Читать книгу Die Hexe zum Abschied - Günter Billy Hollenbach - Страница 19
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ОглавлениеIch habe gerade mein Abendessen, Fisch- und Schinkenbrote, hergerichtet, als das Telefon klingelt. Frau Conrad? Nach unserem Zusammentreffen muss ich wiederholt an sie denken.
„Na, gefällt sie dir?“
Im ersten Augenblick fällt es mir schwer, das richtige Gesicht zu der Stimme zu finden. Beinahe streng der Unterton, verhörgeneigt.
„Auch dir einen wunderschönen guten Abend, Corinna. Was verschafft mir die Ehre deines außerordentlichen Anrufs, während mein Abendessen wartet.“
„Tu nicht so scheinheilig, Robert. Und, hat sie mir dir geflirtet?“
Wobei eine etwas hintersinnige Klangfarbe durchschimmert.
„Ja, hat sie, gnadenlos. Ich bin noch ganz hin- und hergerissen.“
„Na warte, Du,“ kichert sie heiter drohend. „Ich warne dich.“
Wieso?, gebe ich mich arglos verwundert. Während der Woche ist noch Platz in meinem Schlafzimmer.
Sie lacht laut los.
„Genau! Du meinst, wenn meine Tochter es mit dem Kollegen treibt, kannst Du dich mit meiner Kollegin vergnügen. Hauptsache Corinna steht dumm da.“
Beachtlich, was meine Hauptkommissarin zwischen den Zeilen denkt.
„Ja, wenn Du es möchtest, mein Schatz, tue ich das gern, falls Vera mitmacht. Nur für das Dummdastehen bist Du selbst verantwortlich.“
„Seid ihr jetzt schon beim Vorname? Das ging aber schell.“
„Wir haben es wild miteinander getrieben; leider rein kriminalistisch.“
„Dein Glück, dass Du nicht kriminell gesagt hast. Iss zu Abend; ich melde mich wieder nach der Tagesschau.“
Sagt es und legt auf.
Kurz nach zehn ruft sie erneut an.
„Stell dir vor, ich liege im Bett, nach vollbrachtem Tagewerk. Und schlürfe Fencheltee. Was ist mit deinen Knien?“
Prompt schlürft sie eine Hörprobe.
„Mit meinen Knien, Corinna? Was soll sein damit?“
„Na, heute Mittag. Vera, Frau Conrad hat gesagt, Du hättest ...“
Schau an, die beiden haben ausführlich miteinander getratscht.
„Hähä, hihi, das gefällt mir. Das habe ich nur aus Spaß gesagt. In der Klinik, filmreif, wie wir uns bekannt gemacht haben. Ich hatte meine panzerbrechende Jacke an und die Kanone dabei.“
Ich muss erneut lachen. Corinna grinst hörbar.
„Ja, hat sie mir erzählt.“
„Immerhin ist ihr das gleich aufgefallen, obwohl ich ganz artig war. Sie stand zufällig an der Tür, als ich kam, und wurde kurz entschlossen dienstlich. Hihi; wer bin ich denn? Lasse mich von der Dame aus heiterem Himmel zu Boden zwingen; das fehlte noch.“
„Angeber. Trotzdem, die Szene hätte ich gern gesehen.“
„Die Empfangsdame hat jedenfalls ziemlich große Augen gemacht.“
„Und, willst Du was mit ihr anfangen?“
„Mit der Empfangsdame?“
„Robert, stell dich nicht dümmer als Du bist. Mit Vera natürlich.“
„Na selbstverständlich. Sie hat sich bereits einverstanden erklärt.“
Hörbar verwundertes Luftanhalten am anderen Ende der Leitung.
„Vera, einverstanden? Womit?“
„Sie überwacht meine Schokoladen-Entzugstherapie.“
„Oh Gott, Familientratsch hinter meinem Rücken!“
Sie kichert vor sich hin.
„Kaum wechselt man mit der Kollegin ein privates Wort ... Wo sind sie geblieben, die wahren, verschwiegenen Freundinnen?“
„Geht das, Freundin und verschwiegen?“
Corinna seufzt vergnügt, kichert erneut.
„Also hat sie hemmungslos ihr Herz vor dir ausgeschüttet?!“
„Leider nein, Corinna. Unsere Annäherung verlief wie in Polizeikreisen üblich: Mit Ecken, Kanten und gezogenen Pistolen. Danach haben wir uns dreimal das Wort ,Dienstgeheimnis’ vorbuchstabiert; das war alles.“
Corinna lässt ihr berühmtes Teeschlürfen hören.
„Was sie von dir hält, verrate ich selbstverständlich nicht.“
Wie schön, eine verschwiegene Frau, Komma, Freundin zu haben.
„Hör mal, am Freitag? Wir reden endlich über Haushaltsgeld. Am besten mit Mona zusammen. Das Kind soll sich endlich mit den Mühen unseres Alltags befassen.“
Durchsichtiges Ablenkungsmanöver.
„Von mir aus.“
„Wie Du meinst. Jetzt sag endlich, wie gefällt sie dir ... Vera.“
„Sprichst Du von Frau Conrad? Ich war überrascht, wie hübsch sie ist. Geradezu begeistert hat mich ihre Stimme. Ungewöhnlich freundlich, klar, leicht, wie sie klingt.“
„Und ... welche Farbe? Ihre Stimme?“
Zuerst hat Corinna gedacht, ich veralbere sie, als ich meine nichtalltäglichen Fähigkeit erwähnte. Hirnforscher sprechen von Synästhesie. Ich sehe Töne, Musik und menschliche Stimmen in unterschiedlichen Farben und fühle sie vor allem in den Energiezentren meines Körpers – auch Chakras genannt. Als Junge fand ich das so normal, dass ich es kaum bemerkte und mir nichts dabei dachte. Vor mehreren Jahren habe ich – natürlich auf einem schamanischen Workshop – gelernt, dass die Farben und Gefühle Hinweise vermitteln. Auf das Wesen und die Befindlichkeit der Person, die spricht. Vor allem bei Menschen, denen ich zum ersten Mal begehe, achte ich seitdem auf diese unbewusste Kommunikationsebene.
„Helles Königsblau, prickelnde Schwingungen im Kehlkopfbereich, anregend, heiter und willkommen.“
„Und, was schließt Du daraus?“
„Willenskraft, Urteilsfähigkeit. Mut, ihre Meinung zu sagen und dazu zu stehen; aufgeschlossen für Träume, Märchen, Phantasie. Lauter Schlagwörter, die alles und nichts bedeuten können.“
„Nöh, mein Lieber, ich finde, das trifft viel von Veras Wesen.“
Teeschlürfen, lautes Seufzen.
„Ich sehe schon, Du und ich ... wir passen nicht zusammen. Ich mit meiner orange-roten Stimme.“
„Herzblatt, ich habe es dir schon mal gesagt: An sich wirkt deine Stimme auf mich sexy und sinnlich, tiefer im Bauch.“
Leider oft mit Grau durchsetzt. Ich schätze, das kommt von verminderter Flirtneigung als Folge dienstlichen Gedankenschrotts. Das jetzt zu sagen verkneife ich mich natürlich.
„Berkamp, wie halte ich es bloß mit dir aus?“
„Wieso, ich mag meine Macken; harmlos und pflegeleicht.“
„Tja, wenn Du es sagst. Übrigens, nebenberuflich spielt Vera in einem Laientheater in Bornheim. Demnächst wieder in der Naxos-Halle.“
„Oh, das sollten wir uns mal antun.“
„Gut, Robert, ich frage sie. Und sie betreut eine Gruppe von Problem-Jugendlichen im „Kamerun“, also im Gallusviertel. Die Frau ist ziemlich aktiv, beneidenswert. Tja, ist wohl der Vorteil, wenn man jünger ist. Nicht wahr, mein Lieber?“
Es folgen ein paar von Corinnas berüchtigten Gedankensprüngen.
„Bin ich froh, dass ich keine Kinder mehr kriege. Sag mal, was hältst Du davon, mich zu informieren, bevor Du dich in meine Ermittlungsarbeit einmischt? Nebenbei, wieso hast Du die Pistole mitgenommen? Komische Art von Krankenbesuch, findest Du nicht?“
„Tja, Corinna, dank deiner Überredungskünste besitze ich nun mal den Waffenschein und das Schießgerät.“
„Verstehe, eine Pistole als symbolischer Ersatz für mich?!“
Täusche ich mich? Am Telefon wirkt Corinna oft eine Spur schlagfertiger und witziger als daheim in der Küche.
„Ach, ist das schön, solch eine pfiffige Frau zu haben.“
„Habt ihr über den Fall Neskovaja gesprochen?“
„Nur flüchtig. Ich glaube, deine Kollegin arbeitet sehr sorgfältig.“
Ein vorauseilendes Lob kann nicht schaden.
„Hör mal,“ schneidet sie den Satz ab, „Vera hat gemeint, Du willst privat für die Neskovaja ermitteln. Hast Du das vor?““
„Ja, warum nicht?“
„Meinen Segen hast Du, wenn Du nichts Besseres zu tun hast. Mehr als wir kannst Du sowieso nicht rauskriegen; da bin ich mir sicher.“
Abwarten, denke ich.
„Mal ganz ehrlich, Robert, was treibt dich ausgerechnet in der Sache an? Wenn Du dir unbedingt die Zähne ausbeißen willst ... ich kann dich locker mit ein paar meiner ungelösten Fälle beschäftigen.“
Eine schlüssige Antwort fällt mir tatsächlich nicht ein.