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14. KAPITEL

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Die Schlacht vor Fraga begann unversehens an einem Sommermorgen. Der Atem der Frühe hing noch kühl und taufeucht über Feldern und Gehölzen, doch stiegen schon die ersten Lerchen in den Himmel, um ihre Triller nach den Noten des heraufziehenden Tages abzusingen. Die Sonne weckte mit ihrer noch schüchternen Wärme nicht nur das schlafende Land, Korn und Klatschmohn, Bienen und Käfer, auch in den Lagern der sich feindlich gegenüber liegenden Heere zog sie die Männer von ihren Schlafstätten hoch. Hinter den Erdwällen, Palisaden und Flechtverhauen, die man auf beiden Seiten zum Schutz vor Überraschungsangriffen aufgeworfen und errichtet hatte, krabbelte und kroch es durcheinander. Die Morgenfeuer entrollten ihre Rauchfahnen; an den Kesseln sammelten sich, ausgefroren und hungrig, die Männer; schon wurden die ersten derben Scherze ausgetauscht, eine Vorspeise, der bald Kornbrei, Speck und röstfrisches Fladenbrot folgten. Waffen klirrten, Pferde schnoben und wieherten, bissen und schlugen nach dem Nachbarn, die Hauptmänner sammelten ihre Leute, die Herzöge, Führer und Herren setzten sich zum morgendlichen Kriegsrat. An den Wasserfässern drängten sich die Männer, die Herren zogen Met vor.

Da kam die Meldung, der Feind marschiere auf. Man wusste nicht, wer die Nachricht brachte, man konnte den Kundschafter nicht benennen, der diese Neuigkeit von seinem Spähgang herantrug, doch wie ein Lauffeuer eilte sie durch das Lager, hüpfte von Feuer zu Feuer, von Kessel zu Kessel, erfasste die Trinkenden an den Fässern und die Männer in den Büschen bei ihrer Notdurft; sie stieß die noch Schlafenden aus ihren letzten Träumen und versetzte die Wachen in fiebrige Unruhe. Man kletterte auf die Erdwälle und spähte nach dem Feind aus; man prüfte die Bewegungen dort und versuchte den gegenüber aufsteigenden Rauchsäulen eine Erkenntnis über die Pläne des Gegners abzulesen. Man warf sich in die Waffen, prüfte die Schneide des Schwertes und zählte die Anzahl der Pfeile im Köcher; man eilte unter die Fahnen und bestürmte die Hauptleute mit Fragen. Die ersten Hörner setzten ein und schrien wie Muttertiere, die ihre Jungen rufen.

Konrad, der mit seinen Verbündeten, mit Ratibor von Rubin, mit Derwan von Libuschin und Krok von Prachov, mit Spinek von Teta, Thiddag von Wesamin und Ota von Klutschov, dem neueingesetzten Herzog der Lemusi, in seinem Zelt bei Speck und Fladenbrot, gebratenen Hühnern und Gerstengrütze, bei Met und der ersten morgendlichen Beratung saß, wurde auf den ungewöhnlichen Lärm draußen aufmerksam. Als dann noch das Geblöke der Hörner einsetzte, vereinzelt erst, aber anschwellend wie zum Gebrüll einer ganzen aufgeregten Herde, hieß er Bodo, den Schmied, und Adalbrecht, seinen Jäger, nach draußen gehen und Erkundigung über die Ursache der Unruhe einziehen.

Bodo kehrte als erster mit der Meldung zurück, im Lager gehe die Meldung um, Borschiwoi rücke mit der Masse seines Heeres aus seinem Lager und nehme auf den Feldern vor Fraga Aufstellung zum Angriff. Adalbrecht, der Jäger, der Bodo wenige Augenblicke später auf dem Fuß folgte, berichtete das Gleiche, ergänzte aber, er sei auf den Wall geklettert und habe Ausschau gehalten, habe aber im gegnerischen Lager nichts Auffälliges feststellen können. Konrad beschloss, die Lage selbst in Augenschein zu nehmen. Begleitet von den versammelten Herrn, die ihr Frühstück wohl oder übel unterbrechen mussten, begab er sich ins Freie, durchschritt die Reihen der kampierenden, essenden, trinkenden und sich rüstenden Männer, erkletterte einen der Schutzwälle und spähte nach dem Feind aus. Da stießen tatsächlich in Borschiwois Lager die Hörner ihre dumpfe Herausforderung in den blassen Morgenhimmel, eingesperrten Tieren gleich, die ins Freie drängten. Die Stunde der Entscheidung schien gekommen.

Wer immer an diesem Morgen die Hörner zuerst geblasen hatte, nervöse Hauptleute in Konrads Lager oder ungeduldige Führer hinter Borschiwois Erdwällen, wer immer zuerst mit dem Brummen seines Hornes in die morgendliche Ruhe gestoßen hatte wie mit einem Stock in einen schlafenden Ameisenhaufen, er begann die Schlacht. Willens, dem Gegner keinen Vorteil für den Kampf zu überlassen, wie er etwa durch einen frühzeitigen Aufmarsch entstehen konnte, ordnete Konrad, von seinem Kundschaftergang zurück, die Sammlung und Aufstellung aller Hundertschaften unter ihren Fahnen an, hieß die Wälle und Tore des Lagers angemessen besetzen, teilte Herzögen und Fürsten Standorte und Aufgabe im kommenden Kampf zu, warf sich selbst in die Waffen, legte den Panzer an und setzte die neue Eisenhaube auf, gürtete das Schwert an die Seite und steckte die schwere Streitaxt in den Sattel seines Hengstes, preschte auf dem ungeduldigen Schimmel hierhin und dahin, ordnete an, erteilte Befehle und sprach den Männern Mut und Zuversicht zu.

Als erste zogen die Zlitschanen aus. Ihr schwarzer Falke, der kühne Jäger und pfeilschnelle Greifer, flatterte auf weißer Fahne voraus. Krok von Prachov ritt darunter auf schwarzem Ross. Die metallenen Teile seiner Rüstung blitzten, von seinem Helm wehten weiße Reiherfedern. Die Zlitschanen schritten dahinter, Zug um Zug, die Bogenschützen, die Speerträger, zuletzt die Schwertmänner. Den Männern des schwarzen Falken folgten die des springenden Schimmels: die Seltschanen. Thiddag von Wesamin trug die Fahne selbst, und der Schimmel darauf sprang kämpferisch ins Feld. Ratibor von Rubin schloss an. War die Schar der ihm treu gebliebenen Lutschanen auch nur klein, so rollte das Speichenrad auf dem goldenen Grund ihres Emblems mit trotzigem Schwung hinter dem schwarzen Falken und dem ausgreifenden Schimmel der Vorausgehenden her. Die Männer Konrads, die Leute aus dem Wald, waren an der Reihe. Bodo, der Schmied, trug die Fahne, ein lichtblaues Wasser, in welchem ein seltsames Wasserwesen, halb Fisch, halb Mensch, schwamm. Vladana hatte die Fahne geschnitten und mit Gold und Silber bestickt. Die Fahnenspitze blitzte von edlem Metall. Ota von Klutschov führte dahinter die Lemusi, gleich den Seltschanen und Lutschanen nur eine kleine Schar, aber stolz unter dem grimmigen Eberkopf versammelt, der, schwarz auf rotem Feld, dolchähnliche Hauer entblößte. Es folgten Derwan von Libuschin mit seinen Männern - sie trugen das Zeichen der gekreuzten Schwerter auf rot und schwarz geteiltem Grund - und Spiteg von Teta bildete den Abschluss. Seine Dudleber waren unter drei dunkelgrünen Tannen auf hellgrüner Wiese gesammelt. Alle die Völker zogen hinter ihren Fahnen und Führern quer in die frischen und silbern gefärbten Felder. Lerchen trillerten, Bienen summsten, Schmetterlinge schaukelten um Blumen und Frucht. Solange die Männer marschierten, zog sich der Zug in die Länge gleich einem Regenwurm, der über den Grund kriecht. Dann aber, auf ein Zeichen Konrads, hielten die vordersten Mannschaften, die nachfolgenden rückten auf, der Wurm wurde kürzer und verdickte sich, als ob ihn jemand berührt hätte. Die Bogenschützen nahmen Aufstellung, spannten die Sehnen über die Bogenhölzer, prüften sie, dass es klang wie das Gezirpe von Grillen und schüttelten ihre Köcher. Die Speerträger reihten sich zum Kamm aneinander, auf den Spitzen ihrer Waffen blitzten die Lichtpunkte wie feurige Fliegen. Die Schwertmänner schlossen sich Schulter an Schulter, Schild an Schild. Konrad, der auf seinem Schimmel die Reiter führte, hielt sich hinter den Linien des Heeres, wartend, wo der Feind seine Reiter ins Feld sende, um ihnen dort zu begegnen.

Aus Borschiwois Lager hatte sich wie eine Schlange aus einem Riesenei gleichzeitig mit dem Ausmarsch von Konrads Heer die braune Linie seiner Truppen gelöst und war parallel zu Konrads Männern in die Ebene hinausgekrochen. Auch ein stolzer Anblick, stolzer bald als der von Konrads Heer. Denn unter den Fahnen Borschiwois, seiner Söhne, seiner Freunde und Verbündeten tummelte sich, wie Konrad von erhöhtem Standpunkt feststellte, viel mehr Kriegsvolk. Die feindlichen Hörner röhrten zahlreicher über das ebene Gelände, wie brünftige Hirsche in der Herausforderung des Rivalen. Die gegnerischen Fahnen flatterten zuversichtlicher, da so ganz deutlich in der Überzahl. Es sammelten sich unter dem grauen, zinnenbewehrten Turm Slawniks von Tetschin die Stoderaner. Hinter der silbernen Pflugschar Zuburs von Soberschan marschierten die Wilzen. Der schwarze Wolf der Pssouane lief dem schwarzen Adler Borschiwois vorraus. Das graue Rad auf goldenem Grund, Zeichen der Lutschanen, zeigte an, wo Alesch, der feindliche Halbbruder Ratibors mit den abtrünnigen Lutschanen auf der Gegenseite stand. Spitinews Zeichen, die gebündelten Pfeile, folgten. Wratislaws Leute schritten unter dem knienden Bogenschützen. Den Abschluss bildeten die goldenen Ährengarben der Liutmerici. Die lockeren Reihen von Borschiwois Heer schlossen sich ebenfalls zu einer undurchdringlich erscheinenden Mauer zusammen. Konrad wusste, es würde trotz der morgendlichen Kühle heißes Wetter geben. Wie zwei Wogen, aufgeworfen von zwei gegensätzlichen Windstößen, so flossen die beiden Heere auf der Ebene aufeinander zu.

Der Kampf begann mit brausendem Schlachtruf aus Hunderten und Tausenden von Männerkehlen. Hüben und drüben schwollen die Schreie der angetretenen Krieger und Völkerschaften zu einem furchtbaren Geräusch zusammen, das sich gleich einem Sturzbach über einen Felsen in den Raum der Ebene ergoss. Dröhnend fuhren die Orgeln der Hörner dazu Und,als brause ein Hagelsturz in einen Wald oder peitsche ein heftiger Gewitterguss die Erde, folgte das Trommeln der Männer mit ihren Schwertern auf ihre Schilde nach. Die letzte Angst, der letzte Funke Verzagtheit, der irgendwo in der Seele des einen oder anderen Mannes nisten mochte, wurde von der gewaltigen Woge des Lärms hinweggespült. Die Pfeile begehrten nach dem tödlichen Stich in den feindlichen Körper; die Lanzen verlangten nach Blut; die Schwerter lechzten nach grimmigem Biss. Je näher die beiden feindlichen Heere aufeinander zustapften, desto schneller schritten die Männer aus und desto unbeherrschbarer wurde ihre Wut. Dann, als sich die beiden Heere kurz vor dem Aufeinanderprallen befanden, stürzten die Bogenschützen in die Knie, legten ihre mannshohen Bogen an, ließen sie singen, und eine Pfeilwolke, pfeifend und rauschend, todbringend, fuhr wie ein herbstlicher Vogelschwarm über den unschuldigen Himmel. Schon antwortete die Gegenseite. Das ging hinüber und herüber, zweimal, dreimal, viermal. die ersten Getroffenen wälzten sich auf der Erde. Da versuchte ein Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht sich einen Pfeil aus dem Bein zu ziehen, hier fluchte und stöhnte ein Verletzter, dort schlug ein getroffenes Pferd wild um sich, schreiend in Not und Qual, und die Schützen schleppten die ersten Gefallenen und Verletzten nach hinten weg aus dem beginnenden Getümmel. Das erste Blut glühte wie verlorenes Granatgeschmeide im Gras. Die Lanzenträger waren aneinander. Prasselnd, als klapperten heimkehrende Störche mit den Schnäbeln, als knisterten Flammen in trockenem Tannenreisig, schlugen die Schäfte der Speere gegeneinander. Jeder versuchte seine Waffe in die Brust des Feindes zu senken und gleichzeitig dessen Stoß abzuschlagen oder mit dem Schild aufzufangen. An den Speerträgern vorbei, in die Lücken und Zwischenräume drangen die Schwertkämpfer. Stahl knirschte auf Stahl, die Schilde husteten hohl unter den kräftigen Schlägen und die Eisenhauben wimmerten unter der Schärfe der Waffen. Wutgeschrei und Warnrufe, Hilfeforderungen und Schmerzenslaute mischten sich in das metallene Klirren und Klatschen der Waffen. Jetzt brannte die Schlacht wie ein wildes Feuer. Jeder einzelne Mann war ergriffen und loderte gleich einem Stück entzündeten Holzes mit. Darüber rollte die Sonne den Mittag hinauf.

Spiteg von Teta, der Schwiegervater Ratibors, sank, von einem Lanzenstich unter den Brustpanzer getroffen, von seinem Ross. Seine Leute fingen ihn auf und trugen ihn hinter die Schlacht. Ihres Führers beraubt, begannen die Reihen der Dudleber zu weichen. Die Pssouane, die Schwäche des Gegners spürend, drangen mit verdoppelter Kraft und schon beseelt von den ersten Anzeichen eines Sieges nach. Gleich dem schwarzen Wolf ihrer Fahne wühlten sie sich tief in das Eingeweide von Konrads Heer. Zlitschanen und Seltschanen, benachbart stehend, kamen in Bedrängnis, hatten mit dem Feind nicht mehr nur von Angesicht zu Angesicht zu tun, sondern plötzlich auch von der Seite her.

Konrad, der trotz der Hitze des Kampfes stets ein Auge auf den Stand der Schlacht und die Reihen seiner Leute hielt, bemerkte die Gefahr, die auf dem linken Flügel seines Heeres drohte. Rasch griff er eine Handvoll seiner Leute zusammen und eilte den bedrängten Dudlebern zu Hilfe. Fuhr seinerseits den Pssouane in ihre durch den erfolgreichen Vorstoß verlängerte und dadurch gefährdete Flanke. Schon stand er bei der schwarzen Wolfsfahne, durchbrach den Ring der sich schützend dazwischenwerfenden Pssouane, der Fahnenträger kam ihm vor die Klinge, wehrte sich verzweifelt, aber, durch die Fahne behindert, vergeblich. Der schwarze Wolf sank. Jubel bei den Dudlebern, die durch diesen Erfolg jetzt ermutigt, sich auf Rache für ihren niedergestochenen Herrn besannen. Verwirrung bei den Pssouane. Wo sie eben noch siegreich vorwärtsgedrungen waren, wichen sie verunsichert zurück. Die Gefahr war abgewendet.

Am anderen Ende der Schlachtwoge prallte Ota von Klutschov, der jugendliche Führer der Lemusi, auf Zubur von Soberschan, den alten und erfahrenen Herzog der Wilzen. Jugendliche Kraft stand gegen gewiegte Erfahrung. Während der Junge ungestüm angriff, seines Schwunges und Mutes gewiss, lauerte der Alte auf eine der Blößen, die Übereifer und Temperament sich zu geben pflegen. Hin und her gingen die Schlagwechsel. Dann erwies sich die Kraft als der Erfahrung überlegen, besaß der Junge den längeren Atem. Zubur wurde schwer an Arm und Kopf verwundet, fiel vom Ross; seine Gefolgsleute mussten den triumphierenden Sieger abdrängen und ihren Führer bergen. Ota wurde eingekreist, zu viele Wilzen drangen auf ihn ein, zu gering war die Zahl seiner eigenen Leute. Schon schmolz das Häuflein der Getreuen um Ota, schon kam die Fahne mit dem Eberkopf ins Wanken. Konrad musste auch hier zu Hilfe eilen.

Ratibor von Rubin hatte sich vom Beginn der Schlacht an auf die Suche nach Alesch, seine verräterischen, feindlichen Halbbruder, begeben. Der Tag der Abrechnung, der Tag der Rache und der Vergeltung für alle die Demütigungen, Intrigen und Unverschämtheiten war da. Heiß wie ein rotglühendes Stück Eisen fuhr Ratibor unter seine Feinde, seine Hauptleute und Männer konnten ihm kaum folgen und ihm den Rücken frei halten. Sein Weg war von Blut gefärbt und von gefällten Gegnern gesäumt.

„Alesch!" brüllte Ratibor mit mächtiger Stimme über den Lärm und das Kampfgetümmel hinweg, als er endlich seines Bruders auf der Gegenseite ansichtig wurde. „Hier bin ich, Alesch! Hierher zu mir, wenn du keine Angst hast! Tragen wir unsere Sache selbst aus! Hierher! Das Schwert soll zwischen uns entscheiden!"

Alesch erschrak für einen Augenblick vor dem grimmigen Tier, das ihm aus dem Anruf Ratibors entgegenfletschte. Einen Augenblick mochte er sogar den Rückzug hinter den sicheren Schutzwall seiner Begleiter erwägen, doch, wie durch ein geheimes Zeichen veranlasst, ließen hüben und drüben die Kämpfenden die Waffen sinken, wichen zurück und gaben den feindlichen Brüdern eine Gasse frei. Ratibor stürzte sich ohne Zögern auf seinen Halbbruder, dem keine andere Wahl blieb, als den Kampf auf Leben und Tod aufzunehmen. Krachend fuhren die Schilde gegeneinander, die Schwertklingen rieben sich, als wollten sie den Hass schärfen. Links und rechts wichen die gegnerischen Heere zurück und verharrten ob des unerhörten Zweikampfes zwischen den beiden Verwandten wie versteinerte Wellen. Die Waffen ruhten, alles schaute gebannte dem dramatischen Geschehen zu.

Lange war das Kräftemessen der verfeindeten Brüder ausgeglichen. Was Ratibor an Wut und Rachedurst voraushatte, glich Alesch durch Vorsicht und Zurückhaltung aus. Doch dann traf ihn Ratibor schwer am Hals. Blut sprudelte über Aleschs Panzer und ein erschreckter Seufzer stob wie ein Windhauch durch dürres Laub durch die Reihen seiner Freunde und Verbündeten. Ratibor setzte unbarmherzig nach. Schon strauchelte Alesch, fiel. Ratibor über ihm. Doch mit letzter Kraft, den Augenblick unvorsichtigen Triumphes nützend, stach ihm Alesch, im Tode so heimtückisch wie in seinem ganzen Leben zuvor, hinter dem Schild einen Dolch, den er plötzlich aus seinem Kampfgewand gezogen hielt, in den Unterleib. Ratibor fiel, jetzt selbst zu Tode verwundet, über den sterbenden Bruder, diesem noch mit einem letzten gewaltigen Schwerthieb das Haupt vom Rumpfe trennend. Da lagen sie, die im Leben durch Hass und Zwietracht getrennt waren, im Tode endlich vereint.

Über die Leichen der beiden rollte die Sonne über den mittägliche Himmel hinaus und tobte die Schlacht in Unerbittlichkeit weiter. Konrad führte die Fischfrau gegen den Adler Borschiwois; der seltschanische Schimmel galoppierte gegen den Turm der Stoderaner; der Eber der Lemusi setzte seine Hauer gegen den Haken des wilzischen Pflugs. Auch die anderen Völker, Zlitschanen und Liutmerici, Dudleber und Pssouane keilten sich ineinander und prüften ihre Stärke und Standfestigkeit, Ringern gleich, die den Gegner endlich zu Boden drücken wollen.

Doch keine Seite konnte einen bleibenden Vorteil und die Oberhand gewinnen. Was Konrad und seine Leute der feindlichen Partei an Kraft und Einsatz voraushatten, das glich diese durch größere Zahl aus. Wie unter dem Bogenlauf der Sonne die Länge des Tages mehr und mehr abschmolz, so begann auch die Kraft der Männer allmählich zu erlahmen. Aber selbst in der Ermattung wollte keiner weichen, und es schien, als müsse erst die Nacht den Schild der Dunkelheit zwischen die Kämpfenden schieben, um sie zu trennen.

Die Wende, die den Sieg für Konrad und seine Anhänger brachte, kam am Abend. Als ob sie die Dämmerung heranschleppten, erhoben sich plötzlich aus einem benachbarten, in seinem dunklen Grün schon das Schwarz der Nacht gebärenden Wald graue, nebelartige Schwaden, stiegen über die Baumwipfel, brodelten ineinander und arbeiteten sich quer heran, ballten sich zusammen und krochen näher, und je näher die graue Front rückte, desto stärker profilierten sich unheimliche, riesenhafte Gestalten: die Choden. Vladana schickte Hilfe. Der riesenhafte Bär begann sich abzuzeichnen; an seiner Seite der Riese mit seiner tannenhohen Stange. Der dolchmäulige Drachen schob sich auf breiten Klauen und mit zuckendem Zackenschwanz heran, und den grauen Wölfen tropfte geifernder Nebel von den entblößten Lefzen.

Da sank Borschiwois Männern das Herz. Von grausigem Entsetzen ergriffen, beobachteten sie das Herannahen der Ungetüme. Ihr Mut und ihr Beharrungsvermögen schlugen um in Furcht und Panik wie ein Segel im plötzlich drehenden Wind. Sie begannen zu weichen, langsam und schamhaft zuerst, Schritt für Schritt, dann immer schneller und schließlich in schreiender Flucht. Konrad und seine Verbündeten nützten den Vorteil und verwandelten ihn entschlossen in den Sieg. Mit verdoppeltem Eifer, von der Begeisterung eines zum Greifen nahen Triumphes zu einer letzten Anstrengung angestachelt, stürmten sie auf die wankenden Reihen des Feindes ein und trugen erbarmungslos Tod und Verderben voran. Wie ein mürber Meeresdamm im Herbststurm, so zerbrach die Linie von Borschiwois Heer; es gab kein Halten mehr. Die Schlacht war verloren, noch ehe die anbrechende Nacht ihre Dunkelheit schützend über die Geschlagenen und Fliehenden halten konnte. Borschiwois Lager wurde überrannt und im Sturm genommen, und hätte die Finsternis nicht jetzt endgültig dem Kampf ein Ende gesetzt, so hätte Konrad mit seinen Leuten trotz der allgemeinen Ermattung die Burg Fraga gepflückt wie eine reife Frucht. Doch man musste innehalten. Man besann sich der Pflichten den eigenen Leuten gegenüber. Im Schein der Fackeln begann man, die Toten einzusammeln, die Verwundeten und Verletzten zu versorgen, die Beute zusammenzutragen und nach diesem heißen, schweren Tag endlich der Ruhe zu pflegen.

Konradsgrün

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