Читать книгу 50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte - Gerhard Delling - Страница 59

Nackte Meister im Wasserbecken

Оглавление

In der darauf folgenden Spielzeit gelang die Titelverteidigung mit elf Punkten Vorsprung vor dem 1. FC Köln und einem eindrucksvollen Start-Ziel-Sieg, als die Bayern vom ersten bis zum letzten Spieltag nicht ein einziges Mal die Tabellenführung abgaben. Die Dominanz war schon fast erschreckend, und auch in München schien der Titelgewinn beinah Routine geworden zu sein. Von »Feierbiestern« wie später bei Louis van Gaal weit und breit keine Spur: Gerade einmal 1.500 Fans waren zum Marienplatz gepilgert, um den Meister hochleben zu lassen. Beobachter berichteten, Sepp Maier hätte die Meisterschale unter den Arm geklemmt, »als sei sie ein neuer Haushaltsgegenstand für seine Frau«.

Schon in der Kabine nach dem Spiel gegen Köln hatte Paul Breitner gemosert: »Kann denn in diesem Scheißverein keiner feiern…«, und meinte damit vor allem die Führungsetage. Ein Großteil der Spieler ließ sich von Breitner breitschlagen und sprang mit Sektflaschen bewaffnet ins Entmüdungsbecken. Dumm nur, dass die Presse an diesem Tag ausnahmsweise in der Umkleidekabine zugelassen war und die Fotos der splitterfasernackten Fußballer am nächsten Tag die Titelseiten der Boulevardpresse zierten. Das hatte es im deutschen Fußball noch nie gegeben. Und so folgte ein Sturm der Entrüstung. Bundestrainer Schön sprach gar von »Pornografie«, und Bayern-Präsident Neudecker wollte den »Revoluzzer« Breitner umgehend verkaufen. Seine Aussage: »Sonst habe ich in Kürze Verhältnisse, wie sie an den Hochschulen herrschen«, macht dann doch ziemlich deutlich, wie konservativ es in der Führungsriege des FC Bayern zuging. Die Nähe zur CSU jedenfalls hat in all den Jahren kein Bayern-Boss geleugnet. Die Mannschaft stellte sich jedoch hinter Breitner. Zum Glück, denn dieser laufende Afrolook verkörperte nicht nur durch seine Haare, sondern auch durch die furchtlosen Äußerungen gegen die Bosse und Gegner den Kampf gegen das Establishment, den wir als Jugendliche selbstverständlich unterstützten. Außerdem spielte er Fußball mit einem verdammt hohen taktischen Verständnis, so dass Gerd Müller feststellte: »So einen Verteidiger kriegen wir nie wieder« – und Breitner eben doch blieb.

50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte

Подняться наверх