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11. KAPITEL
ОглавлениеIn der Nacht blieb es ruhig. Konrad, der Wache bezog, konnte das helle Auge des Mondes für sich spähen lassen; nichts, was sich verdächtig bewegte. Vom Himmel stachen die Sterne in eisiger Schärfe hernieder. Nachdem Konrad nach Stunden des Ausharrens und der Ruhe zu der Überzeugung gelangt war, die Nacht sei auch für die Seltschanen zu kalt und es werde sich nichts Ungewöhnliches ereignen, zog er sich von der ungemütlichen Wacht ins Innere zurück, wo er in den Pelzen der getöteten Seltschanen und vor dem glimmenden Kamin einen wärmeren Platz zum Übernachten fand. Bodo, der Schmied, phantasierte im Fieber seiner Wunde.
Wie überrascht war Konrad, als er am Morgen des nächsten Tages den Burghof mit hölzernen Palisaden abgeriegelt fand, hinter denen Reisigbündel und Holz hochgeschichtet waren und die gegen die Pforte des Herrensaales vorgeschoben wurden. Die Seltschanen waren doch nicht, obwohl von ihren Misserfolgen verschreckt und eingeschüchtert, untätig geblieben; sie hatten die Erschöpfung ihres Gegners ausgenützt und ihn mit einem hölzernen Wall eingekerkert. Durch die Palisaden geschützt, waren sie Konrads direktem Angriff entzogen und konnten ungehindert an der Verwirklichung eines Planes arbeiten, dessen Absicht Konrad nur zu schnell klar wurde. Die innere Burg sollte niedergebrannt werden, um damit auch deren Insassen zu vernichten.
Es drohte ernste Gefahr. Konrad, der dem Verschieben der Palisaden tatenlos zusehen musste, konnte kein Schlupfloch entdecken, durch welches er und Bodo, der Schmied, hätten entweichen können. Es blieb ihm und seinem Gefolgsmann nichts Anderes übrig, als auszuharren und abzuwarten. Schon kräuselten graue und schwarze Rauchfäden in die winterliche Luft des Burghofes empor und verkündeten den Beginn der heißesten Phase des Kampfers.
Das Feuer, das an der Pforte und den Wänden des Herrensaales mit roten und gelben Zungen hochleckte, griff mit seiner Glut bald nach den beiden an der gegenseitigen Wand Ausharrenden und nahm ihnen mit Rauch und Hitze den Atem. Schon loderte die Innenseite des Gebäudes, schon ließen die Flammen das stroh- und schilfgedeckte Dach in einem knisternden Funkenregen hochgehen. In das niederprasselnde Bauwerk, geworfen von eifrigen Seltschanenfäusten, flogen, feurigen Vögeln gleich, von draußen brennende Reigisbündel und Strohpuppen herein, das Werk des Rauches zu beschleunigen und zu vollenden. Sie engten den feuerfreien Kreis des Herrensaales weiter ein.
Es war abzusehen, dass sich Konrad und sein durch das Feuer verstärkt leidender Kampfgefährte nicht mehr lange im Herrenhaus halten konnten. Die Hitze begann sie an den Augenbrauen zu zupfen und ihnen die Haut aufzureiben. Ein Ausweg musste gefunden werden; sie mussten, koste es, was es wolle, aus der glühenden Falle heraus. Konrad bereitete eben den Durchbruch nach draußen vor, eine Verzweiflungstat, als eine jähe und überraschende Wende der Dinge eintrat. Unter der dicken Holzschwarte eines Tisches, geschützt gegen niederbrechendes Gebälk und den Flammen- und Funkenregen, wollte Konrad mit seinem verwundeten Begleiter einen Ausbruch nach draußen wagen, schon hatten die beiden eine schwere Platte auf ihre gekrümmten Rücken gehievt und wollten eben mit dem Anlauf gegen die Feuerwand beginnen, als prasselnd die Vorderseite des Herrenhauses zusammenbrach, als sei sie von einem gewaltigen Fuß eingetreten worden. Das lodernde Dachgebälk flog weg, als sei es mit grobem Griff weggerissen worden. Rauch und Hitze waren plötzlich wie weggeblasen und die Glut wurde unerwartet erstickt. Was war geschehen?
Die Seltschanen glaubten angesichts der lodernden Burg schon, über ihren so unbesieglich scheinenden Gegner triumphieren zu können, als sich plötzlich düstere, schwere Nebelschwaden aus der Flußaue auftürmten und wie eine unheimliche Riesenschlange auf Wesamin zukrochen. Die Sonne wurde verschluckt, den Dingen wurde Glanz und Farbe und jeder scharfe Umriss genommen. Und in den Nebeln war es, als zöge eine Schar Riesen einher, die die Flammen der Burggebäude mit ungeheueren Tritten auseinander schleuderten und die mit feuchten Griffen die Flammen, die glut und die Hitze fassten und zischend erstickten. Wilde Ungeheuer krochen aus den hin- und herdrängenden Nebeln hervor. Ein turmhoher Bär tappte über die vor Entsetzen und Schrecken gelähmten Seltschanen herein, ein Riese mit schlangenartigem Haupt folgte ihm. Furchtbare graue Wölfe, auf Läufen, so hoch wie die höchsten Tannen im Wald, hechelten geifernd herzu und bleckten die tödlichen Zähne, Drachen und Riesengewürm wälzte sich massig über aue und Hang. Eine wüste Schar überschwemmte Wesamin, und erbarmungslos wurde niedergetreten, zusammengestampft und in Stücke gerissen, wer diesen Ungeheuern in den verderblichen Weg geriet. Die Schreie der Entsetzten und Fassungslosen mischten sich mit denen der Getroffenen und Erfassten. Das alles währte nur Augenblicke. Schon hoben sich die Nebel wieder, die Sonne drang wie ein Auge, dessen Lid sich nach schrecklichem Traum hebt, wieder durch und beleuchtete einen Ort schrecklicher Verwüstung und eine Spur grauenvoller Zerstörung.
„Das waren die Choden", meinte Konrad zu seinem Gefährten, indem er für ihn und sich selbst einen Weg aus dem niedergebrannten und dampfenden Herrenhaus suchte.."Gut, dass sie gekommen sind. Es war höchste Zeit."
Alle Brände der inneren Burg waren erloschen. Das raubtierartige Flackern und Springen des Feuers war verschwunden, nirgends kletterten noch Flammen mit ihren gelben und roten Krallen die Wände hinauf und die Dachfirste entlang. Zwar rauchte und glomm es noch in den Balken und Wänden, schmorten und qualmten Reisigbündel und Strohpuppen, doch das böse Funkeln der Brände war erloschen. Die Farbe schwarz herrschte. Wo eben noch Hitze erbarmungslos nach den Lebenden gegriffen hatte, kroch nun schon wieder winterliche Kälte hinzu. Es war still. Vereinzelt knackten und knallten noch Hölzer, knisterte es matt und pfiff es in der Asche, doch der Eindruck einer gespenstischen Beruhigung konnte dadurch nicht mehr gestört werden.
Der Verwüstung des Herrenhauses entsprach die Verwüstung des Burghofes und der äußeren Burg. Als Konrad, seinen getreuen, doch schwer verwundeten Gefolgsmann stützend, mit langsamen Schritten die obere Burg verließ, wurde ihm das ganze Ausmaß der Verwüstung und Zerstörung sichtbar. Ganz Wesamin war betroffen. Leichen lagen überall hingestreckt und schrien aus erstarrten Mündern ihr Entsetzen und ihre Angst gegggen den kalten Winterhimmel. Häuser und Schuppen waren eingedrückt und dem Erdboden gleichgemacht, Wälle und Wehrtürme wie von einer Lawine umgewalzt. Die choden hatten ganze Arbeit geleistet, die Spur ihres Eingreifens ging wie eine Sturmschneise über Berg und Burg. Nur was abseits lag, war nicht von den Nebelungeheuern getroffen worden. Hier gab es noch Leben. Kinder plärrten, Vieh brüllte, Verwundete stöhnten und riefen um Hilfe. Da suchte eine Mutter nach ihrem Kleinen, dort beugte sich ein Greis über einen Liegenden, half ein Mann einem verletzten Freund. Hunde und Katzen kamen verstört aus ihren Schlupfwinkeln.
Konrad suchte dem verwundeten Schmied in einer der unzerstörten Hütten eine Bleibe, bettete ihm dort ein Lager auf und befahl der Seltschanin, die mit ängstlicher Miene aus einer Kammer hervorkroch, die Pflege und Versorgung des Verletzten. Aus dem Stall zog er ein Pferd, sattelte es und zäumte es auf und ritt, da ihm niemand, auch am unteren Burgtor nicht, hinderlich in den Weg trat, zum Fluss hinunter, überquerte diesen und gelangte binnen kurzem in den Wald hinüber, in welchem sich die Schar seiner zurückgelassenen Leute versteckte. Wie groß war der Jubel, als Konrad vom siegreichen Kampf gegen die Seltschanen, von der Bestrafung der Räuber und der Fülle der vorgefundenen Nahrungsmittel berichtete. Man packte zusammen und brach nach Wesamin auf, ein Zug zerlumpter, hohläugiger Gestalten, dem die Aussicht auf eine kräftige Mahlzeit und ein warmes Quartier die Schritte beflügelte. Dann auf der Burg, verteilte man sich, stellte Wachen aus, suchte Quartier für die nächste Nacht und
bereitete sich endlich ein kräftiges Mahl. Am nächsten Morgen belud man die Schlitten, häufte Getreide, geräuchertes Fleisch, Käse und sonstige Vorräte zusammen, spannte Ochsen vor die Kufen und brach, sobald man genug hatte, zum Heimweg auf. Konrad blieb mit drei Leuten auf Wesamin zurück.
Die Kunde vom Tod Lechos und seines Sohnes und von der Zerstörung Wesamins verbreitete sich in Windeseile unter den rings um den Herrenort ansässigen Seltschanen. Täglich trafen Männer am Fluss und vor der Burg ein. Sie traten einzeln aus den Wäldern oder sie marschierten in Gruppen das Tal herauf, sie kamen zu Pferd und sie kamen zu Fuß. Alle in Waffen. In ihrem Gesichtern mischte sich ungläubiges Entsetzen mit Trotz und Unsicherheit, mit Hilf- und Ratlosigkeit. Man stand zusammen, rätselte mit gedämpfter Stimme über Umstände und Vorgänge der Katastrophe und gab sich Zorn und Trauer hin. Niemand wusste weiter. Es wurde Zeit, dass Konrad sich des verwaisten Volkes annahm und ihm Ordnung und Führung zurückgab, ehe sich die ansammelnde Menge heiß rieb und einen neuen Brand, der nur weiteres Unglück und Sterben bringen konnte, entzündete. Konrad hieß die Versammelten einen Ältestenrat wählen; mit diesem wollte er die Zukunft und die Führung der Seltschanen regeln. Es kamen zwei Dutzend ergrauter Männer.
Konrad empfing die Abgesandten im ausgebrannten Herrensaal. Zwar hatte man aus diesem die Toten längst weggetragen, Asche und Schutt ausgeräumt, doch waren die Spuren des Kampfes überall sichtbar geblieben. Durch das weggebrannte Dach gab die winterliche Sonne dem Raum nicht nur ungewohnte Helligkeit, sie wies zugleich auf die schwarzverkohlten Wände und zusammengeschmorten Holzbalken und sie beleuchtete mahnend die eingetrockneten Blutflecken auf dem Estrich. In der ungeschützten Ruine war es empfindlich kalt, und wer ohne Pelz erschienen war, dem wurde die Zeit bald lang. Konrad wünschte kein ausgedehntes Palaver. Seine drei Gefolgsleute zur Seite, erwartete er den Ältestenrat der Seltschanen auf dem Sitz Lechos. Er hieß die Männer, die sich nur zögernd und unschlüssig näherten, herantreten und kam ohne Umschweife, verbindlich, doch bestimmt, zur Sache.
„Es ist", so hob er mit der Ansprache an die seltschanischen Vertreter an", viel Unglück geschehen. Wer den Frieden bricht, muss den Krieg fürchten. Meinem Volk ist von den Seltschanen Unrecht geschehen. Wir haben es gerächt. Lecho ist tot, durch eigene Schuld. Mein Volk, das in Hunger und Not verzweifelte und welches fürchten musste, den Winter nicht zu überstehen, hat wieder zu essen. Ich habe euch zusammenrufen lassen, um den Zwist zu beenden und den Frieden für die Zukunft zu sichern. Dazu halte ich es für notwendig, Ordnung und Ruhe im seltschanischen Volk selbst zu bewahren und es nicht ohne einen würdigen Führer zurückzulassen. Es soll euere Aufgabe sein, diesen Führer zu bestimmen. Ist das geschehen, so sollt ihr mit ihm hierher kommen und gemeinsam einen Eid auf den Frieden leisten. Das Unrecht, das meinem Volk und mir durch Lecho widerfahren ist, darf sich nicht wiederholen. Ist der Frieden beschworen, kann jeder ziehen, wohin ihm der Sinn steht. Das seltschanische Volk mag in Frieden und nach den Sitten seiner Ahnen über sein weiteres Leben selbst befinden. Wir hoffen allerdings, dass es das Schwert nicht noch ein zweites Mal gegen uns erhebt, aus Rache oder aus Vergeltungssucht oder aus Übermut. Sollte das dennoch geschehen, so hat es unsere Geduld und Nachsicht verwirkt. Wir werden es dann hart bestrafen."
Konrad machte an dieser Stelle seiner Rede eine bedeutungsvolle Pause und blickte jeden einzelnen der seltschanischen Ältesten ernst und energisch an. Die Männer senkten die Augen. Konrad fuhr fort.
„Ich sage noch etwas. Das Volk im Wald, mein Volk, ist arm; das Volk der Ebene ist reich. Nach dem Schaden, der uns zugefügt wurde, erscheint es uns billig, dass die Reichen den Armen Hilfe zukommen lassen und von dem Überfluss, der ihnen jährlich von ihrem fruchtbaren Land zuwächst, abgeben. Es wird festgesetzt, dass die Seltschanen zehn Ochsen, zwanzig Schafe und hundert Scheffel Korn von den Früchten ihrer Herden und Äcker an uns senden."
Hatten die Ältesten der Seltschanen bisher schweigend zugehört, so brodelte es nach dieser Mitteilung unter ihnen wie in einem Kessel, in welchem Wasser zu sieden beginnt. Aus der hintersten Reihe sprang ein Seltschane empört vor und schrie aufgebracht: „Noch tragen wir Waffen und haben Fäuste, uns gegen alle Zumutungen zu wehren!"
Und sein Nachbar ergänzte ebenso zornig: „Wir sollen wohl verhungern! Ihr redet, als sei das Volk der Seltschanen schon unterworfen. Wir sind niemandes Knechte und wollen es nicht werden!"
Da war Konrad mit einem Ruck auf den Beinen und scharf donnerte er die beiden Zwischenrufer an. „Haben wir die Seltschanen oder haben die Seltschanen uns überfallen? Haben wir ihre Hütten oder sie die unsrigen niedergebrannt? Haben wir ihr Vieh oder sie das unsrige fortgetrieben? Wir ihr Korn gestohlen oder sie das unsrige? Wenn ihr die Sprache des Friedens nicht hören wollt, müsst ihr die Schneide des Krieges spüren. Es sei, wie ihr wollt! Ihr habt recht! Noch haben die Seltschanen zu wenige ihrer Männer verloren. Kämpfen wir also weiter!"
„Ja, kämpfen wir!" erhitzten sich die beiden Heißsporne weiter und schüttelten ihre geballten Fäuste gegen Konrad. „Kämpfen wir! Besser tot, als hörig!" Und zu den Seltschanen gewendet, fuhren die beiden Hitzköpfe fort: „Freunde! Seltschanen! Was zögern wir! Habt ihr nicht vernommen, was uns zugemutet werden soll? Haben die Seltschanen keine Ehre im Leib, dass sie sich so etwas bieten lassen? Wir wollen diesem dahergelaufenen Fremdling zeigen, mit wem er es zu tun hat!"
„Einen Augenblick fühlte sich Konrad versucht, einen groben Keil auf diese groben Klötze zu setzen, das Schwert herauszureißen, die Herausforderung anzunehmen und gleich vor Ort zu regeln. Doch er besann sich, bewahrte kaltes Blut und wandte sich den anderen, bislang schweigenden Seltschanen zu.
„Ist das die Meinung auch der anderen Anwesenden", fragte er gelassen, ohne die beiden Rebellen weiter zu beachten. „Sprechen die beiden für alle oder nur für sich? Wollen die Seltschanen den Kampf wirklich fortsetzen?"
Die Antwort auf dieses Fragen kam von einem greisen Seltschanen, der, mit zahnlosem Mund, aber geradem Rücken und fester Haltung und mit bedächtiger Rede erwiderte.
„Entschuldigt diese unbedachten Worte, Herr", begann er mit der Würde eines Mannes, der sich auch im Unglück seines Wertes bewusst ist. „Miko und Otlo reden unvernünftig wie Kinder, und sie sprechen keineswegs für das seltschanische Volk. Ihr dürft nicht auf sie hören, Herr."
Der Alte wendete sich nach dieser Entschuldigung seinen Gefährten zu. Er hob, jetzt im Zorn, die Hände und herrschte die beiden Hitzköpfe an. „Wie könnt ihr es wagen, Miko und Otlo, in dieser schweren Stunde unseres Volkes so unverantwortlich zu denken und zu reden! Habt ihr keine Augen im Kopf? Könnt ihr nicht über die Spitze eueres Schwertes hinaussehen? Blickt euch um! Da! Seht ihr nicht die schwarzen Überreste von Lechos Saal? Seht ihr nicht die Farbe des eingetrockneten Bluts auf dem Boden hier? Wie könnt ihr an Kampf denken, wo Lecho, wo Witizla und die Besten unseres Volkes tot sind? Genügt euch das Ausmaß des bisherigen Unglücks nicht? Wollt ihr es vermehren? Wollt ihr so lange weiterkämpfen, bis der letzte Seltschane gefallen ist? Sollen in unsren Dörfern die Bären und Wölfe Einzug halten? Wo ist euer Verstand hingeraten, Miko und Otlo, dass ihr euch so ereifern und so unbedachte Worte reden könnt! Ich bin der Älteste hier. Ich habe viel erlebt und gesehen, mehr als jeder von euch. Hört auf mich! Lecho hat Unrecht getan und den Frieden gebrochen. Wer wüsste das nicht. Ich hatte ihn gewarnt und ihm abgeraten. Lecho wollte nicht auf mich hören. Nun ist das Unheil, das von ihmausging, auf ihn und unser Volk zurückgefallen. Wir wollen es nicht unnötig vergrößern, sondern vermeiden, was zu vermeiden geht, verringern, was zu verringern geht; wir wollen tragen, was uns aufgebürdet wird.Die Last ist nicht zu schwer, meine Freunde. wir können damit leben. Ich habe Schlimmeres erwartet und bin erleichtert, dass wir glimpflich davonkommen. Jawohl! Das muss gesagt sein. So ist es. Wir,die wir hier versammelt sind, werden tun, was uns befohlen. Wir werden morgen zusammentreten und aus unserer Mitte einen neuen Herrn wählen. Wir werden gemeinsam den Frieden beschwören, und jede Hand soll verdorren, die das verweigert. Auch ihr Miklo und Otlo, werdet schwören, oder ihr seid in Zukunft keine Seltschanen mehr. Unser Volk soll leben, nicht sterben!"
Der Alte beendete seine leidenschaftliche Rede. Er blickte auf seine umstehenden Begleiter. Diese schlossen sich ohne Zögern seinen Ausführungen an.
„So soll es sein. Genau wie du es sagst, Drago. Wir werden morgen schwören. Des Elends muß ein Ende sein. Wer sich nicht fügen will, für den gibt es keinen Platz unter uns".
Auch das war deutlich genug. Drago wusste die Mehrheit seiner Begleiter hinter sich. Er wandte sich Konrad wieder zu.
„Ihr habt vernommen, Herr, wie wir wirklich denken. Hört nicht auf die unklugen Worte der wenigen, nehmt die Meinung der Mehrzahl. Wir wollen Frieden machen und ihn halten. Dazu sind wir nicht nur deshalb bereit, weil Ihr der Stärkere seid, sondern auch, weil Ihr uns den Frieden nicht zu schwer gemacht habt. Wir danken Euch für Eueren Großmut. Morgen werden wir den Eid schwören."
„Ich bin, Drago, über deine Worte sehr erfreut", erwiderte Konrad dem Alten. „Es soll Frieden sein".
Besiegelt wurde der Friede am nächsten Morgen auf dem Feld vor der Burg. Als Konrad dort, hoch zu Roß, mit seiner Begleitung erschien, erwarteten ihn die Seltschanen in ihren Waffen. Zwar waren viele Gesichter verdüstert und, wenn Blicke hätten töten können, wäre Konrad vielfach durchbohrt vom Pferd gesunken, doch blieben Unmutsäußerungen aus. Der Rat der Alten begrüßte den Ankömmling, Drago übernahm das Wort. Er stellte Konrad seinen Sohn Thiddag vor, der nach dem Willen der Alten und durch die Wahl der seltschanischen Krieger der neue Anführer und Herzog der Seltschanen sein sollte. Thiddag war nicht mehr der Jüngste, ein Mann von mittlerer Größe, in dessen braunes Haar sich die ersten grauen Fäden wie Spinnweben zogen. Er machte einen besonnenen Eindruck und wusste seine Worte ruhig zu setzen. Konrad bestätigte seine Wahl zum Führer der Seltschanen und zum Burgherrn auf Wesamin. Er nahm ihm, während die Seltschanen einen großen Ring um Konrad, Thiddag und den Rat der Alten schlossen, den Friedenseid ab. Thiddag beugte vor Konrad das Knie, Konrad umfasste mit seinen Händen die des knienden Thiddag und ließ ihn den Eid schwören. Die Krieger klopften mit ihren Schwertern auf ihre Schilde, bestätigten dadurch den Vorgang. Thiddag war angenommen. Der Gewählte hielt eine kurze Rede an die Versammelten, in welcher er von dem großen Unglück sprach, das über die Seltschanen hereingebrochen sei, das nunmehr aber sein Ende gefunden habe. Thiddag forderte seine Landsleute auf, alle düsteren Gedanken zu begraben und keine Unbesonnenheit zu begehen. Er bedankte sich noch einmal bei Konrad für dessen Großmut und versicherte ihn des Willens zum Frieden. Nachdem Thiddag gesprochen hatte, ging man auseinander. Die Seltschanen zerstreuten sich; Konrad trat mit seinen Männern den Heimweg an.