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Jim konnte sich keinen Fehler leisten. Wenn Lily aufschrie, würden die Verfolger sofort schießen, und Jim war keineswegs mehr so sicher, dass sie sich noch von Lilys Gegenwart abschrecken lassen würden. Deshalb hatte er ihr sein Halstuch über die untere Gesichtshälfte gebunden und ihre Hände vorn zusammengefesselt. Sie war empört darüber gewesen, doch für ihn gab es kein Mitleid mehr. Jede Nachsicht bedeutete womöglich seinen Tod – vielleicht sogar den ihren, und sie war klug genug, das sogar zu begreifen. Bei Dale Ridgeway hätte sie sich nicht zu fürchten brauchen, wie sie meinte, aber Rick … Sie schien da gar nicht mehr sicher zu sein, vor allem, wenn plötzlich Hopkins auf sie traf. Hopkins kannte garantiert keine Rücksicht.

Ohne Rast schleppte Jim die Frau auf die Stadt zu. In weitem Bogen erreichten sie die ersten Häuser, endlich auch den am weitesten östlich gelegenen Saloon, den „Red Eye“. Sie näherten sich ihm von hinten her, während auf der Straße gerade zwei Reiter vorbeigaloppierten. Von der Station her erklang der Lärm, den die suchenden Männer machten, die sich immer wieder gegenseitig durch lautes Rufen anfeuerten. Gelegentlich wurde geschossen, aber es schienen Luftschüsse zu sein. Jim war damit zufrieden, weil er auf diese Weise wusste, dass sie ihn noch auf dem Bahngelände vermuteten.

Lily versuchte immer wieder, ihrem Bezwinger zu entkommen. Sie trat bei jeder Gelegenheit nach ihm, wollte sich das Halstuch abstreifen, und jetzt, dicht vor dem „Red Eye“, wagte sie wieder etwas. Sie riss sich plötzlich los und wollte zur Straße hin. Aber sie vergaß den grundlosen Schlamm, in dem sie strauchelte. Jim packte sie, bevor sie nur zwei Schritte weit gekommen war, riss sie an sich und schleppte sie wie ein Bündel weiter an der Hinterseite des „Red Eye“ Saloons entlang, bis sie in noch immer tiefer Dunkelheit die Rückwand des Saloons erreichten, der Lily selbst gehörte.

Drinnen schien es still zu sein. Jim sah auch nirgendwo Licht, als er die hintere Tür aufstieß. Er schob Lily vor sich her und tappte mit ihr durch den dunklen Gang. Endlich sah er Lichtschein durch einen Türspalt. Er nahm den Revolver schussbereit in die Rechte, hielt Lily mit der Linken umfasst und trat die Tür auf. Sie schwang bis zum Anschlag herum und knallte dagegen.

Im Raum brannte eine Sturmlaterne; es war der Gastraum, und die Lampe stand auf dem Tresen. Der Keeper hockte mit ausgestreckten Beinen auf einem Stuhl vor seiner Theke und zuckte jetzt aus tiefstem Schlaf hoch. Seine über und über mit Schlamm bedeckte Kleidung hatte Wasserpfützen auf dem Fußbock hinterlassen, in denen sich der Lampenschein spiegelte.

Als der Mann Lily und Jim sah, tasteten seine Hand instinktiv an die Hüfte, aber Jim sagte ruhig: „Lass es bleiben!“

Da hob der massige Mann unaufgefordert die Hände und sah Jim an, dann mit entsetztem Blick die Revolvermündung, die auf ihn gerichtet war.

„Wer ist noch im Haus?“, fragte Jim scharf.

„Niemand – ich – ich allein.“

„Nimm die Lampe und geh voraus, die Treppe hinauf!“, befahl Jim.

Als der Keeper am Treppenabsatz angelangt war, sagte Jim: „Steh still! Keine Bewegung!“

Er trat zu dem massigen Mann hin und zog ihm den Revolver aus dem Halfter. „Weitergehen!“

Der Keeper sah die Sache anders, schien sich doch eine Chance auszumalen, denn plötzlich riss er die Lampe hoch und schwang sie wie einen Diskus nach Jims Kopf.

Jim duckte ab und zog Lily mit hinunter, dann stieß er den Coltlauf mit aller Macht nach vorn auf die Magengegend des Keepers. Der Mann schrie auf, und die Lampe zerschellte an der Wand. Sofort stand sie in hellen Flammen. Der Keeper ließ sie los, sie fiel herab und blieb unter einer schweren Portiere liegen. Der zundertrockene Stoff fing augenblicklich Feuer. Jim wollte es löschen, aber der Keeper war immer noch nicht außer Gefecht, sprang mit einem Satz nach Jim.

Jim ließ Lily los, und sie nutzte das, um wegzulaufen.

Der Keeper stieß beide Fäuste nach Jims Kopf. Aber Jim hatte jetzt keine Zeit und keine Lust auf einen Kampf, trat mit dem Stiefel nach dem Schienbein des Keepers, wich mit dem Kopf aus und schlug noch einmal den Coltlauf nach dem Keeper, diesmal auf dessen Kopf.

Der Mann schlug schwer zu Boden und blieb liegen.

Indessen war Lily im vom Feuer hell erleuchteten Raum bis zur Tür gekommen.

Jim jagte ihr nach, erreichte sie, bevor sie die Pendeltür aufstoßen konnte, und riss sie zurück.

Ihr war es gelungen, das Halstuch herabzuziehen, und jetzt schrie sie aus Leibeskräften um Hilfe.

Er hielt ihr den Mund zu, aber sie biss ihm so heftig in die Handfläche, dass er sofort wieder losließ, sie herumwirbelte und sie hart an den Schultern packte.

„Mitkommen, und keinen Ton mehr!“

Aber draußen musste es gehört worden sein. Eine Männerstimme schrie auf der Straße, und plötzlich ertönten auch oben auf dem Flur Frauenstimmen. Also war der Keeper doch nicht allein gewesen. Ein Mann oben fluchte, dann schrie eine Frau, und Jim sah einen wasserstoffblonden Haarschopf und dann auch das ganze leichtgeschürzte Mädchen an der oberen Treppe auftauchen.

Noch starrte das Mädchen nur auf die Flammen der Portiere und kreischte: „Das Haus brennt! Feuer!“

Jim riss Lily mit sich, die verzweifelt versuchte loszukommen. Aber nun war er unerbittlich. Er schleppte sie zum Hinterausgang zurück, während Männer und Mädchen die Treppe herunterliefen und sich gegenseitig aus Furcht vor dem Feuer umrannten. Keiner achtete auf Jim und Lily, die indessen an der Hintertür waren. Jim stieß Lily vor sich her, riss sie mit zum Stall des Saloons hin, der ein paar Häuser weiter östlich stand. Hier war ja auch Jims Grauer untergebracht gewesen. Der Kuckuck wusste, wo der Graue jetzt war. Sicher ritt einer von Debrés Leuten auf ihm, denn das Tier hatte ja vor dem Saloon gestanden.

Lily gab ihren Widerstand auf. Vielleicht erhoffte sie sich eine letzte Gelegenheit im Stall, aber Jims Glück schien nun auf einmal unumstößlich zu sein. Im Stall war kein Wächter, und die matte Laterne brannte hell genug, um ein halbes Dutzend Pferde zu sehen.

Ohne Umschweife zog Jim ein Lasso von einem Sattel herunter, der auf einem der Sattelböcke lag. Damit band er die widerstrebende Lily an einem Stützbalken fest, sattelte hastig zwei Pferde, band sie los, streifte ihnen die Zäume über und löste Lilys Fesselung.

„Los, auf den Schecken!“, befahl er schroff.

Er half ihr in den Sattel, band ihr die Hände am Horn fest und führte beide Tiere nach draußen.

Auf der Straße war inzwischen eine Menschenmenge vor dem „Rote Lola“ Saloon versammelt. Flammen schlugen aus dem einen Fenster im oberen Stockwerk.

Jim verschwendete keinen Blick mehr in diese Richtung. Er zog beiden Pferden die Gurte stramm, saß auf und nahm die Zügel des Schecken. Er hörte das panische Geschrei der Menschen. Niemand störte sich an Dingen, die hundert Schritte oberhalb auf der Straße geschahen. Selbst wenn Lily geschrien hätte, wäre es dort unten nicht gehört worden.

Jim zögerte nicht mehr. Er trieb den Braunen an, auf dem er ritt, und zog den Schecken mit. Kurz darauf hatten sie die Stadt im Rücken.

„Du hast ein verdammtes Glück!“, keuchte Lily verzweifelt.

„Abwarten, aber ich tue, was ich kann.“ Jim lachte leise, und es klang tatsächlich etwas triumphierend. Vor allem später, als sie von den Hügeln aus die vielen Fackeln auf dem Bahngebiet sahen. Jim fragte sich, wann sie merken würden, dass er mit Lily längst aus der Stadt war.

Im Osten graute der neue Tag. Jim hatte wenig Zeit zu verlieren.

Coltpoker der Gnadenlosen: Western Sammelband 4 Romane

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