Wobei, ich hab gehört, dass hier Pandemien unterschlagen wurden, um einen Hunderterrhythmus zu suggerieren«, ergänzte Susi.

Als Coyote zu wilderen Theorien aufforderte, ging’s richtig zur Sache. Martin hatte sich viele Informationen aus dem Internet gesogen. Auch Bert hatte sich seine Gedanken gemacht. Zuerst kamen wir auf das Wuhan Institute of Virology, das einzige der Schutzstufe 4 in China. Dort könnte mit Fledermausviren experimentiert worden sein, meinte Martin. Fledermäuse könnte man auch im Labor stressen, Viren wahrscheinlich verändern. Geld, viel Geld sei nach Wuhan geflossen, um Corona-Viren im Auftrag der USA zu erforschen. Die Militärweltspiele in Wuhan mit zehntausend Militärangehörigen aus über hundert Ländern Mitte Oktober, kurz vor dem Ausbruch, waren verdächtig. China als bewusster Verursacher war auch am Tablet. Das Reich im Fernen Osten könnte damit den Westen schwächen, der nicht so rigoros Grundrechte zur Eindämmung der Pandemie außer Kraft setzen kann. Nicht wenige Politiker würden deswegen neidvoll nach China blicken. Außerdem könnte China damit den ungeliebten Präsidenten Trump vom Thron stoßen. Vielleicht würde hier China sogar mit anderen Akteuren zusammenarbeiten. Das bewusste Runterfahren der Weltwirtschaft, Big-Data-Programme, Beschneidung der Demokratie und Grundrechte, Überwachung, Polizeistaat, Matrix, Aldous Huxleys Schöne neue Welt und die Pharmaindustrie standen zur Diskussion.

Martin verwies auf Crimson Contagion, eine Übung des US-Health-Department im vergangenen August, das von einem Grippevirus mit Ursprung China ausging. Er kam richtig in Fahrt, sprach von Bill Gates und seinen Reden auf TED-Talk, über Lockdowns und Pandemien und der weltweiten Impfagenda. Als die Militärweltspiele in Wuhan stattfanden, hätte die Gates-Stiftung mit dem Weltwirtschaftsforum und dem Johns Hopkins Center zu Übungszwecken ein Pandemie-Szenario simuliert. Bei diesem Event 201 im Oktober 2019 ging man von einem Corona-Virus aus. Bei der Simulationsübung waren Vertreter der CIA, des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention, der US-Pharma- und Medienkonzerne und viele weitere Player geladen.

»Vielleicht hat Bill Gates feuchte Träume, wenn er jeden menschlichen Körper spritzen will. Er ist ein mächtiger Sponsor der WHO. Sorry, für diese verbale Entgleisung.«

Bert verglich Gates mit einem modernen Kolumbus, der sich in einer göttlichen Mission wähnte, die ihm unfassbar viel Gold einbringen würde.

»Stimmt Bert«, gab Martin zur Antwort, »er sieht den Durchschnittsmenschen wie Kolumbus die damaligen Ureinwohner. Naive, dümmliche Wesen, die zu persönlichem Reichtum und Ruhm führen. Er will die Eroberung des menschlichen Körpers und ich denke, er ist neben seinem Drang zum Geld auch überzeugt davon. Die Menschen werden um eine Impfung betteln, weil sie keine andere Lösung sehen, um der Pandemie zu entkommen.«

Martin sprach von einem Papier der Rockefeller Foundation über Szenarien der Zukunftstechnologie und internationaler Entwicklung. Obwohl es 2010 entworfen wurde, war es erschreckend aktuell. Der weltweite Umgang mit der Pandemie schien ähnlich den beschriebenen Szenarien der Stiftung.

»John D. Rockefeller hat 1916 mit seiner Foundation die Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health finanziert. Heute liefert diese mit dem Covid-19-Dashboard der gesamten Welt die Daten über Corona-Todesfälle und Infektionen und wird von Bloomberg subventioniert. Die Gates-Stiftung ist neben Bloomberg derzeit der größte Sponsor der Johns Hopkins University

Als er jedoch meinte, Trump würde eventuell die Situation durchblicken, wurde es Franziska zu viel.

»Kann es nicht ein Sicherheitsleck in Wuhan gewesen sein? Vielleicht hat sich bei Experimenten ein Wissenschaftler angesteckt? Im Labor gibt es ein Fledermausforschungsprogramm. Sie haben die größte Datenbank der Welt mit Fledermausviren. Eine ungewöhnliche Frau namens Professor Shi alias Batwoman hat sie angelegt. Ich glaub, es war ein Unfall. Fledermäuse in Gefangenschaft sind sicher hochgradig gestresst. Nur, wer weiß. Eine Zoonose könnte im Wildtiermarkt nebenan passiert sein. Letztendlich sind alle Gründe eine Katastrophe und unsere Zerstörung von Lebensräumen werden Zoonosen in Zukunft noch begünstigen.«

»Ja, entweder ein gestresstes Wildtier oder ein gestresster Vollarsch ist verantwortlich«, erklärte Susi.

»Herzlichen Dank für diese pandemische Plauderei, liebe Corona-Gäste! Beim Übersprung von Wildtieren sprechen wir von Zoonosen, bei Ärschen von Ponosen. Bevor wir weiter überlegen: Martin, nicht alles ist eine Verschwörung und nicht jede Verschwörung ist nichts!«

Dann richtete sich Coyote auf, zupfte an seinem Hut und begann mit großer Geste eine Rede:

»Also – waren es gestresste Fledermäuse,

transatlantische Halunken,

chinesische Getreideblattläuse,

eine Verschwörung der Dunklen?

Die Post von Mutter Erde?

Plutos stirb und werde?

Ein Zauberlehrling im Labor?

Oh – welch armer Tor.

Sind es geopolitische Ränke,

die Russen, die Triaden, wieder mal die Briten?

Oder gar die wild gewordenen Eliten?

Ich weiß nicht, ob ich noch richtig denke.

Vielleicht ist’s ja der ewige Krieg der Amerikaner,

die Rache der Indianer,

oder waren’s die Rächer der Enterbten

an den dunklen Weggefährten?

Waren es gar die Rosenzüchter oder die Rosenkreuzer,

außerirdische Oberschnäuzer,

Riesenkonzerne oder andere Wappler,

Freimaurer oder gekränkte Hochstapler?

Vielleicht der Aufstand der Seerosengießer,

der Beckenrandschwimmer, der Spießer,

der Warmduscher, Leisefurzer, mit dem Winde Pisser,

der Brusthaarentferner, Gehsteigscheißer und Nutznießer?

Aber ich verrat’s euch – es sind die Bauchtanzgruppe und die Goldhaubenfrauen,

die an der weiblichen Zukunft bauen.

Die goldene Krone geöffnet am Scheitel,

verbunden mit dem Leben – so uneitel.

Sie sind am Ball –

Ach Martin, das Böse ist immer und überall

Es war still im Raum, für eine Sekunde Ewigkeit. Dann brandete Applaus über die Bildschirme. Bert und Miriam lachten, Franziska öffnete eine Flasche Wein und Susi drückte Martin, der zwischen Gelächter und Nachdenklichkeit schwankte.

Feuer ins Herz

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