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Canellas schockt die Fuéballwelt

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Mit einer gehörigen Portion Zynismus könnte man sagen: Irgendwie war es sogar praktisch, dass Horst-Gregorius Canellas am 6. Juni Geburtstag hatte – nur einen Tag nach dem Saisonfinale 1970/71. Wobei, er hätte sicherlich auch einen anderen Grund als seinen 50. Geburtstag gefunden, um Gäste einzuladen. Denn ihm ging es überhaupt nicht ums Feiern. Canellas wollte vor allem Gerechtigkeit für seine geliebten Offenbacher Kickers, die am Tag zuvor aus der Bundesliga abgestiegen waren. Und so gab der Hausherr auch nur kurzzeitig den freundlichen Jubilar, ehe er seine Gäste um die Mittagszeit um Aufmerksamkeit bat. Aber statt eine Rede zu halten, stellte das Geburtstagskind ein Tonband an und sagte nur: »Wir sind durch Betrug abgestiegen, ich werde das beweisen.«

Auf den Aufzeichnungen waren von Canellas heimlich mitgeschnittene Telefongespräche zu hören, die eindeutig belegten, dass zahlreiche Profis Bundesligaspiele manipuliert und dafür Geld kassiert hatten. Der Berliner Lizenzspieler Tasso Wild war darauf zu hören, sein Kollege Bernd Patzke und der Kölner Torhüter Manfred Manglitz. Das Angebot, das Wild dem Offenbacher Präsidenten machte, ließ keinen Zweifel zu: »Also horchen Sie mal, ich hab einen ganz duften Vorschlag: Weil es Offenbach ist und ohne Kuhhandel hin und her: 140 und die Sache ist für Sie in Ordnung…« Gemeint waren natürlich 140.000 Mark.

Die anwesenden Gäste im Hause Canellas, darunter auch der damalige Bundestrainer Helmut Schön, waren schockiert. Die Liga drohte in einem Sumpf aus Schmiergeldern und Bestechung unterzugehen. 18 Begegnungen, in denen es um Abstieg bzw. den Klassenerhalt ging, waren betroffen. Mehr als 50 Spieler von immerhin zehn der 18 Bundesligaklubs, das stellte sich im Laufe der späteren Ermittlungen heraus, waren an den Mauscheleien beteiligt und kassierten zusammen ungefähr eine Million Mark.

Doch was hatte Horst-Gregorius Canellas überhaupt dazu bewogen, diese Gespräche aufzuzeichnen? Es schien doch alles so zu sein wie immer. Der eine oder andere Zuschauer in den Stadien mag sich in der heißen Phase der Meisterschaft vielleicht schon mal gewundert haben über allzu grobmotorische Querschläger, über mehr als leichtfertig vergebene Chancen oder auffällig missratene Paraden der Torhüter. Aber öffentlich Verdacht äußerte kaum jemand. Die »Rheinische Post« machte da eher die Ausnahme, als sie bereits im April 1971 nach der Heimniederlage des FC Schalke gegen Bielefeld fragte: »Wird der Abstieg statt mit dem Ball mit Banknoten entschieden?« Aber erst am 34. Spieltag, als die abstiegsbedrohte Arminia aus Bielefeld bei Hertha BSC mit 1:0 gewann, witterten auch die Fans im Olympiastadion Betrug und skandierten »Schiebung, Schiebung«.

Canellas war schon früher misstrauisch geworden. Seine wackeren Kickers hatten Punkt um Punkt im Abstiegskampf geholt und konnten sich dennoch nicht entscheidend absetzen, weil auch die Konkurrenz aus Bielefeld, Oberhausen und Frankfurt von Sieg zu Sieg eilte. Anfang Mai dann klingelte bei ihm das Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Manfred Manglitz, Torhüter des 1. FC Köln. Und Canellas’ schlimmste Befürchtungen wurden bestätigt. Das Anliegen von Manglitz war so eindeutig wie anrüchig: Er drohte, im Spiel seiner »Geißböcke« gegen Rot-Weiss Essen, einem direkten Konkurrenten der Offenbacher im Abstiegskampf, »einige Dinger« durchzulassen, wenn Canellas nicht 25.000 Mark an ihn zahlen würde. Canellas zahlte, und der 1. FC Köln gewann mit 3:2.

50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte

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