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Jim stieß die Pendeltür mit dem Fuß zurück und trat in den „Spanish Flower“ Saloon. Was er sah, war ein etwas größerer und sehr ähnlich eingerichteter Raum wie in der „Roten Lola“. Nur war hier die Zahl der Flittermädchen noch größer, die Theke noch länger und der kitschige Prunk noch kolossaler als auf der anderen Straßenseite bei Lily Dollar. Indessen war das Lokal schon voller Männer, vor allem Bahner, die jetzt Feierabend hatten. Von den Baustellen der Nebengleise kamen die ersten Kolonnen, und so hatten die vier Keeper hinter dem Tresen alle Hände voll zu tun. Ein halbes Dutzend Mexikanerinnen bediente die Gäste an den Tischen. Am hinteren Ende des Saales stand ein Pult, von dem eine violette Fahne herabhing. Auf dem Pult befand sich eine Kerze, die aufgeregt flackerte, wenn jemand durch die Pendeltür trat.

Drei überdimensionale Kerosinleuchter hingen an der Decke, und ihr Licht war wirklich mehr als hell genug. Auf einer Bühne im Hintergrund spielte eine Band, die aus Schwarzen, Mexikanern und einem Zambo bestand. Sie legte gerade los, als Jim sich nach einem Platz umsah. Was er da hörte, kannte er schon von Texas her. Das waren die Klänge des Südens, wie überhaupt der ganze Saloon im Mexikostil aufgemacht war. Sogar die Flittchen hätten sich auf südländisch umgestellt und entsprechend gekleidet. Ihr ordinäres Gehabe jedoch sprach dem Hohn.

Jims Eintritt wurde von den Leuten des Saloonpersonals genauestens beobachtet, doch niemand tat das geringste dagegen. Es schien Jim, als würden sie am am liebsten allesamt ihre Patronen in den Rücken schießen, aber irgend etwas hinderte sie daran. Jim konnte sich nicht vorstellen, dass sie Angst vor ihm hatten. Er dachte an Debré und fragte sich, wie lange der mächtige Mann dieser Stadt seine Hunde an der Kette halten wurde.

Als die Musik verstummte, ging ein Raunen durch die Menge. Alle starrten zur Tür, wo sich gerade Reverend Guiness‘ riesiger Körper durch die Menge der Männer schob. Indessen war noch eine ganze Planiermannschaft in den Saal gekommen, und alles staute sich vorn hinter dem Eingang. Aber für den hünenhaften Reverend war das gar kein Problem. Als er fast in der Saalmitte angekommen war und das Gedränge vor ihm alles blockierte, packte er kurzerhand einen der Männer vor sich, hob ihn wie ein Spielzeug hoch, drehte sich um und setzte den strampelnden Mann auf die Stelle, wo er eben noch selbst gestanden hatte.

Die anderen machten dann um jeden Preis Platz für den Riesen.

Endlich stand er am Pult, und er brauchte keine Erhöhung, um von allen gesehen zu werden. Sie wurden sämtlich von ihm überragt, und seine Donnerstimme ließ sie alle verstummen.

„Kinder Gottes!“, brüllte er, dass die Glastropfen an den Kronleuchtern klirrten. Danach schwieg er einige Sekunden, und es war so still geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

Keiner im Saal außer dem Reverend selbst mochte jemals etwas von einem hypnotischen Blick gehört haben. Keiner wusste sicherlich, warum er gar nicht anders konnte, als die Hände zu falten und genau das zu tun, was der Reverend verlangt hatte. Aber sie taten genau das und nichts anderes.

Und dann dröhnte wieder dieser eigenartig röhrende Bass über sie hinweg: „Sprecht mir nach! Sprecht, was ich euch sage! Also, macht eure dreckigen Ohren weit auf! – Gelobet sei …“

„Gelobet sei!“, tönte es im Chor, und Jim sprach wie unter einem Zwang mit. Alle schienen wie unter einem geheimen Zwang zu sprechen. Keiner lachte, auch keiner der Fremden, die sich hier nur amüsieren wollten. Alle waren plötzlich von tiefem Ernst ergriffen. Und sie beteten, was ihnen der Reverend vorsprach. Sie sangen mit, als die Kapelle, die eben noch im New-Orleans-Stil gespielt hatte, ein Kirchenlied der Episkopalen intonierte. Sie sangen, ob sie den Text kannten oder nicht, und über alle hinweg posaunte die Bassstimme des Geistlichen, übertönte sie alle, und sie sprachen nach, bis sie sogar die Refrains allein singen konnten.

Dann brüllte Guiness: „Setzt euch wieder, setzt euch!“

Jetzt kam die Predigt, und alle starrten mucksmäuschenstill zu ihm nach vorn.

„Ihr sollt jetzt hören, was ich euch in meiner Sprache zu sagen habe. In meiner Sprache, ihr Sündenlämmer! Aber es ist der Auftrag, den ich von Gott habe. Ich werde ihn euch jetzt berichten. – Du da hinten, du Narr, nimm deinen Finger aus der Nase, du bist in einem Gottesdienst! – Und dort vorn, du Grünschnabel, sieh zu mir her, und nicht zu diesem Flittchen drüben! – So, nun seid ganz still, sonst muss ich euch Ohren machen. – Diese Stadt ist ein Dreckloch. Sie ist böse und schlecht. Aber das ist nicht die Schuld dieser Häuser, nicht die Schuld von diesem wunderschönen Stück Gottes Erde. Das ist die Schuld von euch Strolchen, Tagedieben und Ludern, die ihr hier lebt, als hätte Gott dieses Fleckchen von seinem Land ausgerechnet für euch Sünder und Übeltäter gemacht. Aber so ist es nicht. Das hat er nämlich nicht! Nein, er hat gewollt, dass hier Menschen leben – wirkliche Menschen, und keine verkommenen Stinktiere, wie ihr es seid. Die nichts im Kopf haben, als anderen das Geld wegzunehmen, zu morden, zu betrügen, zu stehlen, zu sündigen. Die Sünde, die allein durch eure Lustlaster verbreitet ist, stinkt zum Himmel. Damit ist jetzt bald Schluss. Ich werde euch jetzt etwa vorlesen, was ich von dieser Stadt verlange. Und wer sich in Zukunft nicht daran hält, wird es mit mir zu tun bekommen! Ihr tollwütigen Sittenstrolche schämt euch nicht, alles schamlos und ohne Zucht vor aller Welt zu tun. Ihr liebt euch in Gegenwart von unschuldigen Kindern, womit sie verdorben werden. Ihr mordet aus nackter Gier, uni ihr betrügt für einen Judaslohn. Wer es ab heute noch tut, wird von mir verdammt, und ich tue das im Auftrag unseres Herrn. Verdammte aber werden nicht nur in die Hölle kommen, dorthin kommt ihr sowieso allesamt. Nein, ich werde denjenigen bereits einen Vorgeschmack zu Lebzeiten bereiten. Ich selbst tue das, weil ich weiß, dass ihr an nichts glaubt, auch nicht an eine Hölle. Also müsst ihr schon zu Lebzeiten erleben, was eine Hölle ist. Ihr werdet es erleben, wenn ihr euch weiter benehmt wie eine Herde tollwütiger Tiere! – Steht auf, ihr Strolche und Luder! Erhebt euch! Wir wollen noch einmal beten!“

Jim erwartete jetzt einen Proteststurm, zumindest aber, dass einige Männer mit Gläsern oder noch gefährlicheren Dingen nach Guiness werfen würden. Aber es verlief ebenso wie schon vor knapp zwei Stunden auf der Straße, als Guiness den Revolvermännern befohlen hatte, abzuschnallen und zu verschwinden. Keiner der Menschen im Saal protestierte gegen die Beleidigungen des Reverends. Niemand murrte, niemand sagte nur das Geringste. Auch Debré nicht, der eben eingetreten war, wie Jim sehen konnte. Diesmal hatte er den Saloon nicht allein betreten. Eine ganze Garde narbiger Coltschwinger folgte ihm wie ein Wolfsrudel. Aber kaum einer achtete darauf.

Nun kam Guiness wieder in Bewegung, als das Beten vorbei war. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und polterte: „Da sehe ich überall Bilder! Reißt sie ab! Werft sie auf einen Scheiterhaufen der Sünde!“ Er deutete auf die üblichen Nackedeimalereien an den Wänden, die in solchen Saloons – wie Jim sich sagte – absolut an der Tagesordnung waren.

Und nun geschah etwas für Jim Erstaunliches. Das dritte Wunder, wie er sich eingestand.

Die Männer drängten sich, Dirnen schrien, und allesamt wollten zu den Bildern, um sie abzureißen. Dann geschah das auch, und sogar der Saloonbesitzer, Debré selbst, legte Hand mit an, um die Bilder herunterzuholen.

Jim hatte so etwas noch nicht erlebt. Er selbst spürte keineswegs den Drang in sich, diesen Befehlen des Priesters nachzukommen. Aber alle anderen gehorchten, und sogar Debré schien unter Guiness‘ Bann zu stehen. Das konnte Jim am allerwenigsten verstehen.

Während alle noch mit dem Zertrümmern und Zerreißen der Bilder beschäftigt waren, bahnte sich Guiness eine Gasse durch die Menge und ging, ebenso mächtig und wuchtig, wie er gekommen war.

Jim schüttelte, fassungslos über die allgemeine Betriebsamkeit der anderen, den Kopf und zwängte sich ebenfalls nach draußen. Kurz vor der Tür traf er auf Debré.

Der Grande nahm ihn am Arm und sagte: „Kommen Sie, Short, ich wollte Ihnen mein Büro zeigen.“

Coltpoker der Gnadenlosen: Western Sammelband 4 Romane

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