Читать книгу 50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte - Gerhard Delling - Страница 53

Die Marionette des Profizockers

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Die Schiedsrichter Lutz Michael Fröhlich, Olaf Blumenstein, Manuel Gräfe sowie Felix Zwayer wurden in jenem Monat beim DFB vorstellig und hatten Unglaubliches über einen ihrer Kollegen zu berichten. Robert Hoyzer, so der dringende Verdacht der aufrechten Unparteiischen, soll DFB-Pokalspiele sowie Begegnungen der 2. Liga und der Regionalliga verschoben haben. Der Verdacht konzentrierte sich unter anderem auf das Pokalspiel zwischen dem Hamburger SV und dem Regionalligisten SC Paderborn, das der Drittligist aus Ostwestfalen überraschend mit 4:2 gewonnen hatte. Eigene Gesetze im Pokal hin, Überraschungen her – die beiden Elfmeter für Paderborn und der Platzverweis für Hamburgs Emile Mpenza waren ein Witz. Die Hamburger sprachen ganz offen davon, betrogen worden zu sein, aber natürlich glaubten weder sie noch die Zuschauer daran, dass dahinter System steckte.

Als die Verdächtigungen publik wurden, legte Robert Hoyzer umgehend sein Amt nieder, nahm sich aber gleichzeitig einen Anwalt. Der Herr namens Dr. Stephan Holthoff-Pförtner warf dem DFB vor, die Vernehmung Hoyzers sei keine Untersuchung, sondern eine »Hinrichtung« gewesen. Ich war zwar persönlich nicht dabei, aber ich fand es mehr als verständlich, dass die DFB-Verantwortlichen alle Möglichkeiten ausreizten, um diesem Verbrechen am Fair-Play-Gedanken und der Glaubwürdigkeit des Sports auf die Spur zu kommen, auch wenn anfangs ganz eindeutig »im Zweifel für den Angeklagten« gegolten hat.

Robert Hoyzer war nämlich unverfroren genug, zunächst noch öffentlich und nachdrücklich seine Unschuld zu beteuern – bevor er am 27. Januar 2005 dann doch ein Geständnis ablegte. Er räumte ein, Geld für die Manipulation mehrerer Spiele erhalten zu haben, und versprach gleichzeitig, die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und DFB zu unterstützen. In einer unwürdigen und unglaubwürdigen Inszenierung versuchte sich Hoyzer schon Anfang Februar 2005 bei einem TV-Auftritt bei den deutschen Fußballfans medienwirksam zu entschuldigen. Aber damit war die Sache zum Glück noch längst nicht vom Tisch.

Der DFB hatte nämlich bereits die Polizei eingeschaltet, und schon einen Tag nach dem Geständnis untersuchten Beamte das berüchtigte Café King in Berlin-Charlottenburg. Denn inzwischen war klar geworden, dass der »Unparteiische« alles andere als ein Einzeltäter war. Vielmehr entpuppte er sich auch als Marionette des Profizockers Ante Sapina. Hoyzer und Sapina hatten sich in dem Zockercafé kennengelernt und waren bald zu Kumpels geworden. Man wird wohl nie klären, ob Hoyzer den Kroaten auf die Idee brachte, Spiele zu verschieben, oder ob Sapina den Schiedsrichter anstiftete. Beide behaupten jedenfalls genau das Gegenteil von dem, was der andere versuchte darzustellen.

Einig waren sie sich nur darin, dass Hoyzers Kollege Dominik Marks ebenfalls an der Manipulation von Spielen beteiligt war. Es war Hoyzers Aufgabe, gegen eine von Sapina ausgesetzte Prämie weitere Schiedsrichter anzuwerben für das miese Spiel. Marks machte mit, während andere wie Torsten Koop sich verweigerten und wieder andere wie Jürgen Jansen offensichtlich zu Unrecht verdächtigt wurden und noch eine ganze Zeit lang unter den Verdächtigungen zu leiden hatten. Auch Koop wurde schließlich noch vom DFB suspendiert, weil er die Versuche Hoyzers, ihn anzuwerben, nicht sofort gemeldet hatte. Jansen beendete nach den Vorfällen seine Karriere als Bundesliga-Schiedsrichter. Die öffentlichen Vorverurteilungen hatten ihn und seine Familie fertiggemacht, er berichtete, dass sogar seine Kinder in der Schule angespuckt worden seien.

Zu Beginn, das gestand Robert Hoyzer im Rahmen der Ermittlungen, habe er kleinere Sachwerte erhalten. Dann aber, als die Sache lief wie geschmiert, kassierte er von seinen Partnern zehn Prozent der Gewinnsumme. Nur um klarzustellen, welche Summen im Spiel waren: Mit einer einzigen verschobenen Partie strich der Wettpate Ante Sapina bisweilen eine Million Euro ein. Die Wettanbieter hatten im Gegensatz zum DFB früh einen Verdacht. Pfiff Hoyzer eine der Partien, die auf den Wettscheinen standen, sanken die Quoten. Weitergegeben an den DFB oder die Staatsanwaltschaft hatten die Wettbüros ihre Mutmaßungen aber anscheinend nicht…

Der Imageschaden rund anderthalb Jahre vor der WM in Deutschland war jedenfalls immens. Die internationale Presse war sich weitgehend einig: Der deutsche Fußball erlebte den größten Skandal seit mehr als 30 Jahren. DFB und Politik sahen die Gefahr des Imageverlustes durchaus, warnten aber vor einem Generalverdacht gegen die deutschen Schiedsrichter und forderten eine schnelle, konsequente und lückenlose Aufklärung.

Das gestaltete sich jedoch alles andere als einfach, denn hier war nicht nur ein einziges schwarzes Schaf der Schiedsrichtergilde ohne jegliche Moralvorstellungen auf die Idee gekommen, sich sein Honorar aufzubessern, sondern dahinter steckten kriminelle Zocker.

Ende April 2005 schließlich wurde Hoyzer vom DFB lebenslang gesperrt. Nach dem Urteil durfte er weder als Schiedsrichter noch als Trainer, Spieler oder Jugendbetreuer beim DFB oder in einem seiner Vereine fungieren. Der strafrechtliche Prozess wegen »Beihilfe zum bandenmäßigen Betrug« zog sich ewig hin. Erst im Dezember 2006, Monate nach der Fußball-WM im eigenen Land, wurde das Urteil rechtskräftig: Hoyzer wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt, die er im Mai 2007 antreten musste. Mitte Juli 2008 setzte man ihn aber wegen guter Führung schon wieder vorzeitig auf freien Fuß. Im April 2011 gab DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger dem Gnadengesuch Hoyzers statt. Der Skandal-Schiedsrichter durfte ab sofort wieder auf Amateurebene Fußball spielen, aber selbstverständlich nach wie vor nie wieder ein Spiel pfeifen.

50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte

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