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7. KAPITEL

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Die Reise Konrads zur Insel Andia und damit, wie es schien, zum ewigen Leben, zum ewigen Glück und zur Herrschaft über die Welt wurde sorgfältig vorbereitet. Ein Ochse wurde geschlachtet; seine frisch abgezogene Haut wurde gereinigt, gründlich zusammengenäht und fest mit Stroh und Heu ausgestopft. Der Balg wurde auf den höchsten Gipfel des Gebirges geschleppt, dort legte man ihn als Köder für den Vogel Greif aus. Konrad kroch, nachdem er sich mit vielen Küssen und Zärtlichkeiten von Vladana und mit einem kräftigen Handschlag von Onkel Wodnik verabschiedet hatte, in den freigelassenen Hohlraum des Ochsenbauchs, begleitet von Schwert und Schild, Pfeil und Bogen, einem Sack mit Proviant und den Glückwünschen der Zurückbleibenden. Onkel Wodnik verschloss das Versteck von außen mit einer festen Naht, nachdem er dem Eingeschlossenen noch schnell die beiden Lederschuhe, bei deren Anfertigung ihn Konrad am ersten Tag ihrer Begegnung am Burgtor getroffen hatte, nachgeschoben hatte. Konrad wollte wissen, wofür er dieses zusätzuliche Gepäck mitnehmen solle, doch der Onkel murmelte nur etwas davon, dass man gewissen Dingen keinen Namen geben dürfe, um nicht dadurch ihre Zauberkraft zu zerstören. Konrad verstand den geheimnisvollen Sinn dieser Worte nicht, doch behielt er das Geschenk in seinem Gepäck, obwohl ihn dessen Geruch stark an das unappetitliche Zaubergebräu des Onkels erinnerte und ihn fast bis zum Erbrechen würgte. Er tat es dem hilfreichen Onkel zuliebe, der in den Ausdrücken höchster Entschiedenheit auf der Mitnahme der beiden Lederschuhe b estand. Wodnik zeigte sich darüber sehr zufrieden und nähte darauf erleichtert das letzte Loch in der Bauchdecke des Ochsen zu.

Die hochgespannten Erwartungen Konrads und Vladanas wurden zunächst kräftig enttäuscht und auf eine harte Geduldsprobe gestellt. In der ersten Nacht geschah nichts. Kein Vogel Greif, der in sausendem Sturzflug die vermeintliche Beute ergriff und mit gewaltigen Schwingen zur Insel Andia fortschleppte. Als der nächste Morgen graute, steckte Konrad an gleicher Stelle in dem zähen Käfig, und die aufgehende Sonne ließ ihn darin wie in einer Ofenröhre schwitzen. Zum Glück wurde er bald durch Vladana und Onkel Wodnik, die es in aller Frühe zum Schauplatz ihrer Hoffnungen trieb, befreit. Er spukte Heu und Stroh, drehte sich mit steifen Gliedern aus der Ochsenhaut, rieb sich die unausgeschlafenen, heißen Augen, versuchte sich durch verschiedene Bewegungen gelenkig zu machen und vermaledeite den blöden Vogel Greif, der ihm nicht hatte die Ehre erweisen wollen, ihn, wie vorgesehen, abzuholen und nach dem gewünschten Ziel fortzuschleppen. Zum Glück hatte Vladana ein paar Erfrischungen dabei, mit deren Hilfe die Laune Konrads aufgehellt und ein wenig verbessert werden konnte. Man kehrte zur Burg zurück, von Onkel Wodnik fürsorglich darauf vorbereitet, dass dieser unbequeme und anstrengende Vorgang des nächtlichen Wartens möglicherweise noch ein paar Mal wiederholt werden müsse.

Es kam, wie der Onkel befürchtet hatte. Die Nachtflüge des Vogels Greif schienen nicht über das Gebirge und den ausgelegten Ochsen zu führen. In der zweiten Nacht ereignete sich nichts, nichts in der dritten, der vierten und den folgenden Nächten. Außer einem Wolf, der an den weggestreckten Beinen des Balges ein karges Mahl zu gewinnen suchte, erschien niemand. Abend für Abend bezog Konrad sein enges Quartier, um sich morgens von seiner Frau daraus befreien, auf die Waldburg zurückbringen und dort verwöhnen zu lassen. Onkel Wodnik pries die Tugend der Geduld. Zuletzt schlief Konrad sogar einigermaßen gut in seiner Ochsenhaut.

Eine Änderung dieser ständigen Vergeblichkeit trat in der einundzwanzigsten Nacht ein. Es herrschte Vollmond, so prächtig und hell, als habe sich die Nacht selbst wie ein Vogel auf die Lauer gelegt, um mit riesigem Auge die Erde auszuspähen. Konrad war, inzwischen der Macht der Gewohnheit folgend, bereits eingeschlafen, als ihn ein gewitterähnliches Rauschen, ein scharfer, triumphierender Schrei, gefolgt von ohrenbetäubendem Gezeter aus dem Schlaf riss, Schon fühlte er sich durch einen furchtbaren Zugriff so insHeu und Stroh des ausgestopften Ochsen gepresst, dass ihm fast der Atem wegblieb. Mit einem jähen Ruck wurde er von Lagerplatz weggehoben.

Wie lange er sich in den Fängen des Greifen befand, Konradt wusste es nicht festzustellen. Das einer Meeresdünung ähnlich Auf- und Niederschwingen des Fluges schläferte ihn ein. Trotz seiner aufregenden, gefährlichen Lage und eines fortwährenden wilden Gebrülls und bedrohlichem Gebrumms in seiner Nähe, das ihn an die Schmerzenslaute verwundeter Bären erinnerte, schlief er ein.

Ein unsanfter Stoß weckte ihn aus dem Schlummer. Der quetschende Druck des Greifenfangs war verschwunden, das wiegende Schaukeln des Flugs hatte aufgehört. Konrad war sofort hellwach. Jetzt galt es. Das Ziel der Reise, die Insel Andia, war erreicht; nun musste er handeln. Schnell schlitzte er die Ochsenhaut auf, schob sie auseinander und spähte hinaus. Das Bild, das sich seinen Blicken bot, hätte manchem tapferen Mann das Blut in den Adern gerinnen lassen. Auf einer riesigen runden Scheibe aus zusammengeschobenen und ineinandergeflochtenen Bäumen hockten zwei krähenartige schwarze, ungeheuer große Vogeljunge. Mit hungrigem Gekrächze und gierigem Schnabelklappern fielen die beiden über einen Bären her, der im anderen Fang des Altvogels zur Atzung der Jungen mitgeschleppt worden war. Der Bär war bestrebt, in das schützende Gewirr der Bäume und Äste zu entwischen. Es gelang ihm nicht. Die beiden Greifenjungen achteten darauf, dass der davonkletternde Bär ihren langen, lanzenähnlichen Schnäbeln nicht entkam. Sie hackten und stachen auf das schreiende, zähnefletschende Tier ein, rissen es an den Beinen, schleuderten es in die Höhe, fingen es wieder auf und spielten auf grausame Weise mit ihm.

Konrad zögerte nicht, diesen günstigen Umstand zu nutzen. Er befreite sich vollends aus dem Ochsenbauch und turnte behutsam am Rand des groben Nestes hinunter, darauf bedacht, sich zwischen den turmhohen Tannen und uralten sperrigen Eichen erst einmal vor den fürchterlichen Schnäbeln der jungen Greife in Sicherheit zu bringen. Die Flucht gelang. Zwar erspähte der eine der beiden Jungvögel seine Bewegung, hüpfte mit lautem Trompeten herzu, äugte, nach Art der Vögel den Kopf schiefgestellt, aufmerksam in das Gewirr der übereinandergelagerten Baumstämme und Äste und stocherte mit langem Schnabel dem Fliehenden hinterher, doch Konrad war in dem mit weißem und übelstinkendem Vogelkot beschmierten Nestrand nicht mehr zu fassen. Obwohl in Sicherheit, hielt es Konrad doch für geraten, sich auf der felsigen Auflage des Nestes in einer Kluft zu verbergen. Erst mit dem Anbruch der Nacht und im Schutze der Dunkelheit setzte er, die ganze Wachsamkeit, Augen und Ohren auf einen plötzlichen Anflug der Altgreife gerichtet, die Flucht fort. Von der Höhe des Horstes stieg er ins ebene Land hinab und marschierte so lange in dieses hinaus, bis ein Wald ihn aufnahm und sein Dach schützend geggen alle Überraschungen aus der Luft über ihn spannte.

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