Читать книгу Coltpoker der Gnadenlosen: Western Sammelband 4 Romane - Glenn Stirling - Страница 24

17

Оглавление

Der schmächtige Dr. Buey wusch sich die Hände im Waschbecken und trocknete sich an einem bunt gewürfelten Handtuch die Finger ab. „Das nenne ich Schwein, Mister, sagenhaftes Schwein! Ich hatte da einmal einen Fall“, erzählte er und blickte auf Ridgeway, dem der bullige Dr. Robertson gerade den Verband anlegte, „einen Fall, so etwas gibt es nicht wieder. – Erinnerst du dich, James?“

Dr. Robertson nickte nur, und sein Vollbart wippte dabei wie eine Sichel.

„Ein Fall, bei dem eine Kugel dem Patienten in die Taschenuhr geschlagen war. Der Zeiger der Uhr, und nicht die Kugel, hatte den Mann fast umgebracht. Er war bis dicht ans Herz gedrungen. Aber Sie, Mister, hatten wirklich großes Schwein. Das Projektil ist genau auf den eisernen Jackenknopf getroffen, hat ihn mitgerissen und Ihnen wie einen Hammer auf das Schlüsselbein geschmettert. Das ist ein Schlag, bei dem eine Schockwirkung eintritt. Wie eine Herzlähmung, und für einige Zeit sind Sie damit ebenso groggy wie von einem echten Treffer. Mister Ridgeway, manchmal möchte ich, dass Leute wie Sie der Teufel holt, aber wo wären wir Chirurgen in Jameshorn ohne euch? – Das macht hundert Dollar, und ich bitte, das gleich zu bezahlen, Mister.“

Ridgeway sagte nichts, aber Dr. Robertson richtete sich auf, wandte sich um und griff zu einer Flasche, die aussah, als sei gelbe Medizin darin.

Er zog den Glasstöpsel heraus und hielt Ridgeway die Flasche hin. „Hier, trinken Sie, das geben wir zu.“

Er half Ridgeway auf, dass er sitzen konnte, und wartete geduldig, bis der Verletzte die Flasche wieder absetzte.

„Das ist ja Whisky“, murmelte Ridgeway.

„Dachten Sie, wir hätten Ihnen Schwefelsäure angeboten? Wir sind schließlich keine Internisten, dass wir daran etwas verdienen würden. – So, Sie können aufstehen. Erst wird Ihnen etwas schwach in den Beinen sein, aber bald geht es besser …“

„Ja, der Junge hatte riesiges Schwein“, meinte Dr. Buey und nahm nun auch einen tiefen Schluck aus der Flasche, auf der Spiritus stand und die Whisky enthielt. Dazu nicht mal einen schlechten.

Ridgeway bezahlte, dann ging er mit schwankenden Schritten hinaus.

Der Verband drückte, und die Verletzung schmerzte noch immer, aber alles war gutgegangen, viel besser, als er sich erträumen konnte.

Ein Schock, hatte der Doktor gesagt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann von einem Schock wie geplättet am Boden liegen konnte. Und doch war es so gewesen.

Vorhin noch, vor Stunden, als er so hier gelegen hatte und auf die Ärzte warten musste, die beide irgendwo unterwegs waren, da hatte er nachgedacht und eigentlich schon auf den Tod gewartet. Nun lebte er, und im Grunde fehlte ihm wenig, so gut wie nichts. Ein zweites Leben, sagte er sich, vielleicht sollte ich ganz neu anfangen. Unter neuem Namen, in einer ganz anderen Gegend. Einen Bart wachsen lassen, das ersparte Geld nehmen und irgendwo ein Stück Land kaufen, siedeln, einen Grundstock für die Zukunft bilden.

Minutenlang nahm er es sich vor. Dann blieb er stehen und blickte die morgenhelle Straße entlang. Jetzt wirkte sie trostlos und trist in ihrem Dreck, auch die noch tiefstehende Sonne vermochte das kaum zu ändern. Von den Resten des „Rote Lola“ Saloons stieg noch immer eine Rauchfahne hoch, und der daneben zur Hälfte mit abgebrannte „Red Eye“ erinnerte an eine angekohlte Kiste, die zur Hälfte noch mit Müll gefüllt war.

Am Morgen gab es auch keine flanierenden Mädchen, keine lauernden Revolvermänner, keine Zuhälter, flitzende Kellner und joviale Keeper. Am Morgen war Jameshorn tot, und heute war es noch mehr als das. Die ganze Stadt erinnerte an eine Leiche, und sie verpestete schon das ganze Land.

Ridgeway widerte sie an, und es würgte ihn im Hals, wenn er nur daran dachte, dass er hier einen ganzen Winter gelebt hatte, als sei er hier zu Hause.

Irgendwo muss mein Pferd sein, dachte er. Ich werde es nehmen und wegreiten, weit weg. Aber zuvor will ich wissen, was alles geschehen ist, wo dieser Short steckt und was mit Lily ist.

Lily! Der Name durchfuhr sein Hirn wie ein Alarmsignal.

Da traf er als einzigen Menschen wie einen Schiffbrüchigen auf einer verwüsteten Insel den hinkenden Eddy, den Keeper, dessen Kopfverband aussah, als sei Eddy eben aus Indien importiert worden. Die Leidensmiene, die er trug, erinnerte wirklich an einen Fakir.

Sie sahen sich an, als hielten sie sich gegenseitig für Gespenster, und Eddy fand die Sprache zuerst. „Du, Dale?“

„Ja. Unter welche Lokomotive bist du denn geraten, Eddy?“ Er lachte leise. „Eddy Wallace – ein indischer Großmogul.“

„Dich habe ich schon sechs Fuß unter der Erde geglaubt, Dale“, entgegnete Eddy trocken. „Das mit mir, das ist Shorts Werk.“

„Ich hatte Schwein, wie Doktor Buey behauptet. Shorts Schuss traf einen Knopf, und der war aus Eisen. Und wo steckt Short jetzt?“

„Pshaw!“ Eddy grunzte abgrundtief, dann verzog er das Gesicht, als habe er Salmiakgeist geatmet. „Rick und die ganze Bande sind hinter ihnen her. Er hat sie so genarrt, dass sie Stunden auf dem Bahngelände gesucht haben, während er in aller Ruhe in der Roten Lola war und mir ein paar auf meinen Astralleib knallte. Dann ist der Saloon auch noch abgebrannt, da mir die Laterne aus der Hand flog. Tja, Dale, nun stehen wir beide hier wie abgeschorene Lämmer. Short ist mit Lily längst in den Bergen, und womöglich schafft es Rick nicht, ihn zu fassen. Dann braucht Rick auch nicht mehr wiederzukommen. Die halbe Stadt wartet nur darauf, dass er es nicht schafft. Sie werden ihn dann fertigmachen. Sie haben sogar recht, Dale. Er hat sie den ganzen Winter gemolken wie fette Kühe. Und nun sind sie es satt. Einer von diesen Narren ist los, um bei Casement Hilfe zu erbitten. Wegen der Sache mit dem Marshal – ich meine Guiness – wird Casement die Schutztruppe sogar schicken. Und dann? Ich glaube, das packt Rick nicht. Das ist dann doch zu viel. – Und wir beide? Was tun wir, Dale?“

„Er hat also Lily mitgeschleppt?“, fragte Ridgeway, und es klang eher wie eine Feststellung. „Er hat es wirklich wahrgemacht, dieser Bursche. – Verdammt, Eddy, da kommt einer ganz mutterseelenallein, sagt, er werde eine Frau nach Green River City schaffen, und die ganze Stadt sieht zu, bis er es dann doch noch geschafft hat. Ich weiß nicht, Eddy, aber entweder ist dieser Himmelhund übermächtig, oder wir alle sind ein Heer von Vollidioten.“

„Wie willst du es ändern?“, fragte Eddy, wenig interessiert.

„Guiness mag zwar kein echter Reverend gewesen sein, aber gespielt hat er ihn sehr gut. Er hatte sogar recht. Diese Stadt ist ein Müllhaufen. Ein verfluchter, dreckiger Müllhaufen, der zum Himmel stinkt. Ich wollte eigentlich reiten und nie mehr daran denken. Jetzt weiß ich aber, was ich tun muss. Ich weiß es jetzt richtig.“

Eddy horchte auf. „Bringt es Geld ein?“

„Nein.“

Lustlos zuckte Eddy die Schultern. „Dann denk du mal weiter nach, Dale, ich muss noch was tun. Adios!“ Er nickte Ridgeway zu und sah ihn dabei bekümmert an wie einen Menschen, der nicht mehr alle Sinne beisammen hat, aber früher einmal ein netter Kerl gewesen ist.

Ridgeway hob den Kopf. Die Sonne schien, der Wind kam frisch von Osten. Von Osten, wo die Stadt noch gut aussah, bis die Reihe der Saloons und der anderen Vergnügungsstätten begann. So ungefähr bei den Mietställen, ein wenig oberhalb von Debrés Büro. Ja, das Büro! Debrés höllisches Machtzentrum.

Ridgeway schritt darauf zu, und wie es schien, gab es nichts mehr, was ihn aufhalten konnte.

Er erreichte die Tür, sah sich um, aber niemand war auf der Straße, nicht einmal eine der üblichen Wachen ließ sich sehen, Ridgeway zweifelte, dass Rick überhaupt einen einzigen Mann zurückgelassen hatte.

Die Tür war offen. Er trat ein, ging in Debrés Büro und sah zum ersten Male in seinem Leben die hintere Wand ohne Teppich, der heruntergelassen worden war. Und so lag der Safe vor seinem Blick offen vor ihm. Offen zu sehen, aber nicht mit offener Tür. Ridgeway trat näher, drehte an dem Rad, aber die Tür ließ sich nicht aufmachen.

Geld! Viel Geld musste drinnen sein. Mit einem Male vergaß er sämtliche Vorsätze. Er sah sich um, suchte nach einem Werkzeug, den Safe gewaltsam zu öffnen. Aber er fand nichts.

Er suchte im ganzen Haus und entdeckte endlich eine Hacke. Er nahm sie mit und wuchtete auf das Schloss am Safe, aber auch jetzt gab es nicht nach. Wieder fingerte er am Rad herum, und plötzlich klickte es, und die Tür ließ sich überraschend aufziehen.

Ridgeway war selbst fassungslos, wie leicht es auf einmal gelungen war. Und dann sah er die Notenbündel. Es waren weniger, als er gedacht hatte. Er nahm sie, sah sie durch und stopfte sie sich unter die Jacke. Als er fertig war, glaubte er, dass es ungefähr zwanzigtausend Dollar waren, die er besaß.

Zwanzigtausend!

Er ging hinaus, spähte nach allen Seiten, aber noch immer lag alles wie ausgestorben. Niemand hinderte ihn, als er zum Mietstall hinüberlief, niemand verwehrte es ihm, sich ein Pferd zu nehmen, als gehöre es ihm. Niemand verfolgte ihn, als er aus der Stadt ritt.

Er dachte daran, dass Lily immer nach Süden gewollt hatte. Aber er verwarf diese Idee, weil er wieder an Lily erinnert wurde. Lily – das beschäftigte ihn erneut, und er fasste den Entschluss, nach Green River City zu reiten. Wenn er Männer fand, die für zehntausend Dollar Lily aus dem Gefängnis befreiten, hatte er noch genug Geld und diese Frau dazu. Das war ein Start! Hm, dachte er, vielleicht gibt es welche, die es für zweitausend machen. Noch besser!

Da fiel ihm Rick ein, der mit seiner Meute hinter Short und Lily her war. Vielleicht würde er die Männer auf diesem Weg treffen. Nun, sagte er sich, dann reite ich neben der Bahn. Nicht durch die Berge, sondern den weiten Umweg. Und so ritt er kurz danach schon neben den Schienen. Immer durch die Täler, in weiten Bögen, oft an reißenden Creeks entlang, aber was war das alles? Was spielten jetzt Meilen für eine Rolle? Er hatte zwanzigtausend.

Coltpoker der Gnadenlosen: Western Sammelband 4 Romane

Подняться наверх