Читать книгу Coltpoker der Gnadenlosen: Western Sammelband 4 Romane - Glenn Stirling - Страница 22

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Von den Blättern troff es herab, aber es regnete nicht mehr. Die Sonne war aufgegangen und ließ den Wald in den Tälern dampfen. Blutig rot hatte sich der Himmel im Osten gefärbt, und die letzten Wolken zogen im Südwind nach Norden ab. Dieser Wind war warm und versprach einen schnellen Frühling.

Doch daran dachte Jim nicht, als er vom felsigen Pfad hinab in den Bergkessel spähte und die Reiterschar gewahrte, die auf seiner Spur ritt. In zwei Stunden würden sie hier oben sein, und dann hatten sie es leichter als er.

Lily jammerte und stöhnte. Im Kleid war das Reiten für sie eine Tortur, aber er mochte darauf nicht Rücksicht nehmen. Debrés Leute hatten die Spuren viel schneller gefunden, als er gefürchtet hatte. Und bis Green River City war es ein weiter Weg zu Pferde. Jim überlegte, ob er nicht Lily vor sich auf den Braunen nehmen sollte, der ein viel besseres Pferd als der Schecke war. Zudem brauchte er den Schecken nicht immer hinter sich herzuziehen. Dieses Pferd schien das nicht gewohnt zu sein und stellte sich so störrisch an, wie es nur ging. Lily piesackte das Tier zudem, vielleicht in der Hoffnung, dadurch den Verfolgern Vorteil zu verschaffen.

Kurz entschlossen saß Jim ab, ging zu Lily und band ihr die Hände los.

„Hast du es endlich eingesehen?“, fragte sie spöttisch.

„Wir werden auf meinem Pferd weiterreiten.“

„Auf deinem Pferd? Es gehört Rick, und schon dafür wird er dich bis zum Nordpol jagen.“

„Ich werde es ertragen, denn deine Gesellschaft ist mir sicher. Auch über den Nordpol kann man nach Green River City gelangen. Nur nicht die Fassung verlieren, du wirst sehen, dass ich erreiche, was ich will.“

Er hob sie vom Pferd und sagte: „Steh hier still! Meine Chancen werden besser, wenn ich dich nicht mehr mitzunehmen brauche. Wenn du auf diesem Pfad Mätzchen versuchst, könntest du schnell dort unten liegen. Sieh hinab, dann verstehst du, was ich meine!“ Er deutete in die Schlucht hinunter, und als Lily hinabsah, trat sie hastig ein Stück zu der Felswand zurück, die hinter ihr aufragte, schloss die Augen und murmelte: „Ich glaube, du bist gar kein Mensch, Jim Short. Du würdest nichts tun, mich festzuhalten, wenn ich fiele?“

„Das kommt darauf an, Lily. Und jetzt dort auf das Pferd gestiegen!“ Er half ihr in den Sattel, saß selbst auf und ließ sie so sitzen, dass sie beide Beine nach links wie im Damensitz halten konnte. So saß sie vor ihm.

Der Braune fand das höhere Gewicht gar nicht gut und schnaubte erregt. Jim trieb ihn neben den Schecken, langte hinüber zu der Satteltasche und machte sie los. Dann hängte er sie vor Lily ans Sattelhorn des Braunen.

„Und was tust du mit dem Schecken?“

„Der wird sich einen Weg ins Tal suchen, darum sorge dich nicht.“ Jim ritt weiter, und als er sich einmal umsah, trottete der Schecke schon den Pfad zurück, talwärts.

„Jim“, fragte Lily und sah ihn dabei an, „bedeute ich dir denn gar nichts? Ich bin doch nicht hässlich und …“

„Hör auf damit, das zieht bei mir alles nicht! Du bist schön, Lily, das sehe ich, wie alle anderen Männer. Aber ich sehe auch den Teufel dahinter, und da hilft die ganze Schönheit nichts mehr. – Sei still jetzt!“

„Meinst du, sie werden mich zum – zum Tode verurteilen?“, fragte sie plötzlich nach kurzer Zeit des Schweigens.

Er zuckte die Schultern. „Ich bin nicht dein Richter, aber ich war O'Hagans Freund. Du hast dir eine Menge aufgeladen. Ridgeway war auch nicht so verkehrt, bevor du ihn zu dem gemacht hast, was er jetzt ist.“

„Er ist doch tot.“

„Ich weiß es nicht.“

„Dale war ein netter Bursche, ganz anders als du. Er wäre für jede Frau durchs Feuer gegangen. Du bist wie eine Bestie.“

„Danke.“

Sie sah ihn an. „Dabei bist du der erste Mann, der in mir alles durcheinanderbringt.“

„Lily, spar es dir, es ist sinnlos. So kannst du mit Rick Debré reden oder mit sonst wem. Schon bei Hopkins würdest du damit nicht mehr verfangen. Und Debré? Ich glaube, da ist auch der Ofen aus.“

„Rick ist mächtig, und er betet mich an.“

„Er kann sich nicht leisten, dass ich dich wegbringe, das ist alles. Mit dir selbst hat das jetzt schon nichts mehr zu tun. Seine Macht zerbricht, wenn ich mit dir durchkomme, auch wenn ich es allein schaffe.“

Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

„Rick tut alles für mich, alles. Er ist ein Caballero, wieder ganz anders als Dale.“

„Du solltest deine Memoiren schreien, Lily. Ich und meine Männer, so könnte es heißen.“

„Willst du nicht dazugehören?“, fragte sie leise, als befänden sie sich in einem gut beleuchteten Salon.

„Gib es auf, Lily, es ist vorbei, für dich auf alle Fälle. Erinnere dich an O'Hagan, an Guiness, der ein tüchtiger Mann gewesen ist, an O'Toole, den Ridgeway nur erschossen hat, weil er für dich gemordet hatte. Wie viel hast du ihm gegeben?“

„Nichts. Noch nichts.“ Sie lächelte. „Ich habe ihm Geld versprochen.“

„Er hätte es nie erhalten. Zeugen kannst du nicht brauchen. Aber mich interessiert nur O'Hagan und dein Mord ihm. Deshalb schaffe ich dich weg.“

„Debré wird dich danach nicht fragen, wenn er uns einholt.“

Jim lachte heiser. „Er wird schießen lassen oder es selbst tun, Lily. Ob ich dich bei mir habe oder nicht. Verlass dich darauf. Aber du wirst es erst glauben, wenn es knallt.“

Sie schien aber nicht mehr so sicher wie vorhin. „Meinst du, dass Rick so etwas tut?“

„Rick Debré liebt Frauen, aber noch mehr liebt er Macht und Geld. Er würde niemals diese letzten beiden Dinge gegen eine Frau wie dich eintauschen. Du solltest so klug sein, das zu begreifen.“

„Nein, ich glaube es nicht!“, erwiderte sie wie besessen. „Er wird mich retten.“

„Warte es ab! Nur wird dir dann kaum noch eine Möglichkeit bleiben.“

Jim sah sich um, und gerade als der Pfad einen Bogen machte, konnte er weit hinten die ersten Verfolger sehen. Noch waren sie auf den Serpentinen, die an der Felswand emporführten, aber in einer Stunde mussten sie oben sein.

Als es fast zehn Uhr war, begann Jim in den Sattellaschen nach etwas Essbarem zu suchen. Aber er fand lediglich ein Stück angeschimmeltes Hartbrot und eine Geldtasche mit vierzehnhundert Dollar. Auf ihr waren die Insignien RD eingestickt, Rick Debrés Initialen.

Im Augenblick wären Jim die Hälfte des Geldes und ein paar Nahrungsmittel lieber gewesen. Zum Glück befand sich in der Feldflasche etwas zu trinken, aber das war nur schaler Tee, und Wasser gab es zur Zeit noch überall in den Bergen.

„Der starke Mann hat Hunger, und das tut weh, nicht war?“, spottete Lily.

„Ich werde das noch lange ertragen, aber für dich wird es bald hart werden.“

Sie lachte leise. „Irrtum, ich kann hungern. Ich muss es sogar von Zeit zu Zeit, sonst wäre ich schon fett wie eine Mastpute.“

Er schwieg dazu und sah sich immer häufiger um. Doch von den Verfolgern entdeckte er nichts. Der Pfad war nun breiter geworden und zog sich in Windungen durch die Ranges, vorbei an aufragenden Felsen, die grau und verwittert zum Himmel empor stachen. Dieser Pfad war uralt, und früher hatten ihn die Indianer benutzt, wie überall an den Felsen die Zeichen und Bilder verrieten, die von ihnen einst hineingemeißelt worden waren. Später waren die Vermesser der Bahn diesen Weg gezogen, und nun lag er verlassen. Jim kannte ihn zu seinem Glück von der Bauzeit der Bahn her, als sie noch von Green River City her nach Westen vorstießen.

Bald musste ein Hochtal kommen, in dem dichter Wald stand. Zusammen mit Amos hatte er dort einmal eine Nacht verbracht. Es war ein gutes Lager gewesen, das sogar. herumstreunenden Uintahs standgehalten hatte, die im Morgengrauen über Amos und Jim herfallen wollten.

Dieses einstige Lager wollte Jim erreichen, bevor es Nacht wurde. Gelang ihm das, konnte er noch in der Nacht nach kurzer Rast den Ritt trotz Dunkelheit fortsetzen, denn von hier aus gab es einen Wagenweg, und auf ihm konnte er auch nachts reiten. Holten ihn die Verfolger bis zum Lager ein, würde er sich dort gut verteidigen können. Das Lager musste er schaffen, so früh wie möglich.

Als er einmal auf eine Höhe gelangte und den Pfad eine Meile weiter zurück einsehen konnte, sah er fünf Reiter hintereinander dort entlangkommen. Da wusste er, dass es mit dem Lager nichts wurde.

Er hielt an, denn nun spielten zwei Minuten der Überlegung keine Rolle mehr.

Lily nutzte die Pause, um wieder zu sticheln. „Sie sind dicht hinter uns, nicht wahr? Du hättest eben den Schecken doch mitnehmen sollen. Nun ist der Traum bald aus.“ Sie lachte höhnisch.

Er erwiderte nichts, sondern blickte über die Grate der Felsen. Nein, hier oben würde er sich zwar wunderbar verteidigen können, aber nur solange, bis sie ihn umzingelt hatten. Ohne Vorräte, ohne Wasser und ohne ausreichende Munition war er da auf verlorenem Posten. Er musste ins Tal, musste noch eine gute Meile weiter, dort gab es vielleicht bessere Chancen.

Während er den Braunen wieder antrieb, überlegte er und suchte sich zu erinnern, wie die Umgebung des Weges unten im Tal aussah.

„Jim, ich würde mit dir zusammen gegen sie kämpfen, ich würde alles für dich und uns tun, wenn du jetzt vernünftig wärst. Gib deinen Plan auf, Jim, lass uns beide nach Süden reiten, sobald wir hier wegkommen können. Hör auf mich, Jim, ich gebe dir diese Chance, und ich gebe sie dir gern.“

Er sah sie kurz an, aber er schwieg. Sie deutete das anders und glaubte, er sei unentschlossen geworden.

Sie schmiegte sich an ihn, und weil es ihm zu lästig war, sie jetzt abzuwehren, meinte sie in ihren Hoffnungen sicherzugehen. „Jim, sag, dass du mit mir fliehst, und ich werde dir helfen, so gut ich nur kann. Ja, ich gebe zu, dass ich Fehler gemacht habe, aber …“

„Schweig! Du wirst nach Green River City gebracht, und wenn ich auf dem Zahnfleisch krieche. – Halte jetzt den Mund!“

Sie zuckte zusammen wie unter einem Schlag, starrte ihn zornig an und schrie: „Ich hasse dich, du Teufel mit deinem Eisenherzen! Ich hasse dich! Du bist kein Mann, du bist ein Denkmal – ein verfluchtes Denkmal deiner eingebildeten Gerechtigkeit! Hol dich doch der Satan, du verdammter Steinklotz!“

Er trieb den Braunen an, und als das Tier trabte, wurde Lily so durchgeschüttelt, dass ihr das Reden verging. Ihr vom ungewohnten Reiten zerschundener Allerwertester tat so weh, dass sie nur noch jammerte und schließlich haltlos weinte. Aber Jim kümmerte sich nicht darum.

Endlich ging es bergab. Und vor ihnen tat sich ein weites Tal auf. Riesige Douglastannen standen hier, Giganten, deren Wipfel unendlich hoch schienen.

Unten rauschte Wasser. Der Braune witterte es. Sein Durst ließ ihn schnell laufen. Ein Creek floss im Tal entlang, nicht sehr breit, aber glasklar und wild sprudelnd im tosenden Gefälle über die Felsbrocken hinweg.

Jim trieb den Braunen zum Bach, ließ das Tier saufen und füllte auch seine Flasche. Er ließ Lily trinken, trank selbst und saß wieder auf. Vor ihm überquerte jetzt der Pfad den seichten Bachlauf, um drüben wieder in Serpentinen die Bergwand emporzuführen.

Jim sah zurück. Noch keine Verfolger. Aber jeden Moment mussten sie auftauchen. Sie ritten rücksichtslos auf ihren Pferden, das war Jim schon lange klargeworden. Er aber konnte sich nicht leisten, den Braunen zu verlieren, der zudem noch nahezu doppelte Last zu tragen hatte.

Es gab zwei Möglichkeiten. Eine kannte Jim; es war der Weg den Berg wieder empor. Die zweite war der Bach, aber Jim hatte nicht den Schalten einer Ahnung, wie er weiter verlief.

Dennoch trieb er den Braunen an und ritt ins schäumende Wasser. Auf dem Geröll konnte der Braune nur Schritt gehen, zudem schien es ihm nicht zu behagen, im eiskalten Wasser zu bleiben. Jim aber zwang das Tier dazu, und als sie den Wald erreichten, wurde auch das Bachbett glatter, so dass der Braune williger ging.

Noch verlief das Bachbett nahezu eben. Schließlich aber nahm wieder das Gefälle zu, und plötzlich sah Jim vor sich das Ende des Waldes, das direkt vor dem Himmel zu sein schien. Als er mit dem Braunen an die Waldgrenze kam, begriff er auch, warum er den Himmel sah. Eine Steilwand fiel unter Jim ab, und ebenso stürzte der Bach in einem brausenden Fall in die Tiefe, um gut hundertzwanzig Fuß tief in einen See zu stürzen, der weiß von quirlendem, sprudelndem Schaum war. Rings um den See stand hohes Büffelgras, und weiter zurück reichte die weite Ebene scheinbar ins Endlose. Keine Bäume, keine Sträucher, nur Gras – Gras, soweit das Auge reichte, wie ein gelbgrünes Meer.

Jim sah keine Möglichkeit, in der Ebene den Verfolgern zu entkommen, auch wusste er nicht, wie er die Steilwand hinab gelangen konnte.

Jetzt höhnte auch Lily nicht mehr, als fürchte sie, ihn zu einer Kurzschlusshandlung zu verleiten.

Jim sah sich um. Plötzlich hörte er in der Ferne ein Pferd wiehern.

Coltpoker der Gnadenlosen: Western Sammelband 4 Romane

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